elfboi schrieb am 18.4. 2002 um 21:39:17 Uhr über
DATENMÜLL
Pommes in der Currywurst
oder
Aua
(Teil 1)
Es ist jetzt schon fast drei Jahre her, als die Geschichte passiert ist, die ich euch jetzt erzählen möchte. Es handelt sich dabei um Realität, um die pure Realität, ich habe alles mit meinen eigenen Augen beobachtet.
Es war an einem wunderbaren Donnerstag Abend im Spätsommer. Der Himmel war rot erleuchtet von der tiefstehenden Sonne, und die Schäfchenwolken trieben gemächlich von West nach Ost. Karina ging auf einer von bunten Ahornblättern bedeckten Straße spazieren. Rechts und links des Weges waren hohe, von Stacheldraht besetzte Mauern. Karina ging gerne hier entlang. Schon an ihrem dritten Geburtstag sind ihre Eltern mit ihr im Kinderwagen hier herumgeschlendert, seitdem war sie fast jeden Tag hier. Aber plötzlich erschrak sie, denn am Ende des Weges erkannte sie die fünf Mitglieder der »Sascha Bande«. Da waren Sascha, der Anführer, Steffi, welche die Wachhunde zu füttern hatte, Jan, er mußte immer den Overheadprojektor holen, damit Sascha seine Pläne für die Gaunertouren besser erklären kann. Und dann waren da noch Martin, der für die Reiseleitung verantwortlich war und natürlich Dennis. Karina hatte Angst. Schnell schaute sie noch einmal die Straße entlang, ob es wirklich Sascha & Co. seien, da fiel ihr auf, daß die Fünf ja nur zu viert waren, Dennis fehlte. »Naja,« dachte Karina, »wahrscheinlich ist ihm beim Naseputzen das Gehirn herausgerutscht.« Karina mußte wirklich sehr verzweifelt gewesen sein, wenn sie so etwas über einen ja sonst so netten jungen Mann wie Dennis dachte. Die Sascha Gang war noch 300 Meter entfernt. Karina überlegte, wie sie sich retten könne, denn wenn sie einfach so stehen bleiben würde, nicht auszudenken, was dann mit ihr geschehen würde. Natürlich hätte sie wegrennen können, doch dann erinnerte sie sich, daß sie ja Eric vorhin am anderen Ende des Weges gesehen hatte. Er hatte wieder seine »tolle« Musik im Walkman, und die voll aufgedreht, das wollte und konnte Karina sich nicht noch einmal antun. In der anderen Richtung kamen die vier Bösen, also auch da kein Fluchtweg. »Wenn Super Groby aus der Sesamstraße jetzt kommen würde und mich rettet, dann wäre ich gerettet,« dachte Karina sich, »oder wenn ich wenigstens so hoch springen könnte wie meine Klassenkameradin Esther, dann könnte ich simply over the Wall overjumpen.« Aber leider konnte die Arme das nicht. So stellte sie sich ganz dicht an die Mauer und hoffte, daß sie nicht gesehen würde und das die Vier vorbeiliefen. Aber Karina wurde nicht übersehen. Schuld daran war zweifelsohne ihre neongelbe Windjacke. Was Steffi jetzt schrie, war eine große Erleichterung für Karina: »Karina, Karina, du mußt uns helfen, Dennis stirbt!« Da Kari schon einmal bei einem Erste Hilfe Kurs mitgemacht hatte, blieb sie ganz cool und wollte erst einmal die Einzelheiten wissen. Es stellte sich heraus, daß man zusammen Dart gespielt habe, und daß Dennis einen Dartpfeil in Borussia Dortmund Farben (tödlich) ins Bein bekommen hatte. Karina leitete sofort die wichtigsten Schritte ein, um ein Leben zu retten. Zuerst schickte sie Sascha zur nächsten Telefonzelle, damit er den Notarzt alarmieren könne. »Und in einer Telefonzelle stört er mich auch nicht,« dachte Karina. Sie selber wußte, daß der Krankenwagen zu spät an der Unglücksstelle ankommen würde, denn die Sanitäter aus Northeim waren auf Betriebsausflug und auf der Autobahn zwischen Nörten Hardenberg und Nordheim West war wieder einmal Stau. Also lief sie schnell zur Unglücksstelle, die anderen drei zeigten ihr den Weg. Dennis lag auf einem dreckigen Betonboden in einem alten Bunker aus dem zweiten Weltkrieg, mitten im Wald. Und er hatte wirklich einen Pfeil im Bein stecken, im Nasenbein. Schnell zog Karina ihn heraus, dann bestrich sie die Wunde mit Kamille, Minze und Salbei aus einer alten DentaGard Zahnpastatube, die sie zufällig dabei hatte. Schon ihre Vorfahren wendeten dieses Mittel an, und geholfen hatte es immer. Langsam wachte Dennis aus der Bewußtlosigkeit auf. Wie volltrunken fing er plötzlich an zu singen: »What‘s the time, seems it‘s already morning, I see the sky so beautyful and blue,...« Karina antwortete spontan: »Es ist jetzt 17 Uhr und 42 Minuten und später Nachmittag, und was du da siehst, Dennis, ist die häßliche Decke eines ausgedienten Bunkers Baujahr 1937, in dem du Dart gespielt hast, bis du einen Pfeil ins Gesicht bekommen hattest und ohnmächtig wurdest. Außerdem finde ich es supertoll, das du so alte ABBA Songs singen kannst.« Dann stellte sie Dennis noch eine Frage: »Dennis, willst Du mich heiraten?« Auch Dennis antwortete spontan, obwohl er immer noch nicht ganz wach war: »Ja, ich will, aber das Lied war gar nicht von ABBA, sondern von einer anderen schwedischen Band, nämlich von Queen.« Danach küssten sich beide und gingen erst einmal in die Stadt, eine Pizza essen.
Eine halbe Stunde nachdem Dennis und Karina gegangen waren, kam endlich der Notarzt an. Als sie merkten, daß der Verletzte weg war, nahmen sie einfach Jan mit und brachten ihn in eine geschlossene Anstalt. Steffi und Martin spielten noch ein wenig mit den Dart Pfeilen oder so. So hatten sie alle ihren Spaß, außer Sascha, denn der kam nicht aus der Telefonzelle heraus.
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oder
Es wird etwas geschehen
(Teil 2)
Das Telefon schepperte. Dennis schreckte auf, nahm den Hörer ab und hörte sofort die wütende Stimme eines Mannes: »Ich habe dich angeheuert um zu arbeiten und nicht damit du schläfst. Wenn du so weitermachst, fliegst du in Dakar von Bord, wenn du nicht sofort anfängst, es wird etwas geschehen!« Jetzt erst merkte Dennis, daß das Zimmer, in dem er sich aufhielt, leicht schwankte und das in der Nähe eine 3000 PS Dieselmaschine grummelte. Gestern war sein erster Tag auf diesem Öltanker namens Maringo gewesen, zwölf Stunden lang mußte er das Deck schrubben, den Rost von der Ankerkette abschlagen und die Außenwand des 200 000 Tonnen Dampfers lackieren. »Warum mußte ich auch die Schule schmeißen?«, dachte er, aber seine Probleme hatten sich zu einem unübersehbaren Haufen getürmt. Zuerst hatte er eine Anzeige wegen unerlaubtem Dart Spielens bekommen, dann erwartete Karina ein Kind von ihm und außerdem waren seine Schulnoten so tief im Keller wie ein Stuhl, auf dem Michael Thürnau gesessen hatte, nachdem er den Danone Obstgarten mit einer Pizza verwechselt hatte. Dennis zog sich seinen Arbeitsanzug an, der völlig verdreckt in der Ecke seiner winzigen Kabine lag, dann ging er sofort an seine Arbeit. Das Frühstück hatte ihm der Kapitän schon vor drei Tagen gestrichen. »Wenn dieses verfluchte Schiff wieder in Hamburg einläuft, dann kündige ich hier, fahre zu Karina, gehe wieder zur Schule und fange ein neues Leben an.« Aber erst einmal fuhr das Schiff mit 15 Knoten auf Kurs Dakar, wo die 200 000 Tonnen Erdöl von der norwegischen Bohrinsel gelöscht werden sollten. Unterdessen in einer gewissen Stadt am Rande des Harzes, in der Nähe von Göttingen und 76,4 (!!!) KM von Hannover entfernt. Karina kam gerade aus der Schule, sie war glücklich, daß Dennis nicht da war, denn dann konnte er auch nicht behaupten, daß sie schwanger sei. »Da rettet man einem das Leben, und der rennt dann überall herum und behauptet, daß ich ein Kind von ihm kriege«, dachte sie, und sie wußte nicht, was sie machen sollte. Als sie bei pro familia (Hausstraße 1 a) um Rat fragte, riet man ihr auch nur, nicht abzutreiben. Es waren nur noch ein paar Meter bis zu ihrer Haustür. Nun überlegte sie, was sie zu Hause machen sollte und entschied sich, Steffi anzurufen, doch es nahm keiner ab, denn Steffi war gerade mit ihrer Familie zum Einkaufen gegangen. So ging Karina an den Fernseher und schaute, was es dort gab, aber sie fühlte es, es wird etwas geschehen.
Steffi war auf dem Weg zu Paul Müllers Zoologischer Handlung in der Kurzen Straße, um Hundefutter für Sascha seine Wachhunde zu kaufen, Auftrag von Sascha. Sie nahm 20 Kartons Bonzo Hundeknochen, 500 Gramm für 2,79; 32 Pakete Bonzo Biskuits, auch für 2,79; die kleinen Lieblingsknochen für 2,99, davon 11 Packungen, 15 mal die »Drei Leckerle« für 2,59 in der 400 Gramm-Box dann nahm sie noch von Frolic sechsmal verschiedene 500-Gramm Pakete mit Reis, Rind, Karotte, Getreide oder Geflügel und achtzehn Mal das gleiche im 1500 Gramm Karton für 4,95. Dann nahm sie noch ein paar Säcke, und zwar 19 von Chappi, »Brocken mit Flocken« und 36 mal »2-Brocken Vollkost«, jeweils für 18,99 DM. Zum Schluß nahm sie noch 3 Säcke Pedigree Pal Multi Complete mit Geflügel, Gemüse und Reis für 19,99, 56 Dosen Pedigree Pal Welpenkost für 1,25 und 10 Dosen Hundenahrung in verschiedenen Geschmacksrichtungen für je 2 DM. Die Regale waren jetzt fast leer, bis auf das Regal mit dem Vogelfutter, aber nicht so voll wie die 4 Einkaufswagen, in denen sich Säcke, Dosen und Kartons mit Hundefutter türmten. Sie schob ihre Wägelchen zur Kasse und wartete, da merkte sie, daß hinter ihr Esther stand, mit einem Magermilchjoghurt. »Hast Du nur den Joghurt?« »Ja.« »Dann hast Du jetzt viel Zeit um zu überlegen, ob du nicht doch noch was vergessen hast.« Da Steffi diese Mengen nicht tragen konnte, sagte sie der Kassiererin, sie möge die Sachen doch heute um kurz vor Sechs in den Keller des Gebäudes Benzweg 1 bringen, wo Sasa (Sascha) darauf wartete. Diese meinte, es sei kein Problem, sie würde wen schicken und Steffi verabschiedete sich. Sie mußte in der Stadt noch etwas für die Schule besorgen, doch sie wußte nicht mehr was. »Gehe ich am besten zu Kassebeer, vielleicht fällt es mir dort wieder ein.« Als sie in »Am Münster« einbog, traf sie Esther schon wieder. Als sie Steffi erkannte, rief sie sofort: »Hallo Steffi, hast du schon die Parabel für den Mathematikunterricht gekauft?« und lief glücklich weiter. Steffi überlegte sich eine Antwort und rief dann hinterher: »Hallo, nein!« und ging sich eine Parabel kaufen. Sie nahm die häßliche gelbe für neunundneunzig Pfennige, was besseres konnte sie sich nicht leisten, denn sie hatte ja schon 1513,48 DM für Hundefutter ausgegeben.
Sasa hatte es sich im Hauptquartier gemütlich gemacht und wartete auf sein Hundefutter und auf die Mitglieder seiner Bande. Er hatte sie heute morgen in der Schule extra gebeten zu kommen, er hatte sich schon einen Plan zurechtgelegt und die anderen müssen ja auch wissen, was sie zu tun haben. Plötzlich klopfte es an der Tür. Sascha stand auf, schaute durch den Spion, erkannte Jan und murmelte: »Kennwort!« »HEIZÖLRÜCKSTOßABDÄMPFUNG,« murmelte es von draußen zurück. Sascha öffnete die Tür und gab Jan den Befehl, den Overheadprojektor zu holen. »Was planst Du denn jetzt schon wieder,« wollte Jan wissen, aber da er seinen Befehl noch nicht ausgeführt hatte, gab Sascha ihm keine Antwort. Als Jan den schweren Apparat von Schrank heruntergeholt hatte, klopfte es schon wieder. Diesmal war es nicht Jan, sondern Steffi. Auch sie mußte das Kennwort sagen und wurde danach hereingelassen. Sascha bemerkte sofort ihre neue Haarspange, sie war neongelb und man konnte das Haar durch zwei sinusförmige Kurven hindurchfädeln. »Toll siehst Du aus! Hast Du das Hundefutter gekauft?« »Habe ich gemacht, der Verkäufer wird gleich kommen mit dem Zeug.« Draußen waren komische Geräusche zu hören. Es war nicht Erics Walkman, alle wußten, jetzt kommt Martin mit seinen Klapperfahrrad. Sascha öffnete schon einmal die Tür und rief: »Komm rein, dein Rad brauchst du nicht abschließen, so rostigen Schrott brauchen selbst die Schrotthändler nicht.« Als Martin den Keller betreten hatte und alle auf den Apfelsinen Kisten saßen, fing Sasa an zu reden. »Leute, schön, daß ihr alle gekommen seid, und merkt euch eines, wir sind nicht hierher gekommen um ein Kaffeekränzchen (wird Kaffee mit Accent Aigue geschrieben? ) abzuhalten, sondern weil wieder mal etwas geschehen muß. Wir werden die Deutsche Telekom erpressen. Steffi, du machst das Erpresserschreiben fertig, aus Zeitungsschnipseln und so.« »Auja, was soll ich denn schreiben?« »Du schreibst: Sehr geehrte Telekom, wenn Sie nicht sofort alle Telefonzellen mit automatischem Türöffnern ausrüsten und außerdem zwanzig Mark auf mein Konto überweisen, werde ich Ihre Telefonzellen in die Luft sprengen.« »Und mit welchem Namen soll ich unterschreiben?« »Du Doof, du sollst überhaupt nicht unterschreiben, sonst wissen wir doch, wer den Brief geschrieben hat.« Hätte Sasa einmal die Bibel, Buch der Sprichwörter 26 Vers 27 gelesen, würde er keine Erpresserschreiben schreiben lassen. Während Steffi den Brief fertig machte, diskutierten die anderen, ob sie Dennis aus der Gang ausschließen sollten und welches Kennwort sie für das nächste Treffen benützen sollten. Beim ersten Punkt war man sich schnell einig, Dennis sollte bleiben, beim Kennwort war das schon schwieriger. Martin wollte BOXKAMPFJURYSCHÜTZLING, und Jan war für ZWÖLFTONMUSIKBÜCHERJAGD, Sasa meinte aber, daß sich in Kennwörtern ruhig Buchstaben wiederholen könnten und schlug, im Gedanken an Dennis, das Wort »Schwein« vor. Damit war Steffi aber nicht einverstanden, weil Schweine ja soooo süüüß sind und schlug vor, HUNDEFUTTER zu nehmen. Und damit nicht weiter herumdiskutiert würde, sagte Sasa, er sei damit einverstanden. An der Tür klopfte es schon wieder. Da schon alle da waren, rief Sasa: »Was wollen sie?«, ohne durch den Spion geschaut zu haben. Die Person draußen vor der Tür (es war nicht Wolfgang Borchert, auch nicht der Beckmann) überlegte, was er wollte und erinnerte sich, daß er ja Hundefutter bringen wollte, und so antwortete sie: »Hundefutter br....,« weiter redete der Lieferant nicht, denn vor ihm stand Sascha mit seinem ferngesteuerten Plastikpanzer, der auf Knopfdruck mit Wasser spritzen konnte. »Was wollen sie?«, fragte Sasa noch einmal. »Ich ergebe mich,« rief der Verkäufer, kippte schnell die Einkaufswagen um und lief mit ihnen davon. »Danke!« rief Sasa noch hinterher, obwohl er immer noch nicht wußte, woher der Kerl die Losung kannte. Zusammen räumten die Vier die Säcke, Dosen und Kartons in die Regale und gingen danach nach Hause. Sogar Martin ging, denn er mußte sein Rad nach Hause schieben, weil erstens sein Vorderlicht nicht ging und zweitens, weil er zwei Platten hatte. Es war inzwischen dunkel geworden und er schaute sich den Sternenhimmel an. Bei Alnilam, dem mittlerem Stern des Orion-Gürtels blieb sein Blick stehen und er bewunderte seine Schönheit. (Die des Sternes, nicht seine eigene.)
Auch 3300 Km südwestlich war es dunkel geworden. Die Maringo würde in zwei Stunden die Kanarischen Inseln passieren. Dennis plante, sich eines der motorgetriebenen Rettungsboote zu nehmen, damit nach Fuerteventura zu fahren und von dort mit dem Flugzeug nach Germany zu jetten, aber er traute sich noch nicht richtig. Er schaute nach oben und versuchte, die Sterne zu zählen, aber nach dem dritten gab er auf. Auf 145° Steuerbord sah er dann den großen Wagen und den Polarstern, das Schiff fuhr also noch in die richtige Richtung. Dann sah er nach Osten und entdeckte das Sternbild des Orion. Rigel, der Stern, der den rechten Fuß dieses Sternbildes bildete, blinkte ihn an und er mußte plötzlich an Martin denken: »Was werden Martin, Steffi, Sascha und Jan wohl ohne mich machen?«, und plötzlich wußte er, daß er unbedingt von diesem Schiff herunterkommen mußte. Er ging noch ein wenig auf dem Schiff umher und blieb dann auf dem Achterdeck stehen, weil er dort am wenigsten gesehen würde. Noch wußte er nicht, wie er an Geld für den Flug herankommen sollte, doch dann viel ihm ein, das er den Kapitän einmal dabei beobachtet hatte, wie er Geldscheine in einem Rettungsring gesteckt hatte, die wollte er sich holen. Also ging er auf das Bootsdeck, auf dem neben dem Rettungsring auch die Notboote gelagert wurden, nahm den Ring und warf es in das Boot, das er sich schon bei Tageslicht ausgesucht hatte. Dann erkannte er den Leuchtturm, auf den er schon so lange wartete, klappte den Galgen heraus, an dem das Boot hing, stieg in sein Fluchtfahrzeug und ließ es per Flaschenzug herab. Das Meer war heute glatt wie gebohnerter PVC Boden. Damit die Mannschaft nicht vom Motor geweckt würde, nahm er die Ruder und paddelte auf den Leuchtturm los. Als das Schiff in einiger Entfernung war, startete er das 3 PS 2-Takt Benzinaggregat und war eine halbe Stunde später an einem schneeweißem Sandstrand eines wunderschönen Archipels, hier machte er es sich gemütlich und schlief ein. Das also war des Pudels Kern.
Am nächsten Tag waren sie alle wieder in der Schule, außer natürlich Dennis, der immer noch auf Fuerteventura schlief (Fuerteventura ist eine Insel, kein Mädchen). Schule war natürlich langweilig. In der ersten Stunde wurde ein Tikdad deschriem, doch die Zeit zum Nachschlagen im Duden war viel zu kurz, danach war Mathe und Steffi konnte einfach nicht ihre Parabel finden, in der dritten Stunde war dann Englisch (Je ne parle pas Français) und in der vierten Musik. Karina durfte die Tonleiter hinaufklettern, doch als sie auf der neunten Stufe (beim hohen C) war, kippte die Leiter um, alea iacta est und Karina auch. Gott sei Dank verletzte sie sich nicht. In der fünften Stunde ging es zum Sportunterricht dann nicht auf den Sportplatz, sondern in die Halle, wo Volleyball gespielt wurde. Als Verena den Aufschlag machen mußte, knickte sie mit dem Fuß um und der Ball flog so unglücklich, daß er an der Hallendecke hängenblieb. Wieder sollte Karina die Leiter hochsteigen, den Ball holen, da das Spiel sonst nicht vollendet werden könne, doch jetzt traute sie sich nicht mehr. So nahm Esther ein Trampolin (Take your green, green Trampolin) und jumpte simply nach oben, nahm sich den Ball, warf ihn in den Basketball-Korb machte auf dem Weg nach unten noch einen doppelten Salto mit eingebauter Schraube und landete dann sicher auf dem Boden. Nachdem die eine Mannschaft gewonnen hatte, hatte die andere natürlich verloren und alle zogen sich wieder um und gingen fort, die meisten nach Hause. Auch Sasa ging, aber nicht ohne noch Bescheid zu sagen, daß das nächste Treffen seiner Bande am nächsten Dienstag sei, also in sechs Tagen. Dann schlich er noch hinter Julia hinterher, nicht weil er sie überfallen wollte, sondern weil er sich verliebt hatte. Heute Nachmittag wollte er sie besuchen, das nahm er sich ganz fest vor. Als Julia Zuhause angekommen war, ging Sasa auch nach Haus. Dort fragte seine Mutter gleich, wo er so lange geblieben sei, das Essen wäre kalt geworden und Sasa antwortete, daß er noch einer älteren Dame über den Zebrastreifen geholfen hätte, da verzieh ihm seine Mutter und schob die kalten Kartoffeln in den Backofen, damit ihr Saschalein sich nicht erkälten würde. Natürlich konnte er nicht viel essen, da er ja verliebt war, und so war seine Mutter gleich wieder beleidigt. Danach ging er in sein Zimmer, zündete eine Kerze an und legte seine Panteras-CD in den Apparat und drehte auf volle Lautstärke. Dann fing er an zu überlegen, was er Julia sagen solle. Er überlegte und überlegte, bis um 17°° Uhr, da hörte er dann damit auf und machte sich auf den Weg zu ihr. Die Sonne steht tief, er macht sich bereit. Ich kann seinen Colt glänzen sehen, er kommt wegen Julia, er will keinen Streit, doch ich laß Julia nicht geh'n. Er prahlt überall, daß sie ihn liebt, und daß er sie heute noch holt, und jeder der sich ihm in den Weg stellt, wird noch eine Kerbe im Colt. Er hielt noch nie viel von Arbeit, er spielt und er gibt kräftig an, er lebt mit einer älteren Dame und die schafft das Geld für ihn ran. Schlau wie ein Fuchs (aus Stoff) und schnell wie ein Blitz blickt er jeder Gefahr ins Gesicht, ich fürchte, er hat gute Chancen, denn er ist viel jünger als ich. Nun kommt er, die Sonne im Rücken ganz langsam die Straße herauf, sein Schießeisen tief an der Hüfte, die Hand immer nahe am Knauf. Nun steht er im Garten und zögert, und als er mich sieht, weint er los, ich geh zu ihm hin, nehm' ihn auf den Arm und sag': »Na, du bist doch schon groß! Du bist doch bestimmt schon vier Jahre, und Julia ist gerade erst drei, gleich wird es dunkel und Julia muß schlafen, komm nächstes Mal früher vorbei.« Die Sonne geht unter, ich fahr ihn nach Haus, im dunkeln weiß er nicht Bescheid, und Julia ist wieder in Sicherheit, wenn auch nur für kurze Zeit. Das war das, was Julia ihr Vater dachte, als er Sasa sah. Leider wußte er das Alter seiner Tochter nicht so ganz, da mußte noch etwas geschehen, aber Sasas geistiges Alter hatte er ungefähr richtig geschätzt.
Dennis schlief natürlich nicht den ganzen Tag, ungefähr während der Musik Stunde wachte er auf, weil eine Lachmöwe, die hier ihren Urlaub verbrachte, ihre Exkremente verloren hatte. Schnell lief er ans Wasser um sich zu waschen und war froh, daß nicht Ebbe war, aber das ist am Atlantik auch höchst unwahrscheinlich. Als er mal an der Nordsee war, ist das Wasser schnell weggelaufen, als er über'n Diek schaute. Es war ein Wunder, daß die Maringo nicht auf Grund gelaufen war an den letzten Tagen. Dann machte er sich auf in Richtung Flughafen. Natürlich nahm er auch das Geld aus dem Rettungsring mit. Es dauerte etwas länger, bis er sich mit seinem Spanisch (un dia sin ti)bis zum Airport durchgefragt hatte. Dort fragte er bei jeder Fluggesellschaft, ob er einen Platz nach Hannover bekommen könne. Bei »Air Canaria« wurde er fündig und kaufte ein Ticket für den Flug Nr.: 505. Da die Singdrossel aus Stahl jedoch erst um 18°° Uhr losflattern würde, schaute er sich noch ein wenig den Flughafen an. In einem Duty-Free-Shop fand er dann endlich das, was er gesucht hatte, eine Flasche Sekt, die er Karina schenken wollte. Er nahm den alkoholfreien, damit dem Baby nichts passiere und machte sich dann auf zum einchecken. Ich weiß nicht, wie lange eine zweimotorige Propellermaschine von Fuerteventura nach Hannover braucht, aber nehmen wir mal an, das der Piepmatz um 20°° Uhr auf der Landebahn Ost zum Stehen kam. Noch auf dem Flughafen nahm Dennis sich ein Hotelzimmer, wenn Karina ihn wirklich liebte, würde sie das verstehen und auch noch einen Tag länger warten.
Am nächsten Tag wachte Dennis auf, leider war das Zimmer so teuer, daß er sich das Taxi nach Northeim nicht mehr leisten konnte, hätte er das Hotel in der Ferdinand Wilhelm Fricke Straße Nr. 1, Hannover genommen, dann hätte sein Geld wenigstens noch für die Bahnfahrt gereicht. Dennis war verzweifelt. Jetzt hatte er so viele Strapazen hinter sich gelassen, um seiner Kari näherzukommen, doch für die letzten 80 Km reichte sein Geld nicht mehr. Er schaute in den Himmel, doch Gott konnte ihm jetzt auch nicht mehr helfen, dann sah er nach unten und merkte, daß Gott ihm ja schon geholfen hatte, er hatte ja zwei Füße. Er hatte sich immer geärgert, wozu diese komischen Widerhaken waren, beim Hose-Anziehen störten sie immer, aber jetzt wußte er, diese Dinger würden ihn zu Karina tragen. Leicht phlegmatisch setzte er, immer abwechselnd, einen nach vorne. Er ging und ging, kam auf die A-352 und folgte ihr in südliche Richtung, doch später hörte diese einfach auf. Die A-2 vor der er jetzt stand, war wie immer voll, Dennis entschied sich, nach rechts abzubiegen, weil dort weniger los war und ging auf ihr, bis kurze Zeit später eine große Kreuzung kam. Er konnte sich nicht entscheiden, welche Richtung er nun einschlagen sollte, geradeaus, rechts oder links. Geradeaus entfiel aber später, als er las, daß das eine Autobahn sei, und ein Auto hatte er ja nicht. Er nahm einen Groschen, den er zufällig noch hatte, sagte sich, daß er bei Zahl nach rechts und beim Eichenblatt nach links abbiegen wolle. Er warf sein Bares hoch in die Luft und das Geldstück schaffte fast so viele Loopings wie Esther bei ihrer Aktion in der Sporthalle. Aber es landete nicht auf den Füßen, sondern auf dem Bauch. Die Zahl, eine zehn, war oben und Dennis ging weiter, froh darüber, daß man an der B-6 einen Fahrradweg gebaut hatte. Er nahm sich vor, irgendwann auf die drei zu wechseln und dann bis Alfeld, der Stadt, in der man früher wilde Tiere kaufen konnte zu gehen. Dort wollte er übernachten, bei seiner Ex, Antonia P. - Die 10 b hatte natürlich wieder Schule, wie jeden Donnerstag. Diesmal gab es die Englischarbeiten zurück. Irgendwer hatte sogar eine drei. Aber ansonsten war nichts besonderes. Auch für die Sasa-Bande war es kein besonderer Tag, die Telekom war noch immer nicht auf die Forderungen eingegangen und die nächsten Aktivitäten waren erst für Dienstag geplant, also konnte man den Unterricht genießen oder die Hausaufgaben für die nächsten Stunden machen, falls man das nicht zu Hause geschafft hatte. Auch Sascha paßte nicht auf, den ganzen Vormittag glotzte er auf Julias Haar und ließ auch nicht davon ab, als er an der Tafel eine Mathematikaufgabe lösen sollte. An dieser Stelle würde ich gerne die ersten beiden Sätze aus der Kurzgeschichte »In der Manege« von Franz Kafka einfügen, nur leider liegen die mir nicht in gedruckter Form vor und auswendig kann ich die auch nicht. Auf jeden Fall war die Schule irgendwann zu Ende und alle gingen nach Hause, sogar Sascha, dort stellte er seine Schultasche ab und ging dann zu Julia, schließlich hatte ihr Vater ja gesagt, er solle nächstes Mal früher vorbeikommen. Als Sasa geklingelt hatte, öffnete sie die Tür und war erstaunt, ihn zu sehen. Seit sie sich im letzten Jahr einmal gestritten hatten, es ging darum, in welcher Farbe das gemeinsame Badezimmer gefliest werden sollte, hatten die beiden kein einziges Wort mehr miteinander geredet. Und nun stand Sascha vor ihrer Tür und sprach: »Ich weiß nicht, ob du einsam bist, heute Nacht. Irgendjemand hat einmal gesagt, die Welt ist eine Bühne und wir müssen alle unsere Rollen spielen. Du hast deine Rolle gut gespielt damals, bis ich dir eines Tages nicht mehr glaubte und fortging. Doch dann sahen wir uns wieder, irgendwo, zufällig, ich glaub es war in der Schule. Du warst verändert, doch du sagtest: «Ich liebe Dich!» und ich hatte keinen Grund, dir nicht zu glauben. Ich hörte deine Lügen an, viele Wochen, und dann lebte ich ohne dich. Nun ist sie leer, die Bühne, doch das Spiel ist nicht zu Ende, der Vorhang wird sich nicht senken, wenn du willst, daß ich zu dir zurückkomme, dann komme ich.« Julia wußte nicht, wie sie antworten sollte, so nahm sie Sasa einfach in den Arm und leckte ihm mit ihrer feuchten Zunge über das Gesicht.
Unterdessen wußte bereits ganz Northeim, dass Dennis auf dem Weg nach Hause war. Der Verkehrsfunk von Antenne, NDR 2, FFN und von Radio Brocken hatten berichtet, daß ein Jugendlicher mit einer alkoholfreien 1,5 Liter Sektflasche unterm Arm auf der A-2 flanierte. Sogar Michael Thürnau saß im Studio von NDR 1 Radio Niedersachsen und zog die Regler hoch, um diese Meldung vorzulesen, Arndt Zeikler von Bremen 4, oder war es Winfried Hammelmann, hatte es bereits vor einer viertel Stunde getan. Daß Dennis mittlerweile auf der B-6 spazieren ging, wußte keiner, nicht einmal Dennis, er dachte immer noch, es sei die B-3 Richtung Alfeld. Doch davon war nichts zu sehen. Es wurde langsam dunkel, er war jetzt durch Berenborstel, Neustadt am Rübenbge., Eivelse, Schneeren und Meinkingsburg gegangen und mußte sich jetzt in dem nächsten Ort, es wurde langsam dunkel, ein Quartier suchen. Es war eine Großstadt mit mindestens 30.000 Einwohnern und in so einer Stadt muß es einfach ein warmes Parkhaus geben, in dem man gut übernachten kann und zufällig fand er auch eines. Er legte sich auf den Parkscheinautomaten (hier muß ich daran erinnern, die Parkscheinautomaten in NOM bloß ordentlich zu füttern) und schlief ein. Dann träumte er etwas schönes.
Northeim schlief natürlich auch schon, aber auf einem Schiff im Atlantik, daß gerade vor Dakar auf Reede lag war noch allerhand los. Der Schiffsarzt hatte vor zwei Stunden als erstes gemerkt, daß Dennis nicht mehr da war. Wie vor jedem Landgang der Crew hatte er an alle Kondome verteilt, die an Land ihren Spaß haben wollten. Normalerweise war Dennis immer als erstes da und nahm auch immer die meisten Gummis mit. Was der Kapitän noch mehr vermißte, war sein Rettungsring, aber was weg ist, ist weg.
Als Dennis am nächsten Morgen aufwachte, schien die Sonne noch nicht. Trotzdem machte er sich auf den Weg, der ja mittlerweile auf 120 Km Luftlinie angewachsen war. Beinahe hätte ihn noch ein Auto überfahren, ein nagelneuer VW Passat mit dem Kennzeichen NOM-HF 103, hinter dessen Steuer ein sehr wichtig aussehender Vertreter-Fuzzi saß. Leider erkannte Dennis nicht, ob der Wagen dunkelblau oder dunkelgrün war, vielleicht war es aber auch ein knallgelber Renault Twingo mit dem Kennzeichen NOM-KK 237, so genau hatte er das Auto nicht gesehen. Jetzt nahm er sich vor, mit der Bahn zu fahren, und zwar schwarz, weil er ja kein Geld hatte. Auf dem Weg zum Bahnhof wollte er noch ein paar Impressionen aus der Millionenmetropole sammeln und sah den Vögeln in den Platanen über ihm beim Bauen der Nester zu, bis er plötzlich stolperte und sich auf die Fresse packte. Doch er landete weich, denn gerade hier hatten die Stadtwerke kurz vorher die Straße neu geteert. Dennis sah jetzt aus wie, ja gerade richtig zum Schwarzfahren. Als er am Bahnhof ankam, schaute er nach, welchen Zug er nehmen könne, wartete sieben Minuten darauf, stieg ein und fuhr durch bis Hannover, wo er umsteigen mußte. Auch dort mußte er nicht lange warten, bis der Anschlußzug kam (komisch). Wie in ersten Zug lief es auch im zweiten, kein Bahnangestellter wollte ein Ticket von ihm sehen und so kam er ohne Fahrschein um 9:67 Uhr, also 10 Uhr und 7 Minuten auf Gleis 1 des Hauptbahnhofes Northeim an. »Hallo Dennis, Hallo Dennis, dies ist Northeim Hauptbahnhof, wir haben ein Schwimmbad mit 50 Meter Bahn und eine Jugendherberge mit 109 Betten«, kam es aus den Lautsprechern. Aber das wußte Dennis ja schon, schließlich wohnte er ja hier. Und er wußte auch, daß dieser Bahnhof ein öffentliches Pinkulatorium hatte, in dem man sich auch sein Antlitz waschen konnte, was er dann auch tat. Beinahe hätte dort auch noch ein Clochard seine Sektflasche geklaut, aber als er merkte, daß der Inhalt alkoholfrei war, ließ er davon ab. Dennis ging weiter, da es ja noch Vormittag war, direkt zur Schule. Er war froh, Karina wiederzusehen und das er die ersten beiden Stunden verpaßt hatte, denn sonst hätte er eine Physikarbeit und eine Mathearbeit wiederbekommen und über Fünfen freut sich ja keiner so richtig. Aber mit diesen Gedanken war er ganz alleine, irgendwer hatte sogar eine 2 in Physik und eine 3+ in Mathe, herzlichen Glückwunsch dazu. Karina war es nicht, trotzdem ging Dennis schüchtern auf sie zu, fiel vor ihr auf die Knie und äußerte sich zu seinen Gefühlen: »Liebe Karina, es war nicht richtig von mir abzuhauen und dich mit dem Kind alleine zu lassen, kannst Du mir verzeihen, ich werde dann auch immer für dich da sein.« Doch Kari holte einfach Ihren Atlas aus der Schultasche und antwortete mit ihm. Nicht, daß sie ihn aufschlug um ihm den Ort für die Flitterwochen zu zeigen, nein, sie schlug Dennis damit auf dem Kopf. Danach lief sie dann aus dem Klassenraum hinaus. Nun sah Dennis ein, daß Kari ihm doch kein Küken ins Nest legen würde. Er überlegte, was er jetzt sagen sollte, schrie dann: »Aua!« und kippte besinnungslos um. Es mußte etwas geschehen, damit er überleben konnte, nur das Problem war, daß jetzt niemand mehr in der Klasse war, der der Ersten Hilfe mächtig war, geschweige denn den Mut dazu hatte. Doch dann erschien aus dem Dunkel der Klasse eine Gestalt, weiblich, mit so langen Beinen, daß das eine Ende sogar den Boden berührte. Marina handelte nach dem ABC der lebensrettenden Maßnahmen, Als erstes kümmerte sie sich um die Atemwege, in dem sie feststellte, ob sich dort Fremdkörper aufhielten. Dann überstreckte sie vorsichtig den Hals und näherte sich dann vorsichtig mit ihrem Mund dem Munde Dennis'. Später konnte man nicht mehr feststellen, warum Dennis wieder aufwachte, lag es an Marinas Parfüm oder an ihren Lippen, die ja ganze fünf Minuten auf denen von Dennis geruht hatten. Zu weiteren lebensrettenden Maßnahmen kam Marina nicht mehr, warum auch, Dennis lebte ja wieder. Auf jeden Fall schien es jetzt so, als ob die beiden für einen Mund zu Mund Beatmungs Marathon trainieren würden. Und auch zwei andere Mitschüler der beiden waren tierisch verliebt.
Sasa ging nach diesem Schultag nicht zu seiner Mami nach Hause, sondern in seine eigene Wohnung, die er sich mit Julia teilte. Seit heute Nachmittag gehörte diese Wohnung ihnen, jetzt wollten die beiden es sich richtig gemütlich machen. Die privaten Besitztümer der beiden hatte das Umzugsunternehmen während der Schulzeit hier abgeliefert, jetzt mußte alles aufgebaut, eingeräumt und angeschlossen werden, den Schrank an die Wand, die Phönixpalme neben das Sofa und den Ecktisch in die Ecke. Eine halbe Stunde machte Sasa das auch mit und ging dann in seine Stammkneipe um einen Skat zu dreschen und um sich zu besaufen, er hatte die wahnsinnige Begabung alle Frauen zu beleidigen. Julia war aber trotzdem noch verliebt und überlegte, wie sie Sascha für immer gewinnen könnte.
Sascha trank mal wieder so viel, daß er bei Sonnenaufgang den Weg nach Hause nicht mehr fand, also übernachtete er im Straßengraben und träumte davon, wie er den Juhnke unter Tisch trinken würde. Schon etwas nüchterner wachte er gegen Mittag auf. Da heute Samstag war, mußte Julia in der gemeinsamen Wohnung sein, zu der er jetzt auf dem Weg war. Als er an der Tür geklingelt hatte und diese aufging, traute er seinen Augen nicht, denn Julia stand leicht bekleidet vor ihm und sang: »Ab heut' wird alles anders, ich dekoriere gerade unser Haus, damit du dich hier wohlfühlst, mach ich'ne Kneipe draus. Wo bis heute noch der Schrank stand, steht ab morgen eine Bar und ich spiele die Bedienung, das wäre doch wunderbar. Den Teppich und das Sofa, die werf ich auf den Müll, im Parkett schmoren ein paar Kippen so ganz im Kneipenstil, ich baue uns eine Pipeline von hier zur Brauerei, und du hast selbstverständlich die ersten zehn Bier frei. Die Jukebox kommt ans Fenster, der Flipper an die Wand, der Billardtisch steht drüben wo die Phönixpalme stand, der Ecktisch wird zum Stammtisch für Poker, Zock und Skat, zum Samstagabendfußball mach ich Currywurstsalat.« Sascha war begeistert. Er wartete, bis sein Schatzi alles so eingerichtet hatte wie sie es versprochen hatte und der Currywurstsalat fertig war, dann rief er alle seine Freunde an und versprach ihnen Freibier. Da die Pipeline noch nicht ganz vervollständigt war, kaufte er schnell noch ein paar kleine Fässer mit kühlem Blonden. Es war jetzt 17°° Uhr und um 21°° Uhr wollten die Gäste kommen, also setzte Sascha sich vor den Fernseher und schaute eine Sondersendung zur Erpressung eines Telefonunternehmens. Es wurde berichtet, daß man auf alle Forderungen der Erpresser eingehen müsse, da man kein Menschenleben riskieren könne.
Schon vor neun Uhr waren die ersten Gäste gekommen, um neun war die ganze 10 b, bis auf Dennis, anwesend, aber es waren auch Leute da, die Sasa noch nie gesehen hatte, zum Beispiel ein älterer Herr mit einem grünen Gütersloh Trikot, der dauernd mit seinen Füßen redete, obwohl er nur Mineralwasser getrunken hatte. Eigentlich kippten alle ordentlich Prozente in sich rein, außer Sascha, denn der mußte am nächsten Morgen um Sechs aufstehen, weil er Steffi versprochen hatte, die Hunde zu füttern. Plötzlich gab irgendwer eine Runde aus, jemand, der nicht die Hunde füttern mußte, und Sascha dachte: »Das Bier trink ich noch, solange ich noch acht Stunden Schlaf habe, ist das genug.« Alle tranken und tranken. Irgendwann lief Jan mit einer karierten Unterhose auf dem Kopf durch das Zimmer. Als es Mitternacht war, hatte Sasa noch 5 Bier gehabt. Gerade hatte er 20 Minuten über Kunstrasen diskutiert und war dagegen. Eigentlich wollte er jetzt gehen, einen Stock höher in sein gemütliches Bett, weil sein Schutzengel meinte, er müsse morgen früh die armen kleinen Tierchen füttern, da erschien auf seiner Schulter das kleine Teufelchen und sagte: »Nein, es ist gerade so nett und es ist eine prima Clique hier, solange du noch sechs Stunden Schlaf hast, ist es Okay!« Dann war es plötzlich ein Uhr, irgendwer hatte sich vor dem Haus ins Gebüsch erbrochen, Sasa hatte unterdessen mit Bier trinken aufgehört, zu Gunsten von Tequila. Gerade hatte er wieder zwanzig Minuten über Kunstrasen diskutiert, diesmal war er dafür. Darüber hinaus war er der Ansicht: »Die Kellnerin ist die schönste Frau der Welt.« Auf dem Weg zum Klo gab er dem unbekannten Menschen am Ende des Tresens einen aus, weil ihm das Gesicht dieses Menschen gefiel und bekam auf dem Klo einen Lachflash, weil da ein neuer Spruch an der Wand stand, den er noch nicht kannte: »Lieber in der Kaiserin als Imperator!« Anschließend gab er sich Phantasien hin wie: »Wenn wir uns eine eigene Kneipe kaufen, könnten wir für immer zusammen bleiben!« Gemeint war wieder die Kellnerin Julia, die die selbe Idee auch schon einmal gehabt hatte. Als es dann zwei Uhr war, machte Sascha die letzte Bestellung, eine Cola und eine Flasche Wodka. Er fühlte sich wie Kunstrasen. Auf dem Weg zum Klo wollte er dem unbekannten Gast eines in die Fresse haun, weil ihm sein Gesicht nicht gefiel. Beim Händewaschen nach dem Pipi machen, machte Sasa den Fehler in den Spiegel zu schauen und fragte: »Wer ist das denn?«, stieß den alten Mann beiseite und sagte: »Gott sei Dank!« Danach beschloß er nach Hause zu Mami zu gehen, unmittelbar nachdem er rausgeflogen war. Zuhause fiel sein Blick auf eine 1/2 volle Flasche Ouzo, die er umgehend zu sich nahm. Anstatt jetzt ins Bett zu gehen, hatte er eine großartige Idee und legte die alte Don McLean-Platte auf, die er seit 10 Jahren nicht mehr gehört hatte. Sentimental beeinflußt schossen ihm die Tränen in Bächen aus den Augen und er beschloß, seine Ex Freundin anzurufen, nein, nicht Julia, seine Ex, die er auch schon drei Jahre, damals war sie 22, nicht mehr gesehen hatte, von der er nur wußte, daß sie zwei Kinder hatte und mit einem Polizisten verheiratet war. Dieser Beamte reagierte ein bißchen ungehalten, als er um halb Vier Uhr morgens das Gespräch entgegennahm und Sasa zu ihm sagte: »Ich liebe sie, sagen sie ihr das. Ich werde die Kinder adaptieren. Arschloch!« Er beschloß ihr einen Brief zu schreiben, einen Gedichtszyklus und ihn noch heute nacht persönlich bei ihr abzugeben. Bei der Gelegenheit den Polizisten zusammenschlagen und mit ihr und den Kindern ein neues Leben in Neuseeland anzufangen, oder wenigstens in Belgien. Und während er sich für dieses Unternehmen mit einer Mischung aus Fernet Branca und Escorial Grün stärkte, sank er in die wohlverdiente Nachtruhe. Als er am nächsten Morgen frierend auf dem Fußboden aufwachte, beschloß er, die Hunde nicht zu füttern, denn mit dem Kater konnte er dort nicht hin. Den ganzen Sonntag trank Sascha nur noch Aspirin plus C, Dolormin und ähnliches, mit alkoholfreiem Leitungswasser gemischt. Um 18°° Uhr, pünktlich zu seiner Lieblingssendung hatte er dann auch keine Kopfschmerzen mehr, also schaltete er seinen Fernseher, und zwar das dritte Programm an und schaute die Abenteuer mit dem großen braunen Bären, der kleinen, orangenen Schnecke und einem merkwürdigem Etwas, das in einer Mülltonne wohnte. Aber als Mucke seine Gitarre nahm, fingen seine Kopfschmerzen wieder an und er schaltete den Apparat ab. Schnell schüttete er sich noch einen Cocktail aus Kopfschmerzmitteln hinter die Kauleiste und ging dann in sein kleines Bettchen um Heia zu machen.
Zu diesem Zeitpunkt fing gerade ein Treffen von Steffi und Julia an, die beiden wollten besprechen, daß Sasa nicht ganz der Typ sei, der sie interessierte, erstens, weil er zu viel tränke, und zweitens, weil er ja kriminell war, das hatte Steffi Julia auch schon verraten. Nun überlegten die beiden, wie man Sasa das Handwerk legen könne. Steffis erster Vorschlag war, einfach zur Polizei zu gehen und zu sagen, das Sasa den Erpresserbrief geschrieben hatte, doch dann fiel ihr ein, daß es ja gar nicht Sasa war. Also beschlossen die beiden, eine eigene Bande zu gründen um Sasa seine Bande rund um die Uhr beobachten zu können. Zu zweit waren die beiden natürlich ein Paar Personen zu wenig und so beschlossen sie, ihre besten Freundinnen Verena und Marina einzuladen und dann zusammen eine Bande zu gründen.
Markus, ein Mitschüler von Steffi und Julia wollte keine Bande gründen. Er war traurig weil sein Meerschweinchen gestorben war und so ging er ziellos durch die Straßen. Es war ein schöner Tag, der letzte im August, die Sonne brannte so, als hätte sie es gewußt, die Luft war flirrend heiß und um allein zu sein sagte er den anderen: »Ich hab heut' keine Zeit.« Da traf er sie und sah in ihre Augen und irgendwie hatt' er das Gefühl als winkte sie ihm zu und schien zu sagen: »Komm setz' dich zu mir.« Er war sechzehn und sie elfundneunzig und über Liebe wußte er nicht viel, sie wußte alles und sie ließ ihn spüren, er war kein Kind mehr, und sie hieß Sommer. Sie gab sich so als sei er überhaupt nicht da und um die Schultern trug sie nur ihr graues Haar, er war verlegen und wußte nicht wohin mit seinem Blick der wie gefesselt an Ihr hing. »Ich kann verstehen,« hörte er sie sagen, »nur weil du jung bist tust Du nicht was Du fühlst, doch bleib bei mir bis die Sonne rot wird, dann wirst du sehen.« Sie gingen beide hinunter an die Leine und der Junge nahm schüchtern ihre Hand. Doch als ein Mann sah er die Sonne aufgehn, und sie hieß Sommer, es war Sommer. Es war Sommer, das erste Mal im Leben, es war Sommer, das aller erste Mal und als ein Mann sah er die Sonne aufgehn und es war Sommer.
Am Montag gingen die meisten Schüler wieder zur Schule. Einer von denen, die nicht kamen, war Markus, er war noch vom Wochenende erschöpft und er traute sich auch nicht zur Schule, weil er Angst hatte, seine Erdkundelehrerin Frau Sommer dort anzutreffen. Steffi, Julia und Marina trafen sich in der ersten Pause um sich über die Aktivitäten ihrer neuen Bande zu unterhalten, Verena hatte noch etwas zu tun und wollte später mitdiskutieren. Als sie mit ihrem Bruder um die Ecke kam, war Steffi die erste, die die beiden sah und verkündete das sofort: »Siehst du die beiden Moppel dort, sie sind ein Grund zum Doppelmord.« Natürlich meinte sie das nicht so ernst. Martin fragte seine Schwester noch, ob er nach der Schule ihr Fahrrad haben könne und ließ die vier Mädels dann alleine. Nun war keiner mehr in der Nähe, der zuhören konnte. Als erstes wurden Verena und Marina aufgeklärt, warum die Gründung einer Bande so wichtig sei, nämlich um Sascha hinter Gitter zu kriegen. Dann wurde überlegt, wie das Kollektiv heißen solle und wo man sich treffen könne. Man entschloß sich »Spice Girls« zu nennen und sich bei Steffi zu treffen. Dann überlegte man, wie man herausbekommen könnte, was Sasa in den nächsten Tagen vorhatte, aber das war auch kein Problem. Steffi wollte am nächsten Tag zum Treffen der Sasa-Bande gehen und Jule wollte Sasa die große Liebe vorspielen und auf diesem Wege etwas herausbekommen. Dann klingelte die Pausenglocke und man wendete sich wieder den langweiligen Abschnitten des Tages zu, dem Unterricht. In der Deutschstunde lernte man - wenn man wollte daß »Der Hauptmann von Köpenick« von Carl Zuckmeyer geschrieben wurde, der 1896 geboren wurde und auch Werke wie Schinder Hannes und Katharina Knie verfaßt hatte. Später, in der zweiten großen Pause irrten die vier Spice Girls jede für sich über den Schulhof um an Indizien zur Telekom Erpressung zu kommen. Julia ging zu Sasa, Verena hörte Martin aus, Marina fragte Dennis und Steffi durchsuchte Sasas Schultasche um an Beweise zu kommen. Nach dieser Pause kam wieder ein wenig Unterricht und danach war die Schule dann aus und alle gingen ach Haus, Dennis mit Marina, Sasa mit Julia und Verena mit Martin. Marina freute sich auf den Nachmittag mit ihrem Schnurzel, sie wollten zusammen ein Picknick veranstalten, und vielleicht käme sie so an ein paar Neuigkeiten über Sasas Gaunertour, doch leider wußte Dennis auch nichts, schließlich war er nicht der Boss der Bande, sondern nur ein einfacher Untertan des großen Sasas. Auch Julia bekam keine Neuigkeiten, weil Sasa einfach nichts verraten wollte. Außerdem waren diese beiden gar nicht lange zusammen an diesem Nachmittag, da Sasa noch etwas vorhatte.
Um 15°° Uhr verließ er die gemeinsame Wohnung, um sich Sprengstoff zu besorgen. Er ging also zur Tümpelstraße Nr. 4, wo er das Dynamit schon lange vorbestellt hatte. Angst davor, daß der Händler ihn verraten könnte hatte er nicht, weil dieser das Material ja auch illegal beschaffen hatte. Und wo er gleich mal in der Nähe war, konnte er auch gleich noch seine Hunde streicheln gehen, was er dann auch tat. Für jeden Hund nahm er sich 5 Minuten Zeit, und als er um kurz vor elf fertig war ging er erschöpft zu seiner Jule. Als die beiden Arm in Arm einschliefen, hoffte Sasa, daß sein Plan gut enden würde und Julia hoffte, daß Sasa nicht so laut schnarchen würde, wie sie es einmal gehört hatte, als sie nachts zufällig an seinen Elternhaus vorbeigegangen war.
Sasas großer Tag fing an, zwar hatte er seinen Bandenmitgliedern nur gesagt, daß heute ein ganz normales Treffen stattfinden sollte, aber insgeheim wußte er ganz genau, daß am Nachmittag mehrere Fernsprechzellen dem Boden gleichgemacht werden würden. Aber erst einmal mußte er zur Schule, damit er später etwas vernünftiges gelernt hätte. Völlig nervös wackelte er den ganzen Morgen über auf seinem Stuhl hin und her, und so merkten auch die Spice Girls, das heute etwas geschehen würde. Natürlich wußte Steffi, es könnte auch das heutige Treffen sein, welches eine nervöszierende Wirkung auf Sasa haben könnte, aber so nervös war er noch vor keinen Treffen gewesen. »Der hat irgendwas vor.«, meinte Julia, »Alle Indizien weisen darauf hin.« Und so war es dann auch. In den beiden großen Pausen teilte Steffi ihren Girls dann etwas mit: »Liebe Mitglieder, heute will Sasa wahrscheinlich seine erste Telefonzelle in die Luft sprengen, doch wir werden das verhindern, jede von uns wird eine bewachen und wenn die Sasas dort auftauchen, kommen wir alle schnell dorthin und verhaften die dann. Verena, du nimmst die Telefonzelle am Schwimmbad, Julia, du begibst dich zu der an der Jugendherberge und du Marina, du bewachst die restlichen Fernsprechhütten. Ich selber werde zu Sasas Treffen gehen und dann später auch so tun, als ob ich auch beim Sprengen beteiligt sei, damit Sasa nichts merkt.« Verena und Julia waren mit diesem Plan einverstanden, Marina hingegen wollte auch die Zelle an der DJH bewachen, aber da war ja Julia schon. Da das Treffen der Sasas auf 15°° angesetzt war, sollten die Spicies ab viertel nach drei an den abgesprochenen Plätzen sein. So konnte man noch ganz gemütlich die Hausaufgaben zu Mittwoch machen. Doch als der Termin der Zellenüberwachung näherrückte, eröffnete sich ein kleines Problem für Verena, sie wußte nicht, wie sie zum Schwimmbad kommen sollte. Sie hätte dort anrufen können, aber dann wäre sie wohlmöglich mit in die Luft gesprengt worden, sie hätte ihr Fahrrad nehmen können, doch daß hatte Martin gerade. Oder sie hätte jemanden fragen können, der sie dort hinfahren könnte und das machte sie auch. Da ihre Eltern nicht in der Nähe waren, mußte sie wen anders fragen, und das war Kai. Nach der Schule hatte sie ihn schon öfters mit einem PKW gesehen und wenn Stau auf der A-7 war, stand Kai immer ganz, ganz vorne. Irgendwer muß ja den Stau auslösen. Nachdem Verena ihn angerufen hatte, dauerte es nicht lange bis Kai erschien, die Reifen glühten noch, als er vor Ihrer Tür hielt. Er war wieder einmal in seine Cowboyklamotten gestiegen, den Stedson auf dem Kopf, denn angeblich macht das Autofahren so noch viel mehr Spaß. Und fragt ihn einer: »Hey Cowboy, hast du denn auch ein Pferd?« Sagt er: »Na Klar, was denkst denn du, ich weiß was sich gehört!« Und fragt man dann: »Wo hast du’s denn?« Sagt er: »Du glaubst es kaum! Bei dieser großen Parkplatznot hab ich es im Kofferraum!« Schnell stieg Verena zu ihm in das Auto, dann fuhren die beiden los in Richtung Schwimmbad.
Obwohl es noch 20 vor drei war, hatten die anderen beiden ihre Telefonzelle (bzw. Telefonzellen) schon erreicht und überlegten, wie sie sich am besten verstecken könnten. Bei ihrer dritten Zelle fand Marina leider kein Versteck, aber das Sasa diese auswählen würde, war höchst unwahrscheinlich. Verena hatte auch noch kein Versteck, denn sie düste immer noch mit Kai durch die Straßen Northeims. Jetzt fuhr er sogar noch schneller, denn gerade hatte er Axel Endlein angefahren und war jetzt auf der Flucht. Kai sprach auf sein Diktiergerät: »Es ist jetzt 20 Minuten vor drei, die Rentner ziehen zu Tausenden gen Schwimmbad, auch ich war mit meinem vierrädrigem Superschlitten unterwegs nach Westen, als ich durch die wildeste Straße Northeims kam.« Doch plötzlich erschrak er, denn nicht unweit stand derjenige, vor dem sich Kai schon seit Jahren gefürchtet hatte. Es war ein Sheriff, sein Lasercolt hing tief und Kai wußte: »Jetzt gibt's kein zurück.« Er ist der Sheriff dieser Gegend und der schnellste im All, sogar der Stern an der Brust ist aus Edelmetall, er geht auf Kai zu, dem rutscht das Herz in den Schuh und Kai weiß: »Jetzt brauche ich Glück.« Hannes Galaxis ist ein Sheriff der Praxis, alles was er macht, macht er gründlich und sofort. Hannes Galaxis ist ein Sheriff der Praxis, er kennt kein Pardon, bei ihm kommt keiner davon. Drei stahlblaue Augen blinzeln Kai an und seine Raiffeisenstimme sagt: »Hören sie junger Mann, sie stehen im Halteverbot, bei so was sieht Hannes rot, also schmeißen sie die Untertasse an sonst sind sie dran.« »Gottseidank hatte er die Blutspuren an der Stoßstange nicht gesehen,« dachte Kai, als er vorsichtig weiterfuhr und Verena wenig später am Schwimmbad absetzte. Kurz darauf hatte Verena dann auch ein Versteck gefunden, wo sie sich versteckte.
Im Hauptquartier waren die fünf nun komplett, Sasa, Steffi, Jan, Dennis und Martin. Zusammen machten sie sich auf den Weg zu der Telefonzelle, die sich Sasa ausgesucht hatte, am Schwimmbad. Schon von weitem wurden sie von Verena erkannt und als Sasa und Dennis das Dynamit im Telefonbuch verstecken wollten schlug sie unerwartet zu. Mit einem einfachen Streifen Tesafilm klebte sie blitzschnell die Zellentür zu, schlug Martin mit der Handkante in den Bauch und lief dann solange hinter Jan hinterher, bis dieser über Martin stolperte. Dann sprach sie: »Hört, was mir Gott ins Herz gibt - Ihr müßt fort. Ins Land Italien, zu Sankt Peters Stadt, Dort werft Ihr euch dem Papst zu Füßen, beichtet Ihm Eure Schuld und löset Eure Seele,« und rief danach mit ihrem Tamagotchi die Polizei an und meldete, daß sie die Telekomerpresser geschnappt hatte. Steffi war glücklich über den Erfolg von Verena und ihrer Spice-Girls die beiden warteten noch, bis die Polizei da war, als erster Polizist kam Hannes, kassierten die Belohnung für die Ergreifung der Erpresser, 100 DM und holten dann die anderen Spice-Girls von den anderen Telefonzellen ab. Danach gingen die vier in die nächste Kneipe und tranken ein wenig alkoholfreie Cola. Doch noch bevor es dunkel wurde, waren alle wieder zu Hause, denn beim Bergdoktor im TV sollte wieder einiges spannendes geschehen. Wie Verena nach Hause gekommen war, konnte sie sich am nächsten Morgen nicht mehr erklären, doch irgendwie war sie dort angekommen, und das ohne Kai seine Hilfe, denn als sie ihn angerufen hatte, war Kai erstens nicht zu Hause und zweitens war Stau auf der Sieben. Nach Dienstag kommt Mittwoch, und zwar der Mittwoch, an dem sich Verena nicht mehr an ihre vortägliche abendliche Heimkehr erinnern konnte. Trotzdem ging sie zur Schule, vielleicht wußte dort irgendwer, wie sie es geschafft hatte, ohne nennenswerte Verletzungen. Trotzdem hatte sie Angst vor der Schule, und zwar vor Dennis, Sasa, Jan und am meisten vor Martin. Doch als die erste Stunde begann, war ihre Angst schon fast verflogen, denn die vier waren einfach nicht anwesend. Und als Frau Sommer dann in den Klassenraum kam mit einem Zeitungsausschnitt und aus diesem vorlas, daß die vier im Gefängnis waren, da wurde Verena wieder glücklicher. Ab jetzt waren die Spice-Girls in aller Munde. In Mathematik wurden Aufgaben gerechnet wie z.B. 4 Spice-Girls plus 8 Spice-Girls oder die Größe des Hypothenusenquadrat zur Summe des Intelligenzquotienten dividiert durch Delta Teta eines durchschnittlichen Spice Girls mit einem Volumen V=68 1 und einem maximalen Querschnitt A=28,64789 cm. In Erdkunde redete man von Regen, der daraus entstehenden Matsche und was das mit too Matsch (too much) zu tun hätte. Im Sportunterricht spielte man dann Spice Hockey. Als dann im Deutsch Unterricht ein Diktat über die Spice-Girls geschrieben werden sollte, hatten die meisten keine Lust mehr dazu, also wurde einfach in der Literaturgeschichte weitergemacht, man sprach über den berühmtesten Schriftsteller des zwanzigstem Jahrhunderts, der unter anderem »Pommes in der Currywurst«, »Dornninchen« oder »Objects in the rear view mirror may appear closer than they are« geschrieben hatte. Danach gingen die meisten aus Gründen des vorzeitigem Unterrichtsschlusses nach Hause, außer Julia, denn die ging in die Justizvollzugsanstalt, sie wollte Sasa besuchen, denn ganz tief in ihrem Inneren hatte sie ihn doch noch lieb. Als Jule im Gefängnis ankam und am Sasas Zimmertür klopfte, öffnete keiner. Sofort fiel ihr ein, daß sie vor ein paar Tagen von einem Harakiri im Gefängnis gelesen hatte und dass das bei 95% aller Gefangenen die Regel ist. Traurig schlich sie nach Hause, wütend auf Verena und auf sich selbst, sie hatte ihre vier besten Freunde verloren, Sasa, Jan, Dennis und Martin. Sie brauchte Stunden für Ihren Heimweg und kam erst in der Abenddämmerung in ihrer elterlichen Wohnung an. Nachdem sie ihre Schuhe ausgezogen hatte und eine Kerze angezündet war, ließ sie sich in ihr Bett fallen, aus dem im gleichen Augenblick eine schmerzverzerrte Stimme schrie. Julia erschrak sehr. Und als sie dann noch Sasas Gesicht auf ihrem Kopfkissen entdeckte, wußte sie nicht, was nun los sei. War jetzt Sasa tot oder sie oder beide oder gar keiner von beiden? Spätestens als Sasa erzählte, er sei entlassen worden weil seine Gang von o-tel-o erpreßt wurde, die Telekom zu erpressen wußte sie, daß war das Signal, immer mit Sasa zusammenzubleiben.
Auch Dennis und Marina blieben erst einmal zusammen, und Martin und Verena waren ja sowieso schon immer zusammengewesen. Nur Markus trennte sich von seiner Frau Sommer, erstens weil er Angst vor dem Herbst hatte und zweitens fand er Karina recht attra...., akttra......, schön. Und was das wichtigste war, man hatte aus den vergangenen Abenteuern eine Menge gelernt.
© buecherei.ch & M. Möllmann
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