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Band 1, Teil 2
Briefe von niemandem
Die Flucht der brasilianischen Boa constrictor hatte Harry die bisher längste Strafe eingebracht. Als er den Schrank wieder verlassen durfte, hatten die Sommerferien begonnen. Dudley hatte seine neue Videokamera schon längst zertrümmert und sein ferngesteuertes Flugzeug zu Bruch geflogen. Bei seiner ersten Fahrt mit dem Rennrad hatte er die alte Mrs. Figg, die gerade auf ihre Krücken gestützt den Ligusterweg überquerte, über den Haufen geradelt.
Harry war froh, dass die Schule zu Ende war, doch Dudleys Bande, die das Haus Tag für Tag heimsuchte, konnte er nicht entkommen. Piers, Dennis, Malcolm und Gorden waren allesamt groß und dumm, doch weil Dudley der Dümmste von allen war, war er ihr Anführer. Die andern schlossen sich mit ausgesprochenem Vergnügen Dudleys Lieblingssport an: Harry Jagen.
Deshalb verbrachte Harry möglichst viel Zeit außer Haus und wanderte durch die Straßen. Das baldige Ende der Ferien war ein kleiner Hoffnungsschimmer. Im September würde er auf die höhere Schule kommen und zum ersten Mal im Leben nicht mehr mit Dudley zusammen sein. Dudley hatte einen Platz an Onkel Vernons alter Schule, Smeltings. Auch Piers Polkiss ging dorthin. Harry dagegen kam in die Stonewall High Scheel, die Gesamtschule in der Nachbarschaft. Dudley fand das sehr lustig.
»In Stonewall stecken sie den Neuen am ersten Tag den Kopf ins Klo«, eröffnete er Harry. weilst du mit hochkommen und schon mal üben?«
»Nein, danke«, sagte Harry. »Das arme Klo hat noch nie etwas so Fürchterliches wie deinen Kopf geschluckt - vielleicht wird ihm schlecht davon.« Dann rannte er los, bevor sich Dudley einen Reim daraus machen konnte.
Eines Tages im Juli nahm Tante Petunia Dudley mit nach London, um dort die Schuluniforrn für Smeltings zu kaufen, und ließ Harry bei Mrs. Figg zurück. Mrs. Figg war nicht mehr so übel wie früher. Harry erfuhr, dass sie sich den Fuß gebrochen hatte, als sie über eine ihrer Katzen gestolpert war, und inzwischen schien sie von ihnen nicht mehr ganz so begeistert zu sein. Sie ließ Harry fernsehen und reichte ihm ein Stück Schokoladenkuchen, der schmeckte, als hätte sie ihn schon etliche Jahre aufbewahrt.
An diesem Abend stolzierte Dudley in seiner neuen Uniform unter den Augen der Eltern im Wohnzimmer umher. Die Jungen in Smeltings trugen kastanienbraune Fräcke, orangefarbene Knickerbocker-Hosen und flache Strohhüte, die sie »Kreissägen« nannten. Außerdem hatten sie knorrige Holzstöcke, mit denen sie sich, wenn die Lehrer nicht hinsahen, gegenseitig Hiebe versetzten. Das galt als gute Übung fürs spätere Leben.
Onkel Vernon musterte Dudley in den neuen Knickerbockern und grummelte etwas vom stolzesten Augenblick seines Lebens. Tante Petunia brach in Tränen aus und sagte, sie könne es einfach nicht fassen, dass dies ihr süßer kleiner Dudleyspatz sei, so hübsch und erwachsen wie er aussehe. Harry wagte nicht, auch nur ein Wort zu sagen. Womöglich hatte er sich schon zwei Rippen angeknackst vor lauter Anstrengung, nicht loszulachen.
Am nächsten Morgen, als Harry zum Frühstück in die Küche kam, schlug ihm ein fürchterlicher Gestank entgegen. Offenbar kam er von einer großen Emailschüssel in der Spüle. Er trat näher, um sich die Sache anzusehen. in dem grauen Wasser der Schüssel schwamm etwas, das aussah wie ein Bündel schmutziger Lumpen.
»Was ist das denn?«, fragte er Tante Petunia. Sie kniff die Lippen zusammen, wie immer, wenn er eine Frage zu stellen wagte.
»Deine neue Schuluniform«, sagte sie.
Harry warf noch einen Blick in die Schüssel.
»Aha«, sagte er, »ich wusste nicht, dass sie so nass sein muss.«
»Stell dich nicht so dumm an«, keifte Tante Petunia. »Ich färbe ein paar alte Sachen grau für dich. Die sehen dann genauso aus wie die der andern.«
Das bezweifelte Harry ernsthaft, er hielt es aber für besser, ihr nicht zu widersprechen. Er setzte sich an den Tisch und versuchte nicht daran zu denken, wie er an seinem ersten Schultag in der Stonewall High aussehen würde -vermutlich wie einer, der ein paar Fetzen alter Elefantenhaut trug.
Dudley und Onkel Vernon kamen herein und beide hielten sich beim Gestank von Harrys neuer Uniform die Nase zu. Onkel Vernon schlug wie immer seine Zeitung auf und Dudley knallte seinen Smelting-Stock, den er immer bei sich trug, auf den Tisch.
Die Klappe des Briefschlitzes quietschte und die Post klatschte auf die Türmatte.
»Hol die Post, Dudley«, sagte Onkel Vernon hinter seiner Zeitung hervor.
»Soll doch Harry sie holen.«
»Hol die Post, Harry.«
»Soll doch Dudley sie holen.«
»Knuff ihn mal mit deinem Smelting-Stock, Dudley.«
Harry wich dem Stock aus und ging hinaus, um die Post zu holen. Dreierlei lag auf der Türmatte: eine Postkarte von Onkel Vernons Schwester Marge, die Ferien auf der Isle of Wight machte, ein brauner Umschlag, der wohl eine Rechnung enthielt, und - ein Brief für Harry.
Harry hob ihn auf und starrte auf den Umschlag. Sein Herz schwirrte wie ein riesiges Gummiband. Niemand hatte ihm Je in seinem ganzen Leben einen Brief geschrieben. Wer konnte es sein? Er hatte keine Freunde, keine anderen Verwandten - er war nicht in der Bücherei angemeldet und hatte deshalb auch nie unhöfliche Aufforderungen erhalten, Bücher zurückzubringen. Doch hier war er, ein Brief, so klar adressiert, dass ein Fehler ausgeschlossen war:
Mr. H. Potter
Im Schrank unter der Treppe
Ligusterweg 4
Little Whinging
Surrey
Dick und schwer war der Umschlag, aus gelblichem Pergament, und die Adresse war mit smaragdgrüner Tinte geschrieben. Eine Briefmarke war nicht draufgeklebt.
Mit zitternder Hand drehte Harry den Brief um und sah ein purpurnes Siegel aus Wachs, auf das ein Wappenschild eingeprägt war: ein Löwe, ein Adler, ein Dachs und eine Schlange, die einen Kreis um den Buchstaben »H« schlossen.
»Beeil dich, Junge!«, rief Onkel Vernon aus der Küche. »Was machst du da draußen eigentlich, Briefbombenkontrolle?« Er gluckste über seinen eigenen Scherz. Harry kam in die Küche zurück, den Blick unverwandt auf den Brief gerichtet. Er reichte Onkel Vernon die Rechnung und die Postkarte, setzte sich und begann langsam den gelben Umschlag zu öffnen.
Onkel Vernon riss den Brief mit der Rechnung auf, schnaubte vor Abscheu, und überflog die Postkarte.
»Marge ist krank«, teilte er Tante Petunia mit. »Hat eine faule Wellhornschnecke gegessen ...«
»Dad!«, sagte Dudley plötzlich. »Dad, Harry hat etwas!«
Harry war gerade dabei, den Brief zu entfalten, der aus demselben schweren Pergament bestand wie der Umschlag, als Onkel Vernon ihm das Blatt aus der Hand riss.
»Das ist für mich!«, rief Harry und versuchte Onkel Vernon den Brief wegzuschnappen.
»Wer sollte dir denn schreiben?«, höhnte Onkel Vernon, schüttelte das zusammengefaltete Blatt mit einer Hand auseinander und begann zu lesen. Sein Gesicht wechselte schneller von Rot zu Grün als eine Verkehrsampel. Und es blieb nicht bei Grün. Nach ein paar Sekunden war es gräulich-weiß wie alter Haferschleim.
»P-P-Petunia!«, stieß er keuchend hervor.
Dudley grabschte nach dem Brief, um ihn zu lesen, aber Onkel Vernon hielt ihn hoch, so dass er ihn nicht zu fassen bekam. Tante Petunia nahm ihn neugierig in die Hand und las die erste Zeile. Einen Moment lang sah es so aus, als würde sie in Ohnmacht fallen. Sie griff sich an den Hals und gab ein würgendes Geräusch von sich.
»Vernon! Ach du lieber Gott - Vernon!«
Sie starrten einander an, als hätten sie vergessen, dass Harry und Dudley immer noch in der Küche waren. Dudley war es nicht gewohnt, ignoriert zu werden. Mit dem Smelting-Stock versetzte er seinem Vater einen kurzen schmerzhaften Hieb auf den Kopf
»Ich will diesen Brief lesen«, sagte er laut.
»Ich will ihn lesen«, sagte Harry wütend, »es ist nämlich meiner.«
»Raus hier, beide«, krächzte Onkel Vernon und stopfte den Brief in den Umschlag zurück.
Harry rührte sich nicht vom Fleck.
»ICH WILL MEINEN BRIEF!«. rief er.
»Lass mich sehen!«, verlangte Dudley.
»RAUS!«, brüllte Onkel Vernon, packte Harry und Dudley am Genick, warf sie hinaus in den Flur und knallte die Küchentür hinter ihnen zu. Prompt lieferten sich Harry und Dudley einen erbitterten, aber stummen Kampf darum, wer am Schlüsselloch lauschen durfte. Dudley gewann, und so legte sich Harry, die Brille von einem Ohr herabhängend, flach auf den Bauch und lauschte an dem Spalt zwischen Tür und Fußboden.
»Vernon«, sagte Tante Petunia mit zitternder Stimme, »schau dir die Adresse an - wie können sie denn nur wissen, wo er schläft? Sie beobachten doch nicht etwa unser Haus?«
»Beobachten - spionieren - vielleicht folgen sie uns«, murmelte Onkel Vernon verwirrt.
»Aber was sollen wir tun, Vernon? Sollen wir vielleicht antworten? Ihnen sagen, wir wollen nicht -«
Harry konnte Onkel Vernons glänzende schwarze Schuhe die Küche auf und ab schreiten sehen.
»Nein«, sagte er endlich. »Nein, wir tun so, als ob nichts wäre. Wenn sie keine Antwort bekommen ... Ja, das ist das Beste ... Wir tun gar nichts ...«
»Aber -«
»Ich will keinen davon im Haus haben, Petunia! Als wir ihn aufnahmen, haben wir uns da nicht geschworen, diesen gefährlichen Unsinn auszumerzen?«
Als Onkel Vernon an diesem Abend vom Büro zurückkam, tat er etwas, was er nie zuvor getan hatte: er besuchte Harry in seinem Schrank.
»Wo ist mein Brief?«, sagte Harry, kaum hatte sich Onkel Vernon durch die Tür gezwängt. »Wer schreibt an mich?«
»Niemand. Er war nur versehentlich an dich adressiert sagte Onkel Vernon kurz angebunden. »Ich habe ihn verbrannt.«
»Es war kein Versehen«, rief Harry zornig, »mein Schrank stand drauf«
»RUHE!«, schrie Onkel Vernon, und ein paar Spinnen fielen von der Decke. Er holte ein paar Mal tief Luft und zwang dann sein Gesicht zu einem recht schmerzhaft wirkenden Lächeln.
»Ahm -ja, Harry - wegen dieses Schranks hier. Deine Tante und ich haben darüber nachgedacht ... Du wirst allmählich wirklich etwas zu groß dafür ... Wir meinen, es wäre doch nett, wenn du in Dudleys zweites Schlafzimmer ziehen würdest.«
»Warum?«, sagte Harry.
»Keine dummen Fragen!«, fuhr ihn der Onkel an. »Bring dieses Zeug nach oben, aber sofort.«
Das Haus der Dursleys hatte vier Schlafzimmer: eines für Onkel Vernon und Tante Petunia, eines für Besucher (meist Onkel Vernons Schwester Marge), eines, in dem Dudley schlief, und eines, in dem Dudley all seine Spielsachen und die Dinge aufbewahrte, die nicht mehr in sein erstes Schlafzimmer passten. Harry musste nur einmal nach oben gehen und schon hatte er all seine Sachen aus dem Schrank in das neue Zimmer gebracht. Er setzte sich aufs Bett und ließ den Blick kreisen. Fast alles hier drin war kaputt. Die einen Monat alte Videokamera lag auf einem kleinen, noch funktionierenden Panzer, den Dudley einmal über den Hund der Nachbarn gefahren hatte. in der Ecke stand Dudleys erster Fernseher. Als seine Lieblingssendung abgesetzt wurde, hatte er den Fuß durch den Bildschirm gerammt. Auch ein großer Vogelkäfig stand da, in dem einmal ein Papagei gelebt hatte, den Dudley in der Schule gegen ein echtes Luftgewehr getauscht hatte. Es lag mit durchgebogenem Lauf auf einem Regal, denn Dudley hatte sich darauf niedergelassen. Andere Regale standen voller Bücher. Das waren die einzigen Dinge in dem Zimmer, die aussahen, als wären sie nie angerührt worden.
Von unten war Dudley zu hören, wie er seine Mutter anbrüllte. »Ich will ihn nicht da drin haben ... Ich brauche dieses Zimmer . ~. Er soll wieder ausziehen . -«
Harry seufzte und streckte sich auf dem Bett aus. Gestern noch hätte er alles darum gegeben, hier oben zu sein. Heute wäre er lieber wieder in seinem Schrank mit dem Brief in der Hand statt hier oben ohne ihn.
Am nächsten Morgen beim Frühstück waren alle recht schweigsam. Dudley stand unter Schock. Er hatte geschrien, seinen Vater mit dem Smelting-Stock geschlagen, sich absichtlich übergeben, seine Mutter getreten und seine Schildkröte durch das Dach des Gewächshauses geworfen, aber sein Zimmer hatte er trotzdem nicht zurückbekommen. Harry dachte darüber nach, was gestern beim Frühstück geschehen war. Hätte er den Brief doch nur schon im Flur geöffnet, dachte er voll Bitterkeit.
Onkel Vernon und Tante Petunia sahen sich unablässig mit düsterer Miene an.
Die Post kam, und Onkel Vernon, der offenbar versuchte nett zu Harry zu sein, ließ Dudley aufstehen und sie holen. Sie konnten ihn hören, wie er den ganzen Flur entlang mit seinem Smelting-Stock mal hierhin, mal dorthin schlug. Dann rief er:
»Da ist schon wieder einer! Mr. H. Potter, Das kleinste Schlafzimmer, Ligusterweg 4 -«
Mit einem erstickten Schrei sprang Onkel Vernon von seinem Stuhl hoch und rannte den Flur entlang, Harry dicht hinter ihm - Onkel Vernon musste Dudley zu Boden ringen, um ihm den Brief zu entwinden, was schwierig war, weil Harry Onkel Vernon von hinten um den Hals gepackt hatte. Nach einem kurzen Gerangel, bei dem Jeder ein paar saftige Schläge mit dem Smelting-Stock einstecken musste, richtete sich Onkel Vernon nach Luft ringend auf und hielt Harrys Brief in der Hand.
»Verschwinde in deinen Schrank - ich meine, dein Zimmer«, Japste er Harry zu. »Dudley - geh - ich bitte dich, geh.«
Oben in seinem neuen Zimmer ging Harry auf und ab, auf und ab. Jemand wusste, dass er aus dem Schrank ausgezogen war, und offenbar auch, dass er den ersten Brief nicht erhalten hatte. Das bedeutete doch gewiss, dass sie es wieder versuchen würden? Und das nächste Mal würde er dafür sorgen, dass es klappte. Er hatte einen Plan ausgeheckt.
Um sechs Uhr am nächsten Morgen klingelte der reparierte Wecker. Harry brachte ihn rasch zum Verstummen und zog sich leise an. Er durfte die Dursleys nicht aufwecken. Ohne Licht zu machen, stahl er sich die Treppe hinunter.
Er würde an der Ecke des Ligusterwegs auf den Postboten warten und sich die Briefe für Nummer 4 gleich geben lassen. Mit laut pochendem Herzen stahl er sich durch den dunklen Flur zur Haustür -
»AAAAAUUUUUH!«
Harry machte einen Sprung in die Luft - er war auf etwas Großes und Matschiges getreten, das auf der Türmatte lag - etwas Lebendiges!
Im ersten Stock gingen Lichter an, und mit einem furchtbaren Schreck wurde Harry klar, dass das große matschige Etwas das Gesicht seines Onkels war. Onkel Vernon hatte in einem Schlafsack vor der Tür gelegen, und zwar genau deshalb, um Harry daran zu hindern, sein Vorhaben in die Tat umzusetzen.
Er schrie Harry etwa eine halbe Stunde lang an und befahl ihm dann, Tee zu kochen. Niedergeschlagen schlurfte Harry in die Küche, und als er zurückkam, war die Post schon eingeworfen worden, mitten auf den Schoß von Onkel Vernon. Harry konnte drei mit grüner Tinte beschriftete Briefe erkennen.
»Ich will -«, begann er, doch Onkel Vernon zerriss die Briefe vor seinen Augen in kleine Fetzen.
An diesem Tag ging Onkel Vernon nicht zur Arbeit. Er blieb zu Hause und nagelte den Briefschlitz zu.
»Weißt du«, erklärte er Tante Petunia mit dem Mund voller Nägel, »wenn sie die Briefe nicht zustellen können, werden sie es einfach bleiben lassen.«
»Ich bin mir nicht sicher, ob das klappt, Vernon.«
»Oh, diese Leute haben eine ganz merkwürdige Art zu denken, Petunia, sie sind nicht wie du und ich«, sagte Onkel Vernon und versuchte einen Nagel mit dem Stück Obstkuchen einzuschlagen, den ihm Tante Petunia soeben gebracht hatte.
Am Freitag kamen nicht weniger als zwölf Briefe für Harry. Da sie nicht in den Briefschlitz gingen, waren sie unter der Tür durchgeschoben, zwischen Tür und Rahmen geklemmt oder durch das kleine Fenster der Toilette im Erdgeschoss gezwängt worden.
Wieder blieb Onkel Vernon zu Hause. Nachdem er alle Briefe verbrannt hatte, holte er sich Hammer, Nägel und Leisten und nagelte die Spalten an Vorder- und Hintertür zu, so dass niemand hinausgehen konnte. Beim Arbeiten summte er »Bi-Ba-Butzemann« und zuckte beim kleinsten Geräusch zusammen.
Am Sonnabend gerieten die Dinge außer Kontrolle. Vierundzwanzig Briefe für Harry fanden den Weg ins Haus, zusammengerollt im Innern der zwei Dutzend Eier versteckt, die der völlig verdatterte Milchmann Tante Petunia durch das Wohnzimmerfenster hineingereicht hatte. Während Onkel Vernon wütend beim Postamt und bei der Molkerei anrief und versuchte Jemanden aufzutreiben, bei dem er sich beschweren konnte, zerschnitzelte Tante Petunia die Briefe in ihrem Küchenmixer.
»Wer zum Teufel will so dringend mit dir sprechen?«, fragte Dudley Harry ganz verdutzt.
Als sich Onkel Vernon am Sonntagmorgen an den Frühstückstisch setzte, sah er müde und ziemlich erschöpft, aber glücklich aus.
»Keine Post an Sonntagen«, gemahnte er sie fröhlich, während er seine Zeitung mit Marmelade bestrich, #keine verfluchten Briefe heute -e
Während er sprach, kam etwas pfeifend den Küchenkamin heruntergesaust und knallte gegen seinen Hinterkopf Einen Augenblick später kamen dreißig oder vierzig Briefe wie Kugeln aus dem Kamin geschossen. Die Dursleys gingen in Deckung, doch Harry hüpfte in der Küche umher und versuchte einen Brief zu fangen.
»Raus! RAUS!«
Onkel Vernon packte Harry um die Hüfte und warf ihn hinaus in den Flur. Als Tante Petunia und Dudley mit den Armen über dem Gesicht hinausgerannt waren, knallte Onkel Vernon die Tür zu. Sie konnten die Briefe immer noch in die Küche rauschen und gegen die Wände und den Fußboden klatschen hören.
»Das reicht«, sagte Onkel Vernon. Er versuchte ruhig zu sprechen, zog Jedoch gleichzeitig große Haarbüschel aus seinem Schnurrbart. »Ich möchte, dass ihr euch alle in fünf Minuten hier einfindet, bereit zur Abreise. Wir gehen. Packt ein paar Sachen ein. Und keine Widerrede!«
Mit nur einem halben Schnurrbart sah er so gefährlich aus, dass niemand ein Wort zu sagen wagte. Zehn Minuten später hatten sie sich durch die brettervernagelten Türen gezwängt, saßen im Wagen und sausten in Richtung Autobahn davon. Auf dem Rücksitz wimmerte Dudley vor sich hin; sein Vater hatte ihm links und rechts eine geknallt, weil er sie aufgehalten hatte mit dem Versuch, seinen Fernseher, den Videorecorder und den Computer in seine Sporttasche zu packen.
Sie fuhren. Und sie fuhren. Selbst Tante Petunia wagte nicht zu fragen, wo sie denn hinfuhren. Hin und wieder machte Onkel Vernon scharf kehrt und fuhr dann eine Weile in die entgegengesetzte Richtung.
»Schüttel sie ab ... schüttel sie ab«, murmelte er immer dann, wenn er umkehrte.
Den ganzen Tag über hielten sie nicht einmal an, um etwas zu essen oder zu trinken. Als die Nacht hereinbrach, war Dudley am Brüllen. In seinem ganzen Leben hatte er noch nie einen so schlechten Tag gehabt. Er war hungrig, er hatte fünf seiner Lieblingssendungen im Fernsehen verpasst, und er hatte noch nie so lange Zeit verbracht, ohne am Computer einen Außerirdischen in die Luft zu Jagen.
Endlich machte Onkel Vernon vor einem düster aussehenden Hotel am Rande einer großen Stadt Halt. Dudley und Harry teilten sich ein Zimmer mit Doppelbett und feuchten, niedrigen Decken. Dudley schnarchte, aber Harry blieb wach. Er saß an der Fensterbank, blickte hinunter auf die Lichter der vorbeifahrenden Autos und dachte lange nach ...
Am nächsten Morgen frühstückten sie muffige Cornflakes und kalte Dosentomaten auf Toast. Kaum waren sie fertig, trat die Besitzerin des Hotels an ihren Tisch.
»Verzeihn Sie, aber ist einer von Ihnen Mr. H. Potter? Es ist nur - ich hab ungefähr hundert von diesen Dingern am Empfangsschalter.«
Sie hielt einen Brief hoch, so dass sie die mit grüner Tinte geschriebene Adresse lesen konnten:
Mr. H. Potter
Zimmer 17
Hotel zum Bahnblick
Cokeworth
Harry schnappte nach dem Brief doch Onkel Vernon schlug seine Hand weg. Die Frau starrte sie an.
»Ich nehme sie«, sagte Onkel Vernon, stand rasch auf und folgte ihr aus dem Speisezimmer.
»Wäre es nicht besser, wenn wir einfach nach Hause fahren würden, Schatz?«, schlug Tante Petunia einige Stunden später mit schüchterner Stimme vor. Doch Onkel Vernon schien sie nicht zu hören. Keiner von ihnen wusste, wonach genau er suchte. Er fuhr sie in einen Wald hinein, stieg aus, sah sich um, schüttelte den Kopf, setzte sich wieder ins Auto, und weiter ging's. Dasselbe geschah inmitten eines umgepflügten Ackers, auf halbem Weg über eine Hängebrücke und auf der obersten Ebene eines mehrstöckigen Parkhauses.
»Daddy ist verrückt geworden, nicht wahr?«, fragte Dudley spät am Nachmittag mit dumpfer Stimme Tante Petunia. Onkel Vernon hatte an der Küste geparkt, sie alle im Wagen eingeschlossen und war verschwunden.
Es begann zu regnen. Große Tropfen klatschten auf das Wagendach. Dudley schniefte.
»Es ist Montag«, erklärte er seiner Mutter »Heute kommt der Große Humberto. Ich will dahin, wo sie einen Fernseher haben.«
Montag. Das erinnerte Harry an etwas. Wenn es Montag war - und meist konnte man sich auf Dudley verlassen, wenn es um die Wochentage ging, und zwar wegen des Fernsehens -, dann war morgen Dienstag, Harrys elfter Geburtstag. Natürlich waren seine Geburtstage nie besonders lustig gewesen - letztes Jahr hatten ihm die Dursleys einen Kleiderbügel und ein Paar alte Socken von Onkel Vernon geschenkt. Trotzdem, man wird nicht Jeden Tag elf.
Onkel Vernon kam zurück mit einem Lächeln auf dem Gesicht. In den Händen trog er ein langes, schmales Paket, doch auf Tante Petunias Frage, was er gekauft habe, antwortete er nicht.
»Ich habe den idealen Platz gefunden!«, sagte er. »Kommt! Alle aussteigen!«
Draußen war es sehr kalt. Onkel Vernon wies hinaus aufs Meer, wo in der Ferne ein großer Felsen zu erkennen war. Auf diesem Felsen thronte die schäbigste kleine Hütte, die man sich vorstellen kann. Eins war sicher, einen Fernseher gab es dort nicht.
»Sturmwarnung für heute Nacht!«, sagte Onkel Vernon schadenfroh und klatschte in die Hände. »Und dieser Gentleman hier hat sich freundlicherweise bereit erklärt, uns sein Boot zu leihen!«
Ein zahnloser alter Mann kam auf sie zugehumpelt und deutete mit einem recht verschmitzten Grinsen auf ein altes Ruderboot im stahlgrauen Wasser unter ihnen.
»Ich hab uns schon einige Futterrationen besorgt«, sagte Onkel Vernon, »also alles an Bord!«
Im Boot war es bitterkalt. Eisige Gischt und Regentropfen krochen ihnen die Rücken hinunter und ein frostiger Wind peitschte über ihre Gesichter Nach Stunden, so kam es ihnen vor, erreichten sie den Fels, wo sie Onkel Vernon rutschend und schlitternd zu dem heruntergekommenen Haus führte.
Innen sah es fürchterlich aus; es stank durchdringend nach Seetang, der Wind pfiff durch die Ritzen der Holzwände und die Feuerstelle war nass und leer. Es gab nur zwei Räume.
Onkel Vernons Rationen stellten sich als eine Packung Kräcker für Jeden und vier Bananen heraus. Er versuchte ein Feuer zu machen, doch die leeren Kräcker-Schachteln gaben nur Rauch von sich und schrumpelten zusammen.
»Jetzt könnte ich ausnahmsweise mal einen dieser Briefe gebrauchen, Leute«, sagte er fröhlich.
Er war bester Laune. Offenbar glaubte er, niemand hätte eine Chance, sie hier im Sturm zu erreichen und die Post zuzustellen. Harry dachte im Stillen das Gleiche, doch der Gedanke munterte ihn überhaupt nicht auf
Als die Nacht hereinbrach, kam der versprochene Sturm um sie herum mächtig in Fahrt. Gischt von den hohen Wellen spritzte gegen die Wände der Hütte und ein zorniger Wind rüttelte an den schmutzigen Fenstern. Tante Petunia fand ein paar nach Aal riechende Leintücher und machte Dudley auf dem mottenzerfressenen Sofa ein Bett zurecht. Sie und Onkel Vernon gingen ins zerlumpte Bett nebenan, und Harry musste sich das weichste Stück Fußboden suchen und sich unter der dünnsten, zerrissensten Decke zusammenkauern.
Die Nacht rückte vor und immer wütender blies der Sturm. Harry konnte nicht schlafen. Er bibberte und wälzte sich hin und her, um es sich bequemer zu machen, und sein Magen röhrte vor Hunger. Dudleys Schnarchen ging im rollenden Donnern unter, das um Mitternacht anhob. Der Leuchtzeiger von Dudleys Uhr, die an seinem dicken Handgelenk vom Sofarand herunterbaumelte, sagte Harry, dass er in zehn Minuten elf Jahre alt sein würde. Er lag da und sah zu, wie sein Geburtstag tickend näher rückte. Ob die Dursleys überhaupt an ihn denken würden?, fragte er sich. Wo der Briefeschreiber Jetzt wohl war?
Noch fünf Minuten. Harry hörte draußen etwas knacken. Hoffentlich kam das Dach nicht herunter, auch wenn ihm dann vielleicht wärmer sein würde. Noch vier Minuten. Vielleicht war das Haus am Ligusterweg, wenn sie zurückkamen, so voll gestopft mit Briefen, dass er auf die eine oder andere Weise einen davon stibitzen konnte.
Noch drei Minuten. War es das Meer, das so hart gegen die Felsen schlug? und (noch zwei Minuten) was war das für ein komisches, mahnendes Geräusch? Zerbrach der Fels und stürzte ins Meer?
Noch eine Minute und er war elf Dreißig Sekunden ... zwanzig ... zehn ... neun - vielleicht sollte er Dudley aufwecken, einfach um ihn zu ärgern - drei ... zwei ... eine -
BUMM BUMM.
Die ganze Hütte erzitterte. Mit einem Mal saß Harry kerzengerade da und starrte auf die Tür. Da draußen war Jemand und klopfte.
Der Hüter der Schlüssel
BUMM, BUMM. Wieder klopfte es. Dudley schreckte aus dem Schlaf
»Wo ist die Kanone?«, sagte er dumpf.
Hinter ihnen hörten sie ein lautes Krachen. Onkel Vernon kam hereingestolpert. In den Händen hielt er ein Gewehr - das war also in dem langen, schmalen Paket gewesen, das er mitgebracht hatte.
»Wer da?«, rief er. »Ich warne Sie - ich bin bewaffnet!«
Einen Augenblick lang war alles still. Dann -
SPLITTER!
Die Tür wurde mit solcher Wucht getroffen, dass sie glattweg aus den Angeln sprang und mit einem ohrenbetäubenden Knall auf dem Boden landete.
In der Türöffnung stand ein Riese von Mann. Sein Gesicht war fast gänzlich von einer langen, zottigen Haarmähne und einem wilden, struppigen Bart verdeckt, doch man konnte seine Augen erkennen, die unter all dem Haar schimmerten wie schwarze Käfer.
Dieser Riese zwängte sich in die Hütte, den Rücken gebeugt, so dass sein Kopf die Decke nur streifte. Er bückte sich, stellte die Tür aufrecht und setzte sie mit leichter Hand wieder in den Rahmen ein. Der Lärm des Sturms draußen ließ etwas nach. Er wandte sich um und blickte sie an.
»Könnte 'ne Tasse Tee vertragen. War keine leichte Reise...«
Er schritt hinüber zum Sofa, auf dem der vor Angst versteinerte Dudley saß.
»Beweg dich, Klops«, sagte der Fremde.
Dudley quiekte und rannte hinter den Rücken seiner Mutter, die sich voller Angst hinter Onkel Vernon zusammenkauerte.
»Und hier ist Harry«, sagte der Riese.
Harry blickte hinauf in sein grimmiges, wildes Gesicht und sah, dass sich die Fältchen um seine Käferaugen zu einem Lächeln gekräuselt hatten.
»Letztes Mal, als ich dich gesehen hab, warst du noch 'n Baby«, sagte der Riese. »Du siehst deinem Vater mächtig ähnlich, aber die Augen hast du von deiner Mum.«
Onkel Vernon gab ein merkwürdig rasselndes Geräusch von sich. »Ich verlange, dass Sie auf der Stelle verschwinden!«. sagte er. »Das ist Hausfriedensbruch!«
»Aach, halt den Mund, Dursley, du Oberpflaume«, sagte der Riese. Er streckte den Arm über die Sofalehne hinweg, riss das Gewehr aus Onkel Vernons Händen, verdrehte den Lauf - als wäre er aus Gummi - zu einem Knoten und warf es in die Ecke.
Onkel Vernon gab abermals ein merkwürdiges Geräusch von sich, wie eine getretene Maus.
»Dir Jedenfalls, Harry«, sagte der Riese und kehrte den Dursleys den Rücken zu, »einen sehr herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag. Hab hier was für dich - vielleicht hab ich zwischendurch mal draufgesessen, aber er schmeckt sicher noch gut.«
Aus der Innentasche seines schwarzen Umhangs zog er eine etwas eingedellte Schachtel. Harry öffnete sie mit zitternden Fingern. Ein großer, klebriger Schokoladenkuchen kam zum Vorschein, auf dem mit grünem Zuckerguss Herzlichen Glückwunsch, Harry geschrieben stand.
Harry sah zu dem Riesen auf Er wollte eigentlich danke sagen, aber auf dem Weg zum Mund gingen ihm die Worte verloren, und stattdessen sagte er: »Wer bist du?«
Der Riese gluckste.
»Wohl wahr, hab mich nicht vorgestellt. Rubeus Hagrid, Hüter der Schlüssel und Ländereien von Hogwarts.«
Er streckte eine gewaltige Hand aus und schüttelte Harrys ganzen Arm.
»Was ist nun eigentlich mit dem Tee?«, sagte er und rieb sich die Hände. »Würd nicht nein sagen, wenn er 'n bisschen stärker wär, wenn du verstehst, was ich meine.«
Sein Blick fiel auf einen Korb mit den zusammengeschrumpften Kräcker-Schachteln und er schnaubte. Er beugte sich zur Feuerstelle hinunter; sie konnten nicht sehen, was er tat, doch als er sich einen Moment später aufrichtete, prasselte dort ein Feuer. Es erfüllte die ganze feuchte Hütte mit flackerndem Licht, und Harry fühlte die Wärme über sein Gesicht fließen, als ob er in ein heißes Bad getaucht wäre.
Der Riese setzte sich wieder auf das Sofa das unter seinem Gewicht einknickte, und begann dann alle möglichen Dinge aus den Taschen seines Umhangs zu ziehen: einen Kupferkessel, eine platt gedrückte Packung Würstchen, einen Schürhaken, eine Teekanne, einige ineinander gesteckte Becher und eine Flasche mit einer bernsteinfarbenen Flüssigkeit, aus der er sich einen Schluck genehmigte, bevor der Tee zu kochen begann. Bald war die Hütte erfüllt von dem Duft der brutzelnden Würste. Während der Riese arbeitete, sagte niemand ein Wort, doch als er die ersten sechs fetten, saftigen, leicht angekokelten Würste vom Rost nahm, zappelte Dudley ein wenig. Onkel Vernon fauchte ihn an: »Dudley, du rührst nichts von dem an, was er dir gibt.«
Der Riese gab ein dunkles Glucksen von sich.
»Dein großer Pudding von einem Sohn muss nicht mehr gemästet werden, Dursley, keine Panik.«
Er reichte die Würstchen Harry, der so hungrig war, dass es ihm vorkam, als hätte er noch nie etwas Wundervolleres gekostet, doch immer noch konnte er den Blick nicht von dem Riesen abwenden. Schließlich, da offenbar niemand etwas zu erklären schien, sagte er: »Tut mir Leid, aber ich weiß immer noch nicht richtig, wer du bist.«
Der Riese nahm einen großen Schluck Tee und wischte sich mit dem Handrücken den Mund.
»Nenn mich Hagrid«, sagte er, »das tun alle. Und wie ich dir schon gesagt hab, bin ich der Schlüsselhüter von Hogwarts - über Hogwarts weißt du natürlich alles.«
»Ähm - nein«, sagte Harry.
Hagrid sah schockiert aus.
»Tut mir Leid«, sagte Harry rasch.
»Tut dir Leid?«, bellte Hagrid und wandte sich zu den Dursleys um mit einem Blick, der sie in die Schatten zurückweichen ließ. »Denen sollte es Leid tun. Ich wusste, dass du deine Briefe nicht kriegst, aber ich hätt nie gedacht, dass du nicht mal von Hogwarts weißt, das is Ja zum Heulen! Hast du dich nie gefragt, wo deine Eltern das alles gelernt haben?«
»Alles was?«, fragte Harry.
»ALLES WAS?«, donnerte Hagrid. »Nu mal langsam!«
Er war aufgesprungen. In seinem Zorn schien er die ganze Hütte auszufüllen. Die Dursleys kauerten sich an die Wand.
»Wollt ihr mir etwa sagen«, knurrte er sie an, »dass dieser Junge - dieser Junge! - nichts von - von NICHTS weiß?«
Das ging Harry doch ein wenig zu weit. Immerhin ging er zur Schule und hatte keine schlechten Noten.
»Ich weiß schon einiges«, sagte er. »Ich kann nämlich Mathe und solche Sachen.«
Doch Hagrid tat dies mit einer Handbewegung ab und sagte: »Über unsere Welt, meine ich. Deine Welt. Meine Welt. Die Welt von deinen Eltern.«
»Welche Welt?«
Hagrid sah aus, als würde er gleich explodieren.
»DURSLEY!«, dröhnte er.
Onkel Vernon, der ganz blass geworden war, flüsterte etwas, das sich anhörte wie »Mimbelwimbel«. Hagrid starrte Harry mit wildem Blick an.
»Aber du musst doch von Mum und Dad wissen«, sagte er. »Ich meine, sie sind berühmt. Du bist berühmt.«
»Was? Mum und Dad waren doch nicht berühmt!«
»Du weißt es nicht ... du weißt es nicht ...« Hagrid fuhr sich mit den Fingern durch die Haare und fixierte Harry mit einem bestürzten Blick.
»Du weißt nicht, was du bist?«, sagte er schließlich.
Onkel Vernon fand plötzlich seine Stimme wieder.
»Aufhören«, befahl er, »hören Sie sofort auf, Sir! Ich verbiete Ihnen, dem Jungen irgendetwas zu sagen!«
Auch ein mutigerer Mann als Vernon Dursley wäre unter dem zornigen Blick Hagrids zusammengebrochen; als Hagrid sprach, zitterte Jede Silbe vor Entrüstung.
»Du hast es ihm nie gesagt? Ihm nie gesagt, was in dem Brief stand, den Dumbledore für ihn dagelassen hat? Ich war auch dabei! Ich hab gesehen, wie Dumbledore ihn dort hingelegt hat, Dursley! Und du hast ihn Harry all die Jahre vorenthalten?«
»Was vorenthalten?«, fragte Harry begierig.
»AUFHÖREN! ICH VERBIETE ES IHNEN!«, schrie Onkel Vernon in Panik.
Tante Petunia schnappte vor Schreck nach Luft.
»Aach, kocht eure Köpfe doch im eigenen Saft, ihr beiden«. sagte Hagrid. »Harry, du bist ein Zauberer.«
In der Hütte herrschte mit einem Mal Stille. Nur das Meer und das Pfeifen des Winds waren noch zu hören.
»Ich bin ein was?«
»Ein Zauberer, natürlich«, sagte Hagrid und setzte sich wieder auf das Sofa, das unter Ächzen noch tiefer einsank. »Und ein verdammt guter noch dazu, würde ich sagen, sobald du mal 'n bisschen Übung hast. Was solltest du auch anders sein, mit solchen Eltern wie deinen? Und ich denk, 's ist an der Zeit, dass du deinen Brief liest.«
Harry streckte die Hand aus und nahm endlich den gelblichen Umschlag, der in smaragdgrüner Schrift adressiert war an Mr. H. Potter, Der Fußboden, Hütte-auf-dem-Fels, Das Meer. Er zog den Brief aus dem Umschlag und las:
HOGWARTS-SCHULE FÜR HEXEREI UND ZAUBEREI
Schulleiter: Albus Dumbledore
(Orden der Merlin, Erster Klasse, Großz., Hexenmst.
Ganz hohes Tier, Internationale Vereinig. d. Zauberer)
Sehr geehrter Mr. Potter, wir freuen uns, Ihnen mitteilen zu können, dass Sie an der Hogwarts-Schule für Hexerei und Zauberei aufgenommen sind. Beigelegt finden Sie eine Liste aller benötigten Bücher und Ausrüstungsgegenstände.
Das Schuljahr beginnt am 1. September. Wir erwarten Ihre Eule spätestens am 31. Juli.
Mit freundlichen Grüßen
Minerva McGonagall
Stellvertretende Schulleiterin
Wie ein Feuerwerk expldierten Fragen in Harrys Kopf, und er konnte sich, nicht entscheiden, welche er zuerst stellen sollte. Nach ein paar Minuten stammelte er: »Was soll das heißen, sie erwarten eine Eule?«
»Galoppierende Gorgonen, da fällt mir doch ein ...«, sagte Hagrid und schlug sich mit solcher Wucht die Hand gegen die Stirn, dass es einen Brauereigaul umgehauen hätte. Aus einer weiteren Tasche im Innern seines Umhangs zog er eine Eule hervor. eine echte, lebende, recht zerzaust aussehende Eule - wie einen langen Federkiel und eine Pergamentrolle. Mit der Zunge zwischen den Lippen kritzelte er eine Notiz. Für Harry standen die Buchstaben zwar auf dem Kopf, dennoch konnte er sie lesen:
Sehr geehrterN1r. Dumbledore, ich habe Harry seinen Brief überreicht. Nehme ihn morgen mit, um seine Sachen einzukaufen.
Wetter ist fürchterlich. hoffe, Sie sind wohlauf Hagrid
Hagrid rollte die Nachricht zusammen, übergab sie der Eule, die sie in deren Schnabel klemmte, ging zur Tür und schleuderte die Eule hinaus in den Sturm. Dann kam er zurück und setzte sich, als hätte er nur mal kurz telefoniert.
Harry bemerkte, dass ihm der Mund offen stand, und klappte ihn rasch zu.
»Wo war ich gerade?«, sagte Hagrid, doch in diesem Augenblick trat Onkel Vernon, immer noch aschfahl, doch sehr zornig aussehend, in das Licht des Kaminfeuers.
»Er bleibt hier«. sagte c.
Hagrid grunzte.
»Das möchte ich sehen, wie ein so großer Muggel wie du ihn aufhalten will, sagte er.
»Ein was?«, fragte Harry neugierig.
»Ein Muggel«, sagte Hagrid, »so nennen wir Leute wie ihn, die nicht zu den Magiern gehören. Und es ist dein Pech, dass du in einer Familie der größten Muggel aufgewachsen bist, die ich Je gesehen habe.«
»Als wir ihn aufnahmen, haben wir geschworen, diesem Blödsinn ein Ende zu setzen«, sagte Onkel Vernon, »geschworen, es ihm auszubläuen! Zauberer, in der Tat!«
»Ihr habt es gewusst?«, sagte Harry, »ihr habt gewusst, dass ich ein - ein Zauberer bin?«
»Gewusst!«, schrie Tante Petunia plötzlich auf, »gewusst! Natürlich haben wies gewusst! Wie denn auch nicht, wenn meine vermaledeite Schwester so eine war? Sie hat nämlich genau den gleichen Brief bekommen und ist dann in diese - diese Schule verschwunden und kam in den Ferien Jedes Mal mit den Taschen voller Froschlaich nach Hause und hat Teetassen in Ratten verwandelt. Ich war die Einzige, die klar erkannt hat, was sie wirklich war - eine Missgeburt. Aber bei Mutter und Vater, o nein, da hieß es Lily hier und Lily da, sie waren stolz, eine Hexe in der Familie zu haben!«
Sie hielt inne, um tief Luft zu holen, und fing dann erneut an zu schimpfen. Es schien, als ob sie das schon all die Jahre hatte loswerden wollen.
e Dann hat sie diesen Potter an der Schule getroffen, und sie sind weggegangen und haben geheiratet und haben dich bekommen, und natürlich wusste ich, dass du genau so einer sein würdest, genauso seltsam, genauso - unnormal, und dann, bitte schön, hat sie es geschafft, sich in die Luft zu Jagen, und wir mussten uns plötzlich mit dir herumschlagen!«
Harry war ganz bleich geworden. Sobald er seine Stimme gefunden hatte, sagte er: »In die Luft gejagt? Du hast mir erzählt, dass sie bei einem Autounfall gestorben sind!«
»AUTOUNFALL!«, donnerte Hagrid und sprang so wütend auf, dass die Dursleys sich in ihre Ecke verdrückten. »Wie könnten Lily und James Potter in einem Auto ums Leben kommen? Das ist eine Schande! Ein Skandal! Harry Potter kennt nicht mal seine eigene Geschichte, wo doch Jedes Kind in unserer Welt seinen Namen weiß!«
»Warum eigentlich? Was ist passiert?«, fragte Harry drängend.
Der Zorn wich aus Hagrids Gesicht. Plötzlich schien er etwas zu fürchten.
»Das hätte ich nie erwartet«, sagte er mit leiser, besorgter Stimme. »Als Dumbledore sagte, du könntest in Schwierigkeiten geraten, hatte ich keine Ahnung, wie wenig du weißt. Ach, Harry, vielleicht bin ich nicht der Richtige, um es dir zu sagen - aber einer muss es tun -und du kannst nicht nach Hogwarts gehen, ohne es zu wissen.«
Er warf den Dursleys einen finsteren Blick zu.
»Nun, es ist am besten, wenn du so viel weißt, wie ich dir sagen kann - aber natürlich kann ich dir nicht alles sagen, es ist ein großes Geheimnis, manches davon Jedenfalls ...«
Er setzte sich, starrte einige Augenblicke lang ins Feuer und sagte dann: »Es fängt, glaube ich, mit - mit einem Typen namens - aber es ist unglaublich, dass du seinen Namen nicht kennst, in unserer Welt kennen ihn alle -«
»Wen?«
»Nun Ja, ich nenn den Namen lieber nicht, wenn's nicht unbedingt sein muss. Keiner tut's.«
»Warum nicht?«
»Schluckende Wasserspeier, Harry, die Leute haben immer noch Angst. Verflucht, ist das schwierig. Sieh mal, da war dieser Zauberer, der ... böse geworden ist. So böse, wie es nur geht. Schlimmer noch. Schlimmer als schlimm. Sein Name war ...«
Hagrid würgte, aber kein Wort kam hervor.
»Könntest du es aufschreiben?«. schlug Harry vor.
»Nöh - kann ihn nicht buchstabieren. Na gut - Voldemort.« Hagrid erschauerte. »Zwing mich nicht, das noch mal zu sagen. Jedenfalls, dieser - dieser Zauberer hat vor etwa zwanzig Jahren begonnen, sich Anhänger zu suchen. Und die hat er auch bekommen - manche hatten Angst, manche wollten einfach ein wenig von seiner Macht, denn er verschaffte sich viel Macht, das muss man sagen. Dunkle Zeiten, Harry. Wussten nicht, wem wir trauen sollten, wagten nicht, uns mit fremden Zauberern oder Hexen anzufreunden ... Schreckliche Dinge sind passiert. Er hat die Macht übernommen. Klar haben sich einige gewehrt -und er hat sie umgebracht. Furchtbar. Einer der wenigen sicheren Orte, die es noch gab, war Hogwarts. Vermute, Dumbledore war der Einzige, vor dem Du-weißt-schon-wer Angst hatte. Hat es nicht gewagt, die Schule einzusacken, damals Jedenfalls nicht.
Nun waren deine Mum und dein Dad als Hexe und Zauberer so gut, wie ich noch niemanden gekannt hab. Zu ihrer Zeit die Klassenbesten in Hogwarts! Für mich ist es ein großes Rätsel, warum Du-weißt-schon-wer nie versucht hat, sie auf seine Seite zu bringen ... Hat wohl gewusst, dass sie Dumbledore zu nahe waren, um etwas mit der dunklen Seite zu tun haben zu wollen.
Vielleicht hat er geglaubt, er könne sie überreden ... Vielleicht hat er sie auch nur aus dem Weg haben wollen. Alles, was man weiß, ist, dass er in dem Dorf auftauchte, wo ihr alle gelebt habt, an Halloween vor zehn Jahren. Du warst gerade mal ein Jahr alt. Er kam in euer Haus und -und -«
Hagrid zog plötzlich ein sehr schmutziges, gepunktetes Taschentuch hervor und schnäuzte sich laut wie ein Nebelhorn die Nase.
»Tut mir Leid«, sagte er. »Aber es ist so traurig - hab deine Mum und deinen Dad gekannt, und nettere Menschen hast du einfach nicht finden können, Jedenfalls - Du-weißt-schon-wer hat sie getötet. Und dann - und das ist das eigentlich Geheimnisvolle daran - hat er versucht, auch dich zu töten. Wollte reinen Tisch machen, denk ich, oder hatte inzwischen einfach Spaß am Töten. Aber er konnte es nicht. Hast du dich nie gefragt, wie du diese Narbe auf der Stirn bekommen hast? Das war kein gewöhnlicher Schnitt. Das kriegst du, wenn ein mächtiger, böser Fluch dich berührt -hat sogar bei deiner Mum und deinem Dad geklappt - aber nicht bei dir, und darum bist du berühmt, Harry. Keiner hat es Überlebt, wenn er einmal beschlossen hat, Jemanden zu töten, keiner außer dir, und er hatte einige der besten Hexen und Zauberer der Zeit getötet - die McKinnons, die Bones, die Prewetts - und du warst nur ein Baby, aber du hast überlebt.«
In Harrys Kopf spielte sich etwas sehr Schmerzhaftes ab. Als Hagrid mit der Geschichte ans Ende kam, sah er noch einmal den blendend hellen, grünen Blitz vor sich, deutlicher als Jemals zuvor - und er erinnerte sich zum ersten Mal im Leben an etwas anderes - an ein höhnische, kaltes, grausames Lachen.
Hagrid betrachtete ihn traurig.
»Hab dich selbst aus dem zerstörten Haus geholt, auf Dumbledores Befehl hin. Hab dich zu diesem Pack hier gebracht ...«
»Lauter dummes Zeug«, sagte Onkel Vernon. Harry schreckte auf, er hatte fast vergessen, dass die Dursleys auch noch da waren. Onkel Vernon hatte offenbar seine
Courage wiedergewonnen. Die Fäuste geballt, sah er Harry mit finsterem Blick an.
»Jetzt hörst du mir mal zu, Kleiner«, schnauzte er. »Mag sein, dass es etwas Seltsames mit dir auf sich hat, vermutlich nichts, was nicht durch ein paar saftige Ohrfeigen hätte kuriert werden können - und was diese Geschichte mit deinen Eltern angeht, nun, sie waren eben ziemlich verrückt, und die Weit ist meiner Meinung nach besser dran ohne sie. Haben's Ja nicht anders gewollt, wenn sie sich mit diesem Zaubererpack eingelassen haben - genau was ich erwartet hab, ich hab immer gewusst, dass es mit ihnen kein gutes Ende nehmen würde -«
Doch in diesem Augenblick sprang Hagrid vom Sofa und zog einen zerfledderten rosa Schirm aus seinem Umhang. Wie ein Schwert hielt er ihn Onkel Vernon entgegen und sagte: »Ich warne dich, Dursley - ich warne dich -noch ein Wort ...«
Nun, da Onkel Vernon Gefahr lief, vom Schirm eines bärtigen Riesen aufgespießt zu werden, verließ ihn der Mut wieder; er drückte sich gegen die Wand und verstummte .
»Schon besser so«, sagte Hagrid schwer atmend und setzte sich aufs Sofa zurück, das sich diesmal bis auf den Boden durchbog.
Harry lagen unterdessen immer noch Fragen auf der Zunge, hunderte von Fragen.
»Aber was geschah mit Vol-, 'tschuldigung - ich meine Du-weißt-schon-wer?«
»Gute Frage, Harry. Ist verschwunden. Wie vom Erdboden verschluckt. Noch in der Nacht als er versucht hat, dich zu töten. Macht dich noch berühmter. Das ist das größte Geheimnis, weißt du ... Er wurde immer mächtiger - warum hätte er gehen sollen?
Manche sagen, er sei gestorben. Stuss, wenn du mich fragst. Weiß nicht, ob er noch genug Menschliches in sich hatte, um sterben zu können. Manche sagen, er sei immer noch irgendwo dort draußen und warte nur auf den rechten Augenblick, aber das glaub ich nicht. Leute, die auf seiner Seite waren, sind zu uns zurückgekommen. Manche sind aus einer Art Trance erwacht. Glaub nicht, dass sie es geschafft hätten, wenn er vorgehabt hätte zurückzukommen.
Die meisten von uns denken, dass er immer noch irgendwo da draußen ist, aber seine Macht verloren hat. Zu schwach, um weiterzumachen. Denn etwas an dir, Harry, hat ihm den Garaus gemacht. In Jener Nacht geschah etwas, mit dem er nicht gerechnet hatte - weiß nicht, was es war, keiner weiß es -, aber etwas an dir hat er nicht gepackt, und das war7s.«
Hagrid betrachtete Harry voller Wärme und Hochachtung, doch Harry fühlte sich nicht froh und stolz deswegen, sondern war sich ganz sicher, dass es sich hier um einen fürchterlichen Irrtum handeln musste. Ein Zauberer? Er? Wie sollte das möglich sein? Sein Leben lang hatte er unter den Schlägen Dudleys gelitten und war von Tante Petunia und Onkel Vernon schikaniert worden; wenn er wirklich ein Zauberer war, warum hatten sie sich nicht Jedes Mal, wenn sie versucht hatten, ihn in den Schrank einzuschließen, in warzige Kröten verwandelt? Wenn er einst den größten Hexer der Welt besiegt hatte, wie konnte ihn dann Dudley immer herumkicken wie einen Fußball?
»Hagrid«, sagte er leise, »du musst einen Fehler gemacht haben. Ich kann unmöglich ein Zauberer sein.«
Zu seiner Überraschung gluckste Hagrid.
»Kein Zauberer, was? Nie Dinge geschehen lassen, wenn du Angst hattest oder wütend warst?«
Harry blickte ins Feuer. Nun, da er darüber nachdachte ... Alle seltsamen Dinge, die Onkel und Tante auf die Palme gebracht hatten, waren geschehen, als er, Harry, aufgebracht oder zornig gewesen war ... Auf der Flucht vor Dudleys Bande war er manchmal einfach nicht zu fassen gewesen ... Manchmal, wenn er mit diesem lächerlichen Haarschnitt partout nicht hatte zur Schule gehen wollen, hatte er es geschafft, dass sein Haar rasch nachwuchs ... Und das letzte Mal, als Dudley ihn gestoßen hatte, da hatte er doch seine Rache bekommen, ohne auch nur zu wissen, was er tat? Hatte er nicht eine Boa constrictor auf ihn losgelassen?
Harry wandte sich erneut Hagrid zu und lächelte, und er sah, dass Hagrid ihn geradezu anstrahlte.
»Siehst du?«e sagte Hagrid. »Harry Potter und kein Zauberer - wart nur ab, und du wirst noch ganz berühmt in Hogwarts.«
Doch Onkel Vernon würde nicht kampflos aufgeben.
»Hab ich Ihnen nicht gesagt, der Junge bleibt hier?«, zischte er. »Er geht auf die Stonewall High und wird dafür dankbar sein. Ich habe diese Briefe gelesen, und er braucht allen möglichen Nonsens - und Zauberspruchfibeln und Zauberstäbe und -«
»Wenn er gehen will, wird ihn ein großer Muggel wie du nicht aufhalten können«, knurrte Hagrid. »Lily und James Potters Sohn von Hogwarts fernhalten! Du bist Ja verrückt. Sein Name ist vorgemerkt, schon seit seiner Geburt. Er geht bald auf die beste Schule für Hexerei und Zauberei auf der ganzen Welt. Nach sieben Jahren dort wird er sich nicht mehr wiedererkennen. Er wird dort mit Jungen Leuten seinesgleichen zusammen sein, zur Abwechslung mal, und er wird unter dem größten Schulleiter lernen, den Hogwarts Je gesehen hat, Albus Dumbled-«
»ICH BEZAHLE KEINEN HIRNRISSIGEN ALTEN DUMMKOPF, DAMIT ER IHM ZAUBERTRICKS BEIBRINGT!«, schrie Onkel Vernon.
Doch nun war er endgültig zu weit gegangen. Hagrid packte den Schirm, schwang ihn über seinem Kopf hin und her und polterte: »BELEIDIGE NIE - ALBUS DUMBLEDORE - IN MEINER GEGENWART!«
Pfeifend sauste der Schirm herunter, bis die Spitze auf Dudley gerichtet war - ein Blitz aus violettem Licht, ein Geräusch wie das Knallen eines Feuerwerkskörpers, ein schrilles Kreischen - und schon begann Dudley einen Tanz aufzuführen, mit den Händen auf dem dicken Hintern und heulend vor Schmerz. Gerade, als er ihnen den Rücken zuwandte, sah Harry ein geringeltes Schweineschwänzchen durch ein Loch in seiner Hose hervorpurzeln.
Onkel Vernon tobte. Er zog Tante Petunia und Dudley in den anderen Raum, warf Hagrid einen letzten, angsterfüllten Blick zu und schlug die Tür hinter sich zu.
Hagrid sah auf den Schirm hinab und strich sich über den Bart.
»Hätt die Beherrschung nicht verlieren dürfen«, sagte er reuevoll, »aber es hat ohnehin nicht geklappt. Wollte ihn in ein Schwein verwandeln, aber ich denke, er war einem Schwein so ähnlich, dass es nicht mehr viel zu tun gab.«
Unter seinen buschigen Augenbrauen hervor blickte er Harry von der Seite an.
»Wär dir dankbar, wenn du das niemandem in Hogwarts erzählst«, sagte er. »Ich - ähm - soll eigentlich nicht herumzaubern, um es genau zu nehmen. Ich durfte ein wenig, um dir zu folgen und um dir die Briefe zu bringen und - einer der Gründe, warum ich so scharf auf diesen Job war -«
»Warum sollst du nicht zaubern?«
»Nun Ja - ich war selbst in Hogwarts, doch ich - ähm -man hat mich rausgeworfen, um dir die Wahrheit zu sagen. Im dritten Jahr. Sie haben meinen Zauberstab zerbrochen und alles. Doch Dumbledore hat mich als Wildhüter dabehalten. Großartiger Mann, Dumbledore.«
»Warum hat man dich rausgeworfen?«
»Es wird spät und wir haben morgen viel zu erledigen«, sagte Hagrid laut. »Müssen hoch in die Stadt und dir alle Bücher und Sachen besorgen.«
Er nahm seinen dicken schwarzen Umhang ab und warf ihn Harry zu.
»Kannst drunter pennen«, sagte er. »Mach dir nichts draus, wenn's dadrin ein wenig zappelt, ich glaub, ich hab immer noch ein paar Haselmäuse in den Taschen.«
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