Einige überdurchschnittlich positiv bewertete
Assoziationen zu »Wirklichkeit«
biolek schrieb am 15.11. 1999 um 02:35:56 Uhr zu
Bewertung: 2 Punkt(e)
welch wort
wirk-lichkeit, weil das wirkliche sich nur im wirken als wirklich zeigt
(->wirken ist das phänomen der resonanz des seins des einen wirklichen im anderen wirklichen)
da ich mich selbst spüre - könnte es sein, dass es wirkliche wesen gibt, die sich selbst und die außenwelt wahrnehmen, aber selbst nicht wirken? wie gespenster?
oder ist das sein in der form unteilbar und verwoben, dass alles wirkliche in ihm wirkungen zeigt und so auch als wirklich erscheint?
jedenfalls kann jedes in ihm seiende relative wirkliche nur einen ausschnitt der ganzen wirklichkeit wahrnehmen, einen teil durch direkte wahrnehmung der sinne, eines, den weitaus größeren, durch erinnerungs- und denkleistung
da ist auch schon der punkt der verzerrung der wirklichkeitswahrnehmung
(aber was ist denn wirklicher, das, was wir wahrnehmen, oder das, was um uns herum »ist«?)
und noch eine frage: ist etwas wirklich, das zwar wirkt, aber selbst nicht wahrnimmt?
ein stein etwa
wohl schon
und was grenzt das eine wirkliche vom anderen ab?
wenn ich meinen körper wahrnehme, bin ich er dann auch, oder nehme ich ihn als einen teil meiner umgebung nur besonders stark wahr?
(oder umgekehrt, »bin« ich nicht auch alles, was ich um mich herum wahrnehme?)
sicher gehen alle meine wahrnehmungen durch meinen körper, ist er sozusagen das konstantum meiner wirklichkeit (ich schleppe diesen teil der wirklichkeit ständig mit mir herum...) - zugleich aber ist er auch veränderlich, und wenn das gesucht wird, was eigentlich die empfindungen ausmacht, so können wir den kreis noch enger ziehen und die nerven nehmen - oder nur die schaltstellen der nerven - oder der ort der verarbeitung aller impulse zu einem »bild« - und dann sind wir schon ganz nah an dem phänomen seele...
und könnte es ein universales wirkliches geben? ein zentrum aller wirklichkeit? ein wirkliches, das alles wahrnimmt? und somit alles zum »körper« hat?
wenn ja, so müsste dieses wirkliche ein enormes »gehirn« haben, es müsste unsagbares leid und unsagbare freude zugleich empfinden, es wäre allem nah, besäße die höchste form von mitleid mit allem seienden - die leiden der welt wären wie schreckliche krankheiten für dieses seiende
gott?
könnte er dann aber zugleich schöpfer sein, gegenüber der wirklichkeit und damit auch ganz von ihr verschieden?
kafkaesk schrieb am 12.1. 2001 um 22:37:51 Uhr zu
Bewertung: 5 Punkt(e)
Ein Mann,der lange in den Schulen der Weisheit gelernt hatte,starb schließlich in der Fülle der Zeit und fand sich vor den Toren der Ewigkeit.Ein Engel des Lichtes näherte sich ihm und sagte:»Geh nicht weiter,o Sterblicher,bevor du mir nicht bewisesn hast,daß du das Paradies zu betreten würdig bist.«
Aber der Mann antwortete:»Einen Moment bitte!Zuallererst,kannst du mir beweisen,daß das ein wirklicher Himmel ist und nicht nur eine sehnsüchtige Einbildung meines durch den Tod verwirrten Geistes?«
Bevor der Engel antworten konnte,erscholl aus dem Innern eine Stimme:»Lasst ihn rein-er ist einer der unseren!«
---auch die Wirklichkeit ist eine relative Sache,es gibt keine absolute Wirklichkeit.Du,der du da liest,kannst du mir sagen,ob du träumst oder wachst?...
wuming schrieb am 12.4. 2003 um 21:33:38 Uhr zu
Bewertung: 1 Punkt(e)
Harte Wirklichkeit
Von IGNACIO RAMONET
IN der Präambel der UN-Charta, dem gemeinsamen
Gesetz unseres Planeten, heißt es: "Wir, die Völker der
Vereinten Nationen - fest entschlossen, künftige
Geschlechter vor der Geißel des Krieges zu bewahren
[…], Grundsätze anzunehmen und Verfahren
einzuführen, die gewährleisten, dass Waffengewalt nur
noch im gemeinsamen Interesse angewendet wird
[…] - haben beschlossen, in unserem Bemühen um
die Erreichung dieser Ziele zusammenzuwirken."
Artikel 1 der Charta nennt als vornehmste Ziele: "den
Weltfrieden und die internationale Sicherheit zu wahren"
und "Angriffshandlungen und andere Friedensbrüche zu
unterdrücken".
Indem die Vereinigten Staaten und ihre britischen
Verbündeten am Morgen des 20. März einen
»Präventivkrieg« gegen den Irak begannen und ohne
UN-Mandat einmarschierten, haben sie das Völkerrecht
verletzt, die Grundprinzipien der Weltorganisation mit
Füßen getreten, sich außerhalb des gemeinsamen
Rechts gestellt und eine Aggression begangen. Dieses
Verbrechen gegen den Frieden bringt die
Weltgemeinschaft in eine beispiellose Lage. Noch nie
haben zwei Gründungsmitglieder der UNO und ständige
Mitglieder des Sicherheitsrats, obendrein zwei der
ältesten Demokratien der Welt, das Völkerrecht auf so
brutale Weise verletzt.
Damit ist die Weltordnung nachhaltig erschüttert - und
zwar nicht als Hierarchie der Macht (die führende
Position Washingtons ist unbestritten), sondern als
politisches Wertesystem. Der Protest von Millionen
Bürgern in aller Welt, auch in den USA und in
Großbritannien, rührt von dem Gefühl, dass dieser Krieg
amoralisch ist. Sie alle erwarten, auch wenn sie keine
großen Illusionen hegen, dass das mächtigste Land der
Erde sich auch als ethische Macht verhält: ein Vorbild zu
sein, was die Respektierung des geltenden Rechts oder
wenigstens der Grundprinzipien der politischen Moral
betrifft.
Seit den Attentaten vom 11. September 2001 hat sich
die Bush-Administration offenbar auf eine besonders
zynische Konzeption von Staatsräson und nationalem
Interesse festgelegt. "Ein Fürst muss verstehen, dass er
oft gegen den Glauben, gegen die Barmherzigkeit,
gegen die Menschlichkeit und gegen die Religion
handeln muss, wenn er seine Macht behalten will", riet
einst Machiavelli in seinem berühmten Buch »Il Principe«.
An diesen Rat hielt sich US-Präsident Bush, als er mit
der Falkenfraktion seiner Administration beschloss,
Gesetz und Moral, Menschenrechte und Völkerrecht zu
missachten.
Als der Vorsitzende der europäischen Sozialisten, Robin
Cook, den Fraktionsvorsitz im Unterhaus niederlegte,
weil Tony Blair den US-Feldzug mit einem britischen
Expeditionskorps unterstützt, erklärte er: "Die harte
Realität sieht so aus, dass man von Großbritannien
verlangt, sich in einem Krieg zu engagieren, ohne dass
irgendeine internationale Institution, in der wir ein
entscheidendes Mitspracherecht haben, zugestimmt
hätte. Weder die Nato noch die Europäische Union noch
der Sicherheitsrat haben ihre Einwilligung erteilt. Eine so
gravierende diplomatische Isolation ist ein ernsthafter
Rückschlag."
IM UN-Sicherheitsrat konnte die Hypermacht Amerika
nicht einmal Länder wie Mexiko, Chile und Pakistan
überzeugen, die sich seit langem in ihrem
Einflussbereich befinden. Nach diesem diplomatische
Desaster folgte der nächste schwere Rückschlag, als ihr
alter Verbündeter Türkei sich weigerte, den US-Truppen
ein Durchzugsrecht zu gewähren. Doch Bush beharrte
auf seinem Angriffsplan und reklamierte die
Unterstützung durch eine zusammengewürfelte "Koalition
der Willigen" aus rund 40 Ländern, darunter die
exkommunistischen Länder Usbekistan und
Turkmenistan, die zu den übelsten Diktaturen der Welt
gehören.
Heute steht fest, dass das widerwärtige Tyrannenregime
von Saddam Hussein zwar besiegt werden wird, George
W. Bush und seine Berater sich jedoch moralisch nicht
haben durchsetzen können. Ihre Missachtung des
Völkerrechts und die Arroganz, die ihr die brutale Gewalt
ihrer Militärtechnologie verleiht, mündete in einer Welle
der Amerikakritik, wie sie die Welt seit dem
Vietnamkrieg nicht mehr erlebt hat.
Die Genfer Internationale Juristenkommission, ein
Konsultationsorgan der Vereinten Nationen, warnte in
einem am 18. März 2003 veröffentlichten Appell vor
einem Angriff auf den Irak ohne UN-Mandat: "Ein solcher
Angriff wäre rechtswidrig und würde einen Angriffskrieg
darstellen. […] Eine solche Intervention entbehrt
jeder rechtlichen Grundlage. Ohne Genehmigung durch
den Sicherheitsrat darf kein Staat gegen einen anderen
Gewalt anwenden, außer im Fall der Notwehr, als
Antwort auf einen bewaffneten Angriff." Völkerrechtler
aus Großbritannien, Frankreich, Spanien und Belgien
vertraten in einem Aufruf dieselbe Ansicht
(www.ulb.ac.be/droit/cdi/appel_irak.html).
Die US-Regierung hat versucht, den Angriffskrieg gegen
den Irak als »Notwehr« zu legitimieren. Dazu diente die
unbewiesene Behauptung, das Regime in Bagdad habe
etwas mit den Anschlägen vom 11. September zu tun.
Diese wurde jedoch nur der eigenen Öffentlichkeit, nicht
aber dem UN-Sicherheitsrat zugemutet. Letzterer war
noch am Vorabend des 20. März der Ansicht, dass der
Irak keine unmittelbare Bedrohung darstelle. Überdies
setzt »Notwehr« einen bewaffneten Angriff voraus, ganz
abgesehen davon, dass der Begriff "präventive
Notwehr" im Völkerrecht gar nicht existiert.
Bush erklärte die Irakinvasion auch mit der
Notwendigkeit, das politische Regime des Landes
abzulösen und Saddam Hussein aus dem Amt zu jagen.
Doch so löblich solche Motive auch sein mögen, nach
der UN-Charta rechtfertigen sie keine unilaterale
Entscheidung für einen Gewalteinsatz. Auch der
Vorwand, dem Irak die Demokratie bringen zu wollen,
kann einen Angriffskrieg juristisch nicht rechtfertigen. In
seinem Hauptwerk, »De iure belli ac pacis«, schrieb
Hugo Grotius, der Begründer des Völkerrechts, schon im
Jahr 1625: "Andere gegen ihren Willen regieren zu
wollen, unter dem Vorwand, es gereiche ihnen zum
Vorteil", sei das häufigste Argument, mit dem
»ungerechte Kriege« geführt werden.
Le Monde diplomatique Nr. 7028 vom 11.4.2003, 185 Zeilen,
IGNACIO RAMONET
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