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Der erste Text am 14.9. 2001 um 18:48:59 Uhr schrieb
Dexter über WTC
Der neuste Text am 24.11. 2022 um 05:34:29 Uhr schrieb
Bettina Beispiel über WTC
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am 4.1. 2003 um 03:03:05 Uhr schrieb
voice recorder über WTC

am 12.12. 2002 um 23:11:46 Uhr schrieb
radon über WTC

am 25.5. 2002 um 02:03:11 Uhr schrieb
Das Gift über WTC

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Assoziationen zu »WTC«

Hagbard schrieb am 19.9. 2001 um 23:27:47 Uhr zu

WTC

Bewertung: 7 Punkt(e)

Beginnen wir mit einem einfachen Gedanken:
Ein Verbrechen gegen ein menschliches Wesen steht einem anderen Verbrechen gegen ein menschliches Wesen in nichts nach. Ein Mensch ist so viel wert wie ein anderer. Denn:
Alle Menschen sind gleich geschaffen“, so steht es auch in der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung von 1776 und die Vereinten Nationen beginnen ihreAllgemeine Erklärung der Menschenrechte“, die nun schon älter als 50 Jahre ist, mit der feierlichen Formulierung von derAnerkennung der allen Mitgliedern der menschlichen Familie innewohnenden Würde und ihrer gleichen und unveräußerlichen Rechte- eine Anerkennung, die die Grundlage von Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden bilde.
Schauen wir uns um auf der Welt:
Nein, die Menschen sind nicht gleich. Gleich geboren, aber nicht gleich ernährt; gleichermaßen würdig, aber nicht gleichermaßen beschützt; gleichberechtigt, aber nicht gleich behandelt.... Wer hungert, wird eben nicht satt. Wer zwischen Folterkellern lebt, lebt in der täglichen Angst um seine Haut. Wer verfolgt wird, kann sich kein Wohnzimmer einrichten. Wer keine Macht hat, ist ohnmächtig. Und wer sich verachtet fühlt, lernt den Hass.

Alle Menschen sind gleich.
Aber erleben wir ein Massaker an Afrikanern oder Arabern als die gleiche Katastrophe wie ein Massaker an Europäern oder US-Amerikanern? Ist es nicht so, dass wir dort in Afrika oder im Nahen Osten den rohen Umgang miteinander beinah für normal halten? Doch würden wir es verstehen, wenn ein Afrikaner oder ein Palästinenser ein Blutbad in Europa oder in den USA schlicht für das selbstverständliche Produkt einer Zivilisation hielte, die Auschwitz oder Hiroshima hervorgebracht hat?
Der Umfang und die Heftigkeit der Anschläge gegen die USA mögen überraschend gewesen sein, doch überrascht es auch, dass die USA in diesen Zeiten das Opfer von gewalttätigen Attacken wird? Muss es uns wundern, dass in den durch Kriege und Armut und Umweltzerstörung verwüsteten Teilen der Erde nach einfachen Lösungen gerufen wird, nach Rache? Wollen wir nicht begreifen, dass der Terror nicht nur eine bösartige, sondern auch eine verzweifelte Antwort auf die Aufteilung der Welt in Arm und Reich, in Sklaven und Herrscher ist?
Alle Menschen sind gleich.
Doch die Geschichte der Eroberung Amerikas ist bis heute eine lange blutige Geschichte über die Missachtung von Menschenrechten und den Missbrauch von Macht: Die Ausrottung der Indianer, die Unterdrückung der Schwarzen, Hiroshima und Vietnam, Chile und der Nahe Osten, die Verweigerung von Schuldenerlassen oder Umweltauflagen. Überall auf der Welt leben Menschen in einer Situation der permanenten Demütigung und des ökonomischen Desasters. Und überall mischen die USA mit - selbstlegitimiert durch die vermeintliche
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Verteidigung der Freiheit, aber in Wahrheit immer auf der Seite des Geldes und besessen von der Durchsetzung des eigenen Werte- und Wirtschaftssystems. Die Verbrechen der Macht stehen in nichts den Verbrechen der Ohnmacht nach.

Worum weinen wir in diesen Tagen? Für wen oder was legen wir Gedenkminuten ein, feiern wir Trauergottesdienste, sagen wir Gartenpartys, Sportveranstaltungen und Haushaltsdebatten ab? Warum unterbrechen wir Wahlkämpfe und warum legen wir gedämpfte Musik auf die Plattenteller der Rundfunkanstalten? Trauen wir tatsächlich um die Toten in den USA? Doch wann haben wir je in dieser Form auf die Bombardierungen von kurdischen Dörfern, auf das Massensterben im hungernden Afrika, auf die Erschießung von palästinensischen Kindern reagiert? Auf das Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens, auf das Gemetzel der Taliban in Afghanistan, auf die durch Selbstmordattentäter zerfetzten Menschen in Jerusalem?
Oder auf den Völkermord in Ruanda 1994, bei dem eine Million Frauen, Männer und Kinder ermordet wurden. Die gerade jetzt so viel beschworene Menschenverachtung erleben wir schließlich Tag für Tag. Was erschüttert uns also so in diesen Tagen?
Die Ahnung, dass die Spirale aus Gewalt und Gegengewalt immer seltener vor den Türen derErsten Welthalt machen wird? Das plötzliche Wissen um die Zerbrechlichkeit unserer mit Beton und Konsum und Seifenopern von Elend und realer Verzweiflung abgeschirmten Welt?
Oder erschüttert uns vielleicht auch die Erkenntnis, dass unsere sogenannte Zivilisation auf einer Lüge aufgebaut ist; dass wir unsere Hände nicht länger in Unschuld waschen können; dass das World Trade Center und das Pentagon nicht nur für Tausende von unschuldigen Opfern, sondern auch für Tausende von Tätern stehen, die Kriege inszenieren, Waffen verkaufen und Hungersnöte in Kauf nehmen, wenn es den Börsenkursen dient?
Die terroristischen Anschläge in den USA ein Menetekel, eine Unheil kündende Prophezeiung? Doch wem oder was sagt die mit Flammen und Rauchzeichen in den Himmel geschriebene Geisterschrift dieses Mal ihren Untergang voraus? Der letzten Großmacht USA oder der zügellosen Gewalt des Geldes? Was können wir erkennen im globalen Nebel zu Beginn des 3. Jahrtausends?

Trotz der pausenlosen Wiederholung dieser Floskel in den vergangenen Tagen - es stimmt nicht, dass sich die Welt durch den Zusammenbruch des World Trade Centers verändert hat.
Verändert hat sich die Silhouette von New York. Ansonsten ist die Welt die gleiche geblieben. Überall Probleme, für die niemand eine Lösung hat oder auch nur zu haben vorgibt. Die selben Kriege, der selbe Hunger, die selbe Hoffnungslosigkeit...
Die dramatischen Anschläge in den USA verändern nichts, sie zeigen nur, dass immer aufgefeiltere Waffensysteme im Besitz der Nato oder anderer Staaten immer ausgefeiltere Terroraktionen bedingen. Die Kriegserklärung gegen die USA hat eine Vorgeschichte. Denn Terroraktionen dieser Art entstehen auf einem politischen, sozialen und ideologischen Nährboden, in einem Klima aus Hass und Intoleranz und Rassismus. Wenn Bundeskanzler Schröder nun von einerKriegserklärung an die gesamte zivilisierte Weltspricht, schreibt er die Spaltung der Welt schon wieder fort. Wer nicht zu uns gehört, ist also unzivilisiert.
Nein, die Welt hat sich nicht verändert. Sie ist leider genau so wie zuvor. Meistens jedoch sterben die Menschen stiller und nicht so spektakulär.

Ich stehe, trotz aller Beschwörungen der Anständigen, nicht auf der Seite von Amerika und ich empfinde die grausamen Terroranschläge auch nicht als einen Anschlag auf mein moralisches Wertesystem. Ich halte die USA nicht für eine Demokratie und ihre Regierung nicht für eine Hüterin der Menschenrechte, nicht für moralisch legitimiert, moralische Urteile zu fällen.
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Aber ich trauere um die Toten in New York und Washington - so wie um die zivilen Opfer im Kosovo-Krieg oder die verbrannten Flüchtlinge in deutschen Asylbewerberheimen...
Wenn wir aber in Deutschland die Musterschüler im symbolischen Trauern mimen wollen, dann bin ich dafür, alle Sportveranstaltungen und Oktoberfeste und Messe-Galas abzusagen bis zu jenem Tag, an dem es Gerechtigkeit gibt auf der Welt. Und bis zur Einlösung der UNO-Erklärung zu den Menschenrechten plädiere ich auch für die dauerhafte Unterbrechung von inhaltsleeren Wahlkämpfen und für tägliche Gedenkminuten.

Ohne Gerechtigkeit keine Sicherheit. Nicht noch mehr Waffen, nicht noch mehr Sicherheits-Kontrollen, nicht noch mehr Mauern gegen die Armut und das Fremde machen die Welt und unser Leben sicherer, sondern sozialer und ökonomischer Ausgleich, der entschiedene und demokratische Kampf gegen die Verwüstungen des Kapitals, Toleranz und Kultur...
Auch wir hier in den Medien sind gefordert. Wir müssen die Täter und die Zusammenhänge beim Namen nennen: Wer profitiert von Massenentlassungen oder Hungersnöten, wer verweigert des Profites wegen welche Medikamente für Afrika, wer hat die Albaner in Mazedonien eigentlich bewaffnet - und wer die Gefolgsleute des Terroristen Bin Laden? Waren das nicht die Deutschen und die USA? Wir müssen uns der Propaganda und der freiwilligen Gedankengleichschaltung entziehen. Und schon jetzt unsere Stimmen gegen einen drohenden Krieg erheben. Und dagegen, dass die USA gemeinsam mit ihren Verbündeten hinter der Pose der Betroffenheit und auf der Suche nach Schuldigen gegen jeden vorgehen, der berechtigt gegen die politische Dominanz der USA kämpft.

Wie könnten wir besser der vielen Toten gedenken, der zahllosen Opfer von sinnloser Gewalt und gezieltem Terror, als mit dem gemeinsamen Bemühen darum, dass sich die Welt tatsächlich ändert?!

Nils the Dark Elf schrieb am 15.9. 2001 um 00:56:29 Uhr zu

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Bewertung: 18 Punkt(e)

Ich habe Schlafstörungen, lege mich erst um 10 Uhr morgens hin. Kann eine Weile schlafen, recht flach, werde immer mal wieder wach, trinke etwas.

Werde schließlich richtig wach, sehe auf die Uhr. 16 Uhr - Zeit für Star Trek. Schalte den Fernseher an.
Kein Stark Trek heute.

Was ist das?
Kraß! Voll Shadowrun! Heftig!
Moment mal, eigentlich viel zu früh. Oder?
Das ist das verdammte World Trading Center in NYC!
Plötzlich bin ich hellwach. Ich bin weder sonderlich geschockt, noch haben ich außerordentliche Angst - ich bin nur etwas verwundert.
Das Pentagon auch noch, höre ich jetzt. Treffend. Zwei große Symbole, Finanz und Militär. Ja, so hätte ich das auch gemacht.
Ich sehe schreiende Menschen, Panik auf den Straßen. Sie sind völlig unter Schock, sind in Todesangst. Überall Rauch und Tote.
Plötzlich stürzt das Gebäude ein. Sehr effektvoll, ihr Terroristen, wirklich sehr hübsch. 10 Punkte für die richtige Benutzung der Medien.
Ich hatte erwartet, daß so etwas passieren würde. Nur nicht so bald, nicht schon jetzt. In zwei oder drei Jahren vielleicht. Ich kann ein wenig mit diesen Menschen leiden, und ich kann ein wenig ihre Angst und ihren Schmerz nachvollziehen - aber es sind nicht meine Angst und mein Schmerz. Ich habe schon seit Jahren derartige Szenarien in meinem Kopf durchgespielt, und anfangs machten sie mir Angst. Da ich es aber in den letzten Monaten zu einem Spiel gemacht hatte, Anzeichen für die kommenden Umbrüche zu suchen, war ich nun nicht wirklich geschockt. Spätestens in zwei oder drei Jahren hatte ich eh irgendetwas von dieser Größenordnung erwartet.
Nun erwarte ich auch, daß ähnliche Dinge in der Zukunft öfter passieren werden. Die Welt wird innerhalb des nächsten Jahrzehnts ihr Gesicht radikal verändern, und niemand wird sie nachher wiedererkennen. Ich weiß nicht, ob ich lange genug leben werde, um das Ende zu sehen - ich weiß nur, daß es viele Tote geben wird. Ich weiß nicht, ob es einen dritten Weltkrieg geben wird, oder viele kleine Bürger- und Guerilla-Kriege auf der ganzen Welt, auch wenn mir letzteres wahrscheinlicher erscheint. Ich weiß, daß möglicherweise unsere gesamte westliche Zivilisation dies Jahrhundert nicht überdauern wird. Und wenn schon, Rom ist ja auch untergegangen, und die Menschheit hat es überlebt.
Ich habe nicht mehr Angst, als ich eh schon seit Jahren habe. Ich habe mich schon seit Jahren an die Angst gewöhnt, und auch, wenn ich jeden Menschen bedaure, der unschuldig sterben muß, weiß ich doch, daß es nicht zu verhindern war. Was geschehen muß, wird geschehen. Die Welt muß sich radikal verändern oder untergehen, denn so, wie sie ist, kann unsere Zivilisation nicht mehr lange bestehen. Radikale Umbrüche entladen sich immer in Gewalt, und ein derartig großer Umbruch führt zwangsläufig zu Krieg und Terror.

tzehweileuit schrieb am 27.10. 2001 um 13:57:25 Uhr zu

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Bewertung: 3 Punkt(e)

Beschleunigt die Erzählung von der Katastrophe, die die Medien zurzeit in ihren Bildern zusammenschneiden, einen Prozess der Abstumpfung?


Wenn man genug Katastrophenfilme gesehen und in seinen Bilderhaushalt eingespeichert hat, sie in Videogames selbst bedient oder durchgespielt hat, wirkt das natürlich abstumpfend, und zwar in der Weise, dass man sich mit der Möglichkeit von Katastrophen einrichtet. Man hat sie alle schon einmal gesehen, geträumt, gelesen, vorgeführt bekommen. Das Erschrecken vor den realen Bildern hält deswegen bestenfalls ein paar Tage an.


raubkopiE schrieb am 2.12. 2001 um 20:24:10 Uhr zu

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Bewertung: 1 Punkt(e)

Kein Recht zum Krieg
Für einen US-Angriff auf Afghanistan gibt es keine juristische Grundlage. Auch der Nato-Bündnisfall liegt nicht vor
von GERD WINTER

Dies scheint die Stunde der Militärstrategen. Doch ist völkerrechtlich nicht alles erlaubt, was effektiv erscheint. Denn das Recht ist auf längere Dauer eingestellt, und das gegenwärtige Terrorismusproblem darf die große Errungenschaft der UN-Charta nicht zunichte machen: das Verbot zwischenstaatlicher Gewaltanwendung.

Erlaubt ist nur die individuelle und kollektive Selbstverteidigung gegen den bewaffneten Angriff eines Staates nach Artikel 51 der UN-Charta (siehe Kasten). Manche Völkerrechtler halten diesen Fall für bereits gegeben und mahnen lediglich das Verhältnismäßigkeitsgebot an, das zum Beispiel bloße Racheakte ausschließe. Was erforderlich sei, um Terrorakte zu verhindern, sei zulässig - einschließlich militärischer Einsätze gegen Staaten wie Afghanistan.

Die Vertreter dieser Auffassung sehen sich durch die Resolution des UN-Sicherheitsrats vom 12. September bestätigt. Eine genauere Lektüre kommt dagegen zu einem anderen Ergebnis. In der genannten Resolution hat der Sicherheitsrat zwar eine Bedrohung des Weltfriedens konstatiert, nicht aber einen bewaffneten Angriff, der allein Auslöser des Rechts auf militärische Selbstverteidigung sein könnte. Hinsichtlich des Rechts zur Selbstverteidigung hat das Gremium nur abstrakt anerkannt, dass Artikel 51 der UN-Charta dieses Recht vorsehe - nicht aber, dass die Voraussetzungen etwa in Bezug auf Afghanistan eingetreten seien.

Kein Vergleich zu Kuwait

Ebenso verhält es sich mit der neuen Resolution vom 28. September. Sie stellt ebenfalls die Bedrohung des Friedens, nicht einen bewaffneten Angriff fest. Die Bedeutung dieses Textes liegt gerade darin, dass er die nichtmilitärischen Zwangsmaßnahmen effektiviert und von kriegerischen Maßnahmen absieht. Man halte ihm die Resolution von 1990 zur irakischen Invasion in Kuwait gegenüber: Damals stellte der Sicherheitsrat einen bewaffneten Angriff fest und bestätigte das Recht Kuwaits zur Selbstverteidigung.

Nun ist der Selbstverteidigungsfall allerdings nicht von einer Feststellung durch den Sicherheitsrat abhängig. Er ergibt sich aus der objektiven Lage. Man muss also nach einer allgemeingültigen Bedeutung des Ausdrucks »bewaffneter Angriff« fragen. Der Internationale Gerichtshof legten ihn im Nicaragua-Fall 1986 ausgedehnt aus. Damals erklärten die Richter, Ausrüstung und Ausbildung der von Honduras aus operierenden Contras durch die USA stellten einen bewaffneten Angriff dar. Diese ausdehnende Auslegung war aber keineswegs konturenlos: Die bloße logistische und finanzielle Unterstützung bewaffneter Gruppen, so die Richter, stelle noch keinen Angriff dar.

Damit die Anschläge in den USA als afghanischer Angriff angesehen werden könnten, müssten die Terrorpiloten demnach von Afghanistan ausgerüstet, ausgebildet und entsandt worden sein. Selbst wenn die Attacken nachweisbar von Bin Laden gesteuert und finanziert worden sind, wäre noch zu beweisen, dass die Regierung aktiv und nicht nur durch Duldung mitgewirkt hat. Offenbar fällt dieser Nachweis schwer. Deshalb wäre eine kriegerische Reaktion gegenüber Afghanistan mangels Selbstverteidigungsrechts von vornherein unzulässig.

Dies gilt auch für den Einsatz der Nato. Würden die USA um militärische Hilfe ersuchen, wäre diese nach Artikel 5 des Nordatlantikvertrages (siehe Kasten) nicht gestattet. Diese Bestimmung setzt voraus, dass ein bewaffneter Angriff eines Staates gegeben ist. Die Klärung dieser Frage hat die Nato am 13. September zu Recht zur Bedingung für den Bündnisfall gemacht. Allerdings suggeriert die unklare Formulierung, es komme auf einen Angriff »von außen« an, dass auch staatlich nicht gesteuerte Terrorakte als ausreichend für die Nothilfe angesehen werden. Dies wäre nach dem Vertrag nicht zulässig. Es geht auch nicht an, dass die Nato die Feststellung des Bündnisfalls durch die USA einfach übernimmt. Sie muss den Bündnisfall selbst prüfen, eine Definitionsmacht eines Nato-Mitglieds gibt es nicht.

Dass kriegerische Maßnahmen nach gegenwärtigem Kenntnisstand völkerrechtlich unzulässig sind, bedeutet selbstverständlich nicht, dass gar nichts unternommen werden kann. Wenn ein Staat terroristische Tätigkeiten gegen einen anderen Staat duldet oder unterstützt, verstößt er gegen den 10. Grundsatz der »Friendly Relations Declaration« der UN-Generalversammlung von 1970.

Der Verstoß löst einerseits die Pflicht zur Wiedergutmachung aus. Andererseits können gegen den pflichtwidrig handelnden Staat Repressalien unterhalb der Kriegsschwelle ergriffen werden, beispielsweise Boykottmaßnahmen.

»Kleine Gewalt« erlaubt

Nur in zwei eng umgrenzten Fällen werden gezielte Einsätze der »kleinen Gewalt« mit eher polizeilichem Charakter für zulässig gehalten. Der eine betrifft den Schutz eigener Staatsangehöriger. Ein Beispiel dafür ist der Einsatz einer israelischen Sondereinheit im Jahr 1976 im ugandischen Entebbe, wohin palästinensische Terroristen mit Duldung Ugandas eine El-Al-Maschine entführt hatten. Der andere Fall betrifft kleinere gewaltsame Übergriffe wie Grenzverletzungen, auf die mit begrenzten Maßnahmen geantwortet werden darf.

Der erste Fall liegt ersichtlich nicht vor - es sei denn, man fasst Maßnahmen zur Befreiung der in Kabul festgehaltenen Gefangenen ins Auge. Der zweite Fall ist sozusagen verfristet: Er trägt nicht langfristig angelegte Strategien mit Einsatz gewaltsamer Mittel zur Terrorismusbekämpfung.

Darüber hinausgehende Maßnahmen sind nach der gegenwärtigen Völkerrechtslage nicht auf der Ebene einzelner Staaten, sondern nur im größeren internationalen Verband möglich - auf der Grundlage eindeutiger Beschlüsse des Sicherheitsrats. Dieser hat in den beiden Resolutionen zu den Anschlägen vom 11. September bereits die Bedrohung des internationalen Friedens festgestellt. Im Anschluss daran kann er Maßnahmen nach Kapitel VII der UN-Charta ergreifen, die stufenförmig von Aufforderungen zur Verfolgung der Terroristen über friedliche Sanktionen bis zu militärischem Eingriffen reichen.

Die Entscheidungsbefugnis darüber hat allein der Sicherheitsrat, nicht ein einzelner Staat wie etwa die USA. Im vorliegenden Fall hat der Sicherheitsrat in zunehmend konkreter Form alle Staaten zur Terrorismusbekämpfung verpflichtet. Zu Afghanistan wurden bereits nach den Anschlägen auf die amerikanischen Botschaften in Nairobi und Daressalam Resolutionen beschlossen. Erst Ende letzten Jahres verpflichtete der Sicherheitsrat die Taliban zur Schließung der Camps und zur Unterbindung des Drogenhandels. Er verhängte ein Embargo für militärische Hilfe und den Luftverkehr.

Wenn sich diese Sanktionen als unzulänglich erwiesen haben, könnte der Sicherheitsrat auf die nächste Stufe übergehen und polizeiliche oder auch militärische Interventionen beschließen. Dabei könnte er sich auch auf den Tatbestand der menschenrechtswidrigen Unterdrückung der afghanischen Bevölkerung stützen, der seinerseits eine Bedrohung des Friedens ist.

Antiterror-Organisation

Angesichts der Verzweigung und offenbaren Schlagkraft der terroristischen Netzwerke reichen die Instrumente der UN-Charta allerdings nicht mehr aus. Erforderlich sind der Abschluss internationaler Verträge und die Einrichtung einer internationalen Organisation zur Terrorismusbekämpfung. Sie muss sorgfältig definierte supranationale Kompetenzen erhalten und gleichzeitig in einen umfassenderen Ansatz zur Bearbeitung der tieferen Quellen des Terrorismus eingebunden sein.

Der Anschlag vom 11. September hat die Akzeptanz für souveränitätsbeschränkende supranationale Institutionen mit weltweiten Kompetenzen gesteigert. Langsam kommt auch eine tiefer gehende Besinnung auf die Ursachen des Terrorismus in Gang. Diese Bereitschaft sollte für friedliche Zwecke genutzt werden, nicht für Kriegsgerede und nicht für Krieg.

taz Nr. 6564 vom 2.10.2001, Seite 4, 268 Zeilen (TAZ-Bericht), GERD WINTER

theweielti schrieb am 27.10. 2001 um 13:58:14 Uhr zu

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Bewertung: 1 Punkt(e)

Strike back ist von frühesten Besiedlungszeiten an ein amerikanisches Muss: Es muss zurückgeschlagen werden. Wenn das nicht passiert, dann bleibt ein ungeheures Loch in der Psyche dieses Landes. Entscheidend ist aber, was danach passiert. Wie wird Amerika die Situation langfristig verarbeiten? Werden in jedem Flugzeug Panzertüren vor die Cockpits geschraubt?


Ich denke, das wäre die Idiotenlösung: das ganze Land von innen zu panzern und zu glauben, damit ließe sich etwas in den Griff bekommen. Man wird jeden Araber, der in die Staaten einreisen will, zigfach filzen, abchecken, rastern, aber was soll der Blödsinn? Es werden sich Nichtaraber finden, Leute aus anderen Teilen der Welt, die Terroranschläge dieser Art ausführen. Das Personal, um solche Attentate zu verüben, ist unbegrenzt. Statt Horrorszenarien weiterzudenken, sollte man zu der Einsicht kommen, dass es Kräfte hinter diesem Anschlag gibt, die nicht völlig wahnsinnig sind, sondern dass es Gründe für ihr Handeln gibt. Deshalb muss man die Krisenherde entschärfen. Man muss weiter reden. Solange geredet wird, fallen keine Bomben. Wenn ein Gespräch scheitert, muss man das nächste anfangen. Und wenn man das nicht in Gang hält, dann entsteht genau das Vakuum, in das Gewalt strömt. Das ist ein Energiegesetz der Politik.


micha schrieb am 21.10. 2001 um 22:48:46 Uhr zu

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Bewertung: 3 Punkt(e)

Ein Politiker, der einen Flug antreten muß, erkundigt sich bei einem Mathematiker, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, daß eine Bombe im Flugzeug ist. Der Mathematiker rechnet eine Woche lang und verkündet dann: Die Wahrscheinlichkeit ist ein Zehntausendstel!
Dem politiker ist das noch zu hoch, und er fragt den Mathematiker, ob es nicht eine Methode gibt, die Wahrscheinlichkeit zu senken. Der Mathematiker verschwindet wieder für eine Woche und hat dann die Lösung. Er sagt: Nehmen Sie selbst eine Bombe mit! Die Wahrscheinlichkeit, daß zwei Bomben an Bord sind, ist dann das Produkt (1/10000) * (1/10000) = Eins zu Hundertmillionen. Damit können Sie beruhigt fliegen!

Safranski schrieb am 20.11. 2001 um 23:12:24 Uhr zu

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Entropie. Die Entropietheorie läuft faktisch darauf hinaus, daß eine abschüssige Entwicklungslinie der Naturprozesse konzipiert wird. Das Erscheinen des Menschen in der Natur, so heißt es, ist der absolut unwahrscheinliche Fall. Er wird sich nicht lange halten können. Der unwahrscheinliche Zustand wird wieder in den wahrscheinlichen überge-hen, von der Strukturiertheit wieder zur Entstrukturierung, von der Differenz zum Indifferenten, von der geprägten Form zum Materiegestöber, von den Tönen zum Grundrauschen. Kurz: es wird darauf hinauslaufen, daß der Mensch und seine hochkomplizierten Lebensaggregate, die Kultur, wieder verschwinden. In einem Weltraum ohne Sinn gibt es die winzige, befristete Sinnwelt des Menschen wie eine Insel im Ozean, doch auch sie wird von der Entropie lang-sam aufgefressen. Eine frühe Ahnung dieser Kultur-Entropie findet sich bekanntlich in der Geschichte vom Turmbau zu Babel. Wohlauf, laßt uns eine Stadt und einen Turm bauen, des Spitze bis an den Himmel reiche, daß wir uns einen Namen machen! denn wir werden sonst zerstreut in alle Länder. (1,11) Wie wir wissen, trägt das Werk, das hier errichtet wird, um dem Verfall zu trotzen, gerade zu diesem beschleunigend bei. Die babylonische Sprachverwirrung zersetzt den sozialen Körper. Er zerstreut sich. In der Sprache der Entropie: er dissipiert. Zwischen den dissipierten Elementen wird es dann Mord und Totschlag geben.
(Rüdiger Safranski: Das Böse oder Das Drama der Freiheit, pdf)

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Erstellt am 21.3. 2003 um 10:55:49 Uhr von biggi, enthält 26 Texte

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