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Der erste Text am 12.5. 2001 um 00:13:56 Uhr schrieb
Richie über Hamlet
Der neuste Text am 20.2. 2013 um 12:34:38 Uhr schrieb
wauz über Hamlet
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am 29.12. 2008 um 14:50:49 Uhr schrieb
Baumhaus über Hamlet

am 19.6. 2006 um 05:54:17 Uhr schrieb
wauz über Hamlet

am 17.4. 2005 um 17:14:58 Uhr schrieb
Jabrekk über Hamlet

Einige überdurchschnittlich positiv bewertete

Assoziationen zu »Hamlet«

arthur schopenhauers pudel schrieb am 10.5. 2002 um 00:33:30 Uhr zu

Hamlet

Bewertung: 2 Punkt(e)


Hamlet
Prinz vom Dänemark


Übersetzt von August Wilhelm von Schlegel






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PERSONEN
KÖNIG CLAUDIUS von Dänemark
HAMLET, Sohn des vorigen und Neffe des gegenwärtigen Königs
POLONIUS, Oberkämmerer
HORATIO, Hamlets Freund
LAERTES, Sohn des Polonius
VOLTIMAND
CORNELIUS
ROSENKRANZ
GÜLDENSTERN
OSRICK
Ein EDELMANN } Hofleute
[Zwei EDELLEUTE]
Ein PRIESTER
MARCELLUS, Offizier
BERNARDO, Offizier
FRANCISCO, ein Soldat [ } Edelleute auf Wache]
REINHOLD, Diener des Polonius
SCHAUSPIELER
Ein [norwegischer] HAUPTMANN
Zwei Spaßmacher, TOTENGRÄBER
[Ein GESANDTER] Englische GESANDTE
Der GEIST von Hamlets Vater
FORTINBRAS, Prinz von Norwegen
KÖNIGIN GERTRUD von Dänemark, Hamlets Mutter
OPHELIA, Tochter des Polonius
Herren und Frauen vom Hofe, Offiziere und Soldaten, Matrosen, [ein Diener, ein Bote. Gefolge] Boten und anderes Gefolge.

Die Szene ist in Helsingör, [nur in der vierten Szene des vierten Aktes eine Ebene in Dänemark]







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ERSTER AKT
ERSTE SZENE

Helsingör. Eine Terrasse vor dem Schlosse

Francisco auf dem Posten, Bernardo tritt auf.

BERNARDO
Wer da?

FRANCISCO
Nein, mir antwortet; steht und gebt Euch kund!

BERNARDO
Lang lebe der König!

FRANCISCO
Bernardo?

BERNARDO
Er selbst.

FRANCISCO
Ihr kommt gewissenhaft auf Eure Stunde.

BERNARDO
Es schlug schon zwölf, mach dich zu Bett, Francisco.

FRANCISCO
Dank für die Ablösung! 's ist bitter kalt,
Und mir ist schlimm zumut.

BERNARDO
War Eure Wache ruhig?

FRANCISCO
Alles mausestill.

BERNARDO
Nun, gute Nacht!
Wenn Ihr auf meine Wachtgefährten stoßt,
Horatio und Marcellus, heißt sie eilen.
[Horatio und Marcellus treten auf.]

FRANCISCO
Ich denk, ich höre sie. - He, halt! Wer da?
Horatio und Marcellus treten auf.

HORATIO
Freund dieses Bodens.

MARCELLUS
Und Vasall des Dänen.

FRANCISCO
Hab gute Nacht!

MARCELLUS
O grüß dich, wackrer Krieger.
Wer hat dich abgelöst?

FRANCISCO
Bernardo hat den Posten.
Habt gute Nacht.
Ab.

MARCELLUS
Holla, Bernardo!

BERNARDO
Sprecht!
He, ist Horatio da?

HORATIO
Ein Stück von ihm.

BERNARDO
Willkommen Euch! Willkommen, Freund Marcellus!

HORATIO
Nun, ist das Ding heut wiederum erschienen?

BERNARDO
Ich habe nichts gesehn.


MARCELLUS
Horatio sagt, es sei nur Einbildung,
Und will dem Glauben keinen Raum gestatten
An dieses Schreckbild, das wir zweimal sahn;
Deswegen hab ich ihn hieher geladen,
Mit uns die Stunden dieser Nacht zu wachen,
Damit, wenn wieder die Erscheinung kommt,
Er unsern Augen zeug und mit ihr spreche.

HORATIO
Pah, pah! Sie wird nicht kommen.

BERNARDO
Setzt Euch denn
Und laßt uns nochmals Euer Ohr bestürmen,
Das so verschanzt ist gegen den Bericht,
Was wir zwei Nächte sahn.

HORATIO
Gut, sitzen wir,
Und laßt Bernardo uns hievon erzählen.

BERNARDO
Die allerletzte Nacht,
Als eben jener Stern, vom Pol gen Westen,
In seinem Lauf den Teil des Himmels hellte,
Wo jetzt er glüht, da sahn Marcell und ich,
Indem die Glocke eins schlug -

MARCELLUS
O still! Halt ein! Sieh, wie's da wieder kommt!
Der Geist kommt, in Waffen.

BERNARDO
Ganz die Gestalt wie der verstorbne König.

MARCELLUS
Du bist gelehrt, sprich du mit ihm, Horatio!

BERNARDO
Siehts nicht dem König gleich? Schau's an, Horatio!

HORATIO
Ganz gleich; es macht mich starr vor Furcht und Staunen.

BERNARDO
Es möchte angeredet sein.

MARCELLUS
Horatio, sprich mit ihm.

HORATIO
Wer bist du, der sich dieser Nachtzeit anmaßt,
Und dieser edlen, kriegrischen Gestalt,
Worin die Hoheit des begrabnen Dänmark
Weiland einherging? Ich beschwöre dich
Beim Himmel, sprich!

MARCELLUS
Es ist beleidigt.

BERNARDO
Seht, es schreitet weg.

HORATIO
Bleib, sprich! Sprich, ich beschwör dich, sprich!
Geist ab.

MARCELLUS
Fort ists und will nicht reden.

BERNARDO
Wie nun, Horatio? Ihr zittert und seht bleich:
Ist dies nicht etwas mehr als Einbildung?
Was haltet Ihr davon?

HORATIO
Bei meinem Gott, ich dürfte dies nicht glauben,
Hätt ich die sichre, fühlbare Gewähr
Der eignen Augen nicht.

MARCELLUS
Siehts nicht dem König gleich?

HORATIO
Wie du dir selbst.
Genau so war die Rüstung, die er trug,
Als er sich mit dem stolzen Norweg maß;
So droht' er einst, als er in harter Zwiesprach
Aufs Eis warf den beschlitteten Polacken.
's ist seltsam.

MARCELLUS
So schritt er, grad um diese dumpfe Stunde,
Schon zweimal kriegrisch unsre Wacht vorbei.

HORATIO
Wie dies bestimmt zu deuten, weiß ich nicht;
Allein soviel ich insgesamt erachte,
Verkündets unserm Staat besondre Gärung.

MARCELLUS
Nun setzt euch, Freunde; sagt mir, wer es weiß,
Warum dies aufmerksame, strenge Wachen
Den Untertan des Landes nächtlich plagt?
Warum wird Tag für Tag Geschütz gegossen
Und in der Fremde Kriegsgerät gekauft?
Warum gepreßt für Werften, wo das Volk
Den Sonntag nicht vom sauren Werktag trennt?
Was gibts, daß diese schweißbetriefte Eil
Die Nacht dem Tage zur Gehülfin macht?
Kann jemand mich belehren?

HORATIO
Ja, ich kanns;
Zum mindsten heißt es so. Der letzte König
Ward, wie Ihr wißt, durch Fortinbras von Norweg,
Den eifersüchtger Stolz dazu gespornt,
Zum Kampf gefordert; unser tapfrer Hamlet
- Denn diese Seite der bekannten Welt
Hielt ihn dafür - schlug diesen Fortinbras,
Der laut dem untersiegelten Vertrag,
Durch Recht und Rittersitte wohl bekräftigt,
Mit seinem Leben alle Länderein,
So er besaß, verwirkte an den Sieger;
Wogegen auch ein angemeßnes Teil
Von unserm König ward zum Pfand gesetzt,
Das Fortinbras anheimgefallen wäre,
Hätt er gesiegt, wie durch denselben Handel
Und Inhalt der besprochnen Punkte seins
An Hamlet fiel. Nun hat Jung Fortinbras
Von unerprobtem Feuer heiß und voll,
An Norwegs Ecken hier und da ein Heer
Landloser Abenteurer aufgerafft,
Für Brot und Kost zu einem Unternehmen,
Das Herz hat; welches denn kein andres ist,
Wie unser Staat das auch gar wohl erkennt,
Als durch die starke Hand und Zwang der Waffen
Die vorbesagten Land' uns abzunehmen,
Die so sein Vater eingebüßt; und dies
Scheint mir der Antrieb unsrer Zurüstungen,
Die Quelle unsrer Wachen und der Grund
Von diesem Treiben und Gewühl im Lande.

BERNARDO
Nichts anders, denk ich, ists als eben dies.
Wohl trifft es zu, daß diese Schreckgestalt
In Waffen unsre Wacht besucht, so ähnlich
Dem König, der der Anlaß dieses Kriegs.

HORATIO
Ein Stäubchen ists, des Geistes Aug zu trüben.
Im höchsten palmenreichsten Stande Roms,
Kurz vor dem Fall des großen Julius, standen
Die Gräber leer, verhüllte Tote schrien
Und wimmerten durch alle römschen Gassen;
Und ebensolche Zeichen grauser Dinge,
Als Boten, die dem Schicksal stets vorangehn,
Und Vorspiel der Entscheidung, die sich naht,
Hat Erd und Himmel insgemein gesandt
An unsern Himmelsstrich und Landsgenossen,
Wie feuergeschweifte Sterne, blutger Tau,
Die Sonne fleckig; und der feuchte Stern,
Des Einfluß waltet in Neptunus' Reich,
Krankt an Verfinstrung wie zum Jüngsten Tag.
[Der Geist kommt wieder.]
Doch still! Schaut, wie's da wieder kommt.
Der Geist kommt wieder.
Ich kreuz es
Und sollt es mich verderben. -
[Er breitet die Arme aus.]
Steh, Phantom,
Hast du Gebrauch der Stimm und einen Laut:
Sprich zu mir!
Ist irgendeine gute Tat zu tun,
Die Ruh dir bringen kann und Ehre mir:
Sprich zu mir!
Bist du vertraut mit deines Landes Schicksal,
Das etwa noch Voraussicht wenden kann:
O sprich!
Und hast du aufgehäuft in deinem Leben
Erpreßte Schätze in der Erde Schoß,
Wofür ihr Geister, sagt man, oft im Tode
Umhergeht,
Der Hahn kräht.
sprich davon! Verweil und sprich!
[Der Hahn kräht.]
Halt es doch auf, Marcellus!

MARCELLUS
Soll ich nach ihm mit der Hellbarde schlagen?

HORATIO
Tu's, wenns nicht stehen will!

BERNARDO
's ist hier!

HORATIO
's ist hier!

MARCELLUS
's ist fort!
Geist ab.
Wir tun ihm Schmach, da es so majestätisch,
Wenn wir den Anschein der Gewalt ihm bieten;
Denn es ist unverwundbar wie die Luft,
Und unsre leeren Streiche foppen uns.

BERNARDO
Es war am Reden, als der Hahn just krähte.

HORATIO
Und da fuhrs auf gleich einem sündgen Wesen
Beim Aufruf zum Gericht. Ich hab gehört,
Der Hahn, der als Trompete dient dem Morgen,
Erweckt mit schmetternder und heller Kehle
Den Gott des Tages, und auf seine Mahnung,
Sei's in der See, im Feur, Erd oder Luft,
Eilt jeder schweifende und irre Geist
In sein Revier; und von der Wahrheit dessen
Gab dieser Gegenstand uns den Beweis.

MARCELLUS
Es schwand erblassend mit des Hahnes Krähn.
Sie sagen, immer, wann die Jahrszeit naht,
Wo man des Heilands Ankunft feiert, singe
Die ganze Nacht durch dieser frühe Vogel;
Dann darf kein Geist umhergehn, sagen sie,
Die Nächte sind gesund, dann trifft kein Stern,
Kein Kobold schweift, noch können Hexen zaubern:
So gnadenvoll und heilig ist die Zeit.

HORATIO
So hört auch ich und glaube dran zum Teil.
Doch seht, der Morgen, angetan mit Purpur,
Betritt den Tau des hohen Hügels dort;
Laßt uns die Wacht abbrechen, und ich rate,
Vertraun wir, was wir diese Nacht gesehn,
Dem jungen Hamlet; denn, bei meinem Leben,
Der Geist, so stumm für uns, ihm wird er reden.
Ihr willigt drein, daß wir ihm dieses melden,
Wie Lieb uns nötigt und der Pflicht geziemt?

MARCELLUS
Ich bitt Euch, tun wir das; ich weiß, wo wir
Ihn am bequemsten heute finden werden.
Alle ab.






ZWEITE SZENE

Helsingör. Ein Staatszimmer im Schlosse

Der König, die Königin, Hamlet, Polonius, Laertes, Voltimand, Cornelius, Herren vom Hofe und Gefolge.

KÖNIG
Wiewohl von Hamlets Tod, des werten Bruders,
Noch das Gedächtnis frisch, und ob es Unserm Herzen
Zu trauern ziemte und dem ganzen Reich,
In eine Stirn des Grames sich zu falten:
So weit hat Urteil die Natur bekämpft,
Daß Wir mit weisem Kummer sein gedenken,
Zugleich mit der Erinnrung an Uns selbst.
Wir haben also Unsre weiland Schwester,
Jetzt Unsre Königin, die hohe Witwe
Und Erbin dieses kriegerischen Staats,
Mit unterdrückter Freude sozusagen,
Mit einem heitern, einem nassen Auge,
Mit Leichenjubel und mit Hochzeitklage,
In gleichen Schalen wägend Leid und Lust,
Zur Eh genommen; haben auch hierin
Nicht Eurer bessern Weisheit widerstrebt,
Die frei Uns beigestimmt. Für alles Dank! -
Nun wißt Ihr, hat der junge Fortinbras
Aus Minderschätzung Unsers Werts und denkend,
Durch Unsers teuren selgen Bruders Tod
Sei Unser Staat verrenkt und aus den Fugen,
Gestützt auf diesen Traum von seinem Vorteil,
Mit Botschaft Uns zu plagen nicht ermangelt
Um Wiedergabe jener Länderein,
Rechtskräftig eingebüßt von seinem Vater
An Unsern tapfern Bruder. - So viel von ihm;
Nun von Uns selbst und Eurer Herberufung.
So lautet das Geschäft: Wir schreiben hier
An Norweg, Ohm des jungen Fortinbras,
Der schwach, bettlägrig, kaum von diesem Anschlag
Des Neffen hört, daß er den fernern Gang
Hierin mög hemmen, da ja doch die Werbung,
Bestand und Zahl der Truppen, alles nur
Aus seinem Volk geschieht; und senden nun
Euch, wackrer Voltimand, und Euch, Cornelius,
Mit diesem Gruß zum alten Norweg hin,
Euch keine weitre Vollmacht übergebend,
Zu handeln mit dem König, als das Maß
Der hier erörterten Artikel zuläßt.
Lebt wohl, und Eil empfehle Euren Eifer!

CORNELIUS und VOLTIMAND
Hier, wie in allem, wollen wir ihn zeigen.

KÖNIG
Wir zweifeln nicht daran. Lebt herzlich wohl! -
Voltimand und Cornelius ab.
Und nun, Laertes, sagt, was bringt Ihr Uns?
Ihr nanntet ein Gesuch; was ists, Laertes?
Ihr könnt nicht von Vernunft dem Dänen reden,
Und Euer Wort verlieren. Kannst du bitten,
Was ich nicht gern gewährt, eh du's verlangt?
Der Kopf ist nicht dem Herzen mehr verwandt,
Die Hand dem Munde dienstgefällger nicht,
Als Dänmarks Thron es deinem Vater ist.
Was wünschest du, Laertes?

LAERTES
Hoher Herr,
Vergünstigung nach Frankreich rückzukehren,
Woher ich zwar nach Dänmark willig kam,
Bei Eurer Krönung meine Pflicht zu leisten;
Doch nun gesteh ich, da die Pflicht erfüllt,
Strebt mein Gedank und Wunsch nach Frankreich hin
Und neigt sich Eurer gnädigen Erlaubnis.

KÖNIG
Erlaubts der Vater Euch? Was sagt Polonius?

POLONIUS
Er hat, mein Fürst, die zögernde Erlaubnis
Mir durch beharrlich Bitten abgedrungen,
Daß ich zuletzt auf seinen Wunsch das Siegel
Der schwierigen Bewilligung gedrückt.
Ich bitt Euch, gebt Erlaubnis ihm zu gehn.

KÖNIG
Nimm deine günstge Stunde: Zeit sei dein,
Mit deinen Gaben nutze sie nach Lust. -
Doch nun, mein Vetter Hamlet und mein Sohn -

HAMLET
beiseit.
Mehr als befreundet, weniger als Freund.

KÖNIG
Wie, hängen stets noch Wolken über Euch?

HAMLET
Nicht doch, mein Fürst, ich habe zuviel Sonne.

KÖNIGIN
Wirf, guter Hamlet, ab die nächtge Farbe
Und laß dein Aug als Freund auf Dänmark sehn.
Such nicht beständig mit gesenkten Wimpern
Nach deinem edlen Vater in dem Staub.
Du weißt, 's ist aller Los: was lebt, muß sterben
Und Ewges nach der Zeitlichkeit erwerben.

HAMLET
Ja, gnädge Frau, 's ist aller Los.

KÖNIGIN
Nun wohl,
Weswegen scheint es so besonders dir?

HAMLET
Scheint, gnädge Frau? Nein, ist; mir gilt kein »scheint«.
Nicht bloß mein düstrer Mantel, gute Mutter,
Noch diese Tracht, nach Brauch von ernstem Schwarz,
Noch stürmisches Geseufz beklemmten Atems,
Noch auch im Auge der ergiebige Strom,
Noch die gebeugte Haltung des Gesichts
Samt aller Sitte, Art, Gestalt des Grames
Ist das, was wahr mich kundgibt; dies scheint wirklich;
Es sind Gebärden, die man spielen könnte.
Was über allen Schein, trag ich in mir;
All dies ist nur des Kummers Kleid und Zier.

KÖNIG
Es ist gar lieb und Eurem Herzen rühmlich, Hamlet,
Dem Vater diese Trauerpflicht zu leisten.
Doch wißt, auch Eurem Vater starb ein Vater,
Dem seiner, und der Nachgelaßne soll
Nach kindlicher Verpflichtung einige Zeit
Die Leichentrauer halten. Doch zu beharren
In eigenwillgen Klagen ist das Tun
Gottlosen Starrsinns, ist unmännlich Leid,
Zeigt einen Willen, der dem Himmel trotzt,
Ein unverschanztes Herz, störrisch Gemüt,
Zeigt blöden, ungelehrigen Verstand.
Wovon man weiß, es muß sein; was gewöhnlich
Wie das Gemeinste, das die Sinne rührt:
Weswegen das in mürrischem Widerstande
Zu Herzen nehmen? Pfui! Es ist Vergehn
Am Himmel; ist Vergehen an dem Toten,
Vergehn an der Natur, vor der Vernunft
Höchst töricht, deren allgemeine Predigt
Der Väter Tod ist und die immer rief
Vom ersten Leichnam bis zum heut verstorbnen:
Dies muß so sein! - Wir bitten, werft zu Boden
Dies unfruchtbare Leid und denkt von Uns
Als einem Vater; denn wissen soll die Welt,
Daß Ihr an Unserm Thron der Nächste seid,
Und mit nicht minder Überschwang der Liebe,
Als seinem Sohn der liebste Vater widmet,
Bin ich Euch zugetan. Was Eure Rückkehr
Zur hohen Schul in Wittenberg betrifft,
So widerspricht sie höchlich Unserm Wunsch,
Und Wir ersuchen Euch: Beliebt zu bleiben
Hier in dem milden Scheine Unsers Auges,
Als Unser erster Hofmann, Vetter, Sohn!

KÖNIGIN
Laß deine Mutter fehl nicht bitten, Hamlet;
Ich bitte, bleib bei uns, geh nicht nach Wittenberg!

HAMLET
Ich will Euch gern gehorchen, gnädge Frau.

KÖNIG
Wohl, das ist eine liebe, schöne Antwort.
Seid wie Wir selbst in Dänmark. - Kommt, Gemahlin!
Dies willge, freundliche Nachgeben Hamlets
Lächelt das Herz mir an, und dem zu Ehren
Soll das Geschütz heut jeden frohen Trunk,
Den Dänmark ausbringt, an die Wolken tragen,
Und wenn der König anklingt, soll der Himmel
Nachdröhnen irdschem Donner. - Kommt mit mir!
[König, Königin, Laertes und Gefolge ab.] Alle außer Hamlet ab.

HAMLET
O schmölze doch dies allzu feste Fleisch,
Zerging' und löst' in einen Tau sich auf!
Oder hätte nicht der Ewge sein Gebot
Gerichtet gegen Selbstmord! O Gott! O Gott!
Wie ekel, schal und flach und unersprießlich
Scheint mir das ganze Treiben dieser Welt!
Pfui, pfui darüber! 's ist ein wüster Garten,
Der auf in Samen schießt; verworfnes Unkraut
Erfüllt ihn gänzlich. Dazu mußt es kommen!
Zwei Mond erst tot! - Nein, nicht soviel, nicht zwei!
Solch trefflicher Monarch, verglichen diesem,
Apoll bei einem Satyr! So meine Mutter liebend,
Daß er des Himmels Winde nicht zu rauh
Ihr Antlitz ließ berühren. Himmel und Erde!
Muß ich gedenken? Hing sie doch an ihm,
Als stieg das Wachstum ihrer Lust mit dem,
Was ihre Kost war. Und doch, in einem Mond -
Laßt michs nicht denken! - Schwachheit, dein Nam ist Weib! -
Ein kurzer Mond; bevor die Schuh verbraucht,
Womit sie meines Vaters Leiche folgte,
Wie Niobe, ganz Tränen - sie, ja sie -
O Himmel, würd ein Tier, das nicht Vernunft hat,
Doch länger trauern! - meinem Ohm vermählt,
Dem Bruder meines Vaters, doch ihm ähnlich,
Wie ich dem Herkules! In einem Mond,
Bevor das Salz höchst frevelhafter Tränen
Der wunden Augen Röte noch verließ,
War sie vermählt! - O schnöde Hast, so rasch
In ein blutschänderisches Bett zu stürzen!
Es ist nicht, und es wird auch nimmer gut.
Doch brich, mein Herz, denn schweigen muß mein Mund!
Horatio, Bernardo und Marcellus treten auf.

HORATIO
Heil Eurer Hoheit!

HAMLET
Ich bin erfreut, Euch wohl zu sehn;
Horatio - wenn ich nicht mich selbst vergesse?

HORATIO
Ja, Prinz, und Euer armer Diener stets.

HAMLET
Mein guter Freund; vertauscht mir jenen Namen.
Was macht Ihr hier von Wittenberg, Horatio? -
Marcellus?

MARCELLUS
Gnädger Herr -

HAMLET
Es freut mich, Euch zu sehn. Habt guten Abend! -
Im Ernst, was führt Euch weg von Wittenberg?

HORATIO
Ein müßiggängerischer Hang, mein Prinz.

HAMLET
Das möcht ich Euren Feind nicht sagen hören,
Noch sollt Ihr meinem Ohr den Zwang antun,
Daß Euer eignes Zeugnis gegen Euch
Ihm gültig wär. Ich weiß, Ihr geht nicht müßig.
Doch was ist Eur Geschäft in Helsingör?
Ihr sollt noch trinken lernen, eh Ihr reist.

HORATIO
Ich kam zu Eures Vaters Leichenfeier.

HAMLET
Ich bitte, spotte meiner nicht, mein Schulfreund,
Du kamst gewiß zu meiner Mutter Hochzeit!

HORATIO
Fürwahr, mein Prinz, sie folgte schnell darauf.

HAMLET
Wirtschaft, Horatio! Wirtschaft! Das Gebackne
Vom Leichenschmaus gab kalte Hochzeitschüsseln.
Hätt ich den ärgsten Feind im Himmel lieber
Getroffen, als den Tag erlebt, Horatio!
Mein Vater - mich dünkt, ich sehe meinen Vater.

HORATIO
Wo, mein Prinz?

HAMLET
In meines Geistes Aug, Horatio.

HORATIO
Ich sah ihn einst, er war ein wackrer König.

HAMLET
Er war ein Mann, nehmt alles nur in allem;
Ich werde nimmer seinesgleichen sehn.

HORATIO
Mein Prinz, ich denk, ich sah ihn vorge Nacht.

HAMLET
Sah? Wen?

HORATIO
Mein Prinz, den König, Euren Vater.

HAMLET
Den König, meinen Vater?

HORATIO
Beruhigt das Erstaunen eine Weil
Durch ein aufmerksam Ohr, bis ich dies Wunder,
Auf die Bekräftigung der Männer hier,
Euch kann berichten.

HAMLET
Um Gottes willen, laßt mich hören!

HORATIO
Zwei Nächte nacheinander wars den beiden,
Marcellus und Bernardo, auf der Wache
In toter Stille tiefer Mitternacht
So widerfahren. Ein Schatten wie Eur Vater,
Geharnischt, ganz in Wehr, von Kopf zu Fuß,
Erscheint vor ihnen, geht mit ernstem Tritt
Langsam vorbei und stattlich; schreitet dreimal
Vor ihren starren, furchtergriffnen Augen,
So daß sein Stab sie abreicht, während sie,
Geronnen fast zu Gallert durch die Furcht,
Stumm stehn und reden nicht mit ihm. Dies nun
In banger Heimlichkeit vertraun sie mir.
Ich hielt die dritte Nacht mit ihnen Wache;
Und da, wie sie's berichtet, in der Zeit
Und der Gestalt buchstäblich alles wahr,
Kommt das Gespenst. Ich kannte Euren Vater:
Hier diese Hände gleichen sich nicht mehr.

HAMLET
Wo ging dies aber vor?

MARCELLUS
Auf der Terrasse, wo wir Wache hielten.

HAMLET
Ihr sprachet nicht mit ihm?

HORATIO
Ich tats, mein Prinz,
Doch Antwort gab es nicht; nur einmal schiens,
Es höb sein Haupt empor und schickte sich
Zu der Bewegung an, als wollt es sprechen;
Doch krähte eben laut der Morgenhahn,
Und bei dem Tone schlüpft' es eilig weg
Und schwand aus unserm Blick.

HAMLET
Sehr sonderbar!

HORATIO
Bei meinem Leben, edler Prinz, 's ist wahr;
Wir hieltens durch die Pflicht uns vorgeschrieben,
Die Sach Euch kundzutun.

HAMLET
Im Ernst, im Ernst, Ihr Herrn, dies ängstigt mich.
Habt Ihr die Wache heut?

[ALLE] MARCELLUS und BERNARDO
Ja, gnädger Herr.

HAMLET
Geharnischt, sagt Ihr?

[ALLE] BEIDE
Geharnischt, gnädger Herr.

HAMLET
Vom Wirbel bis zur Zeh?

[ALLE] BEIDE
Von Kopf zu Fuß.

HAMLET
So saht Ihr sein Gesicht nicht?

HORATIO
O ja doch, sein Visier war aufgezogen.

HAMLET
Nun, blickt' er finster?

HORATIO
Eine Miene, mehr
Des Leidens als des Zorns.

HAMLET
Blaß oder rot?

HORATIO
Nein, äußerst blaß.

HAMLET
Sein Aug auf Euch geheftet?

HORATIO
Ganz fest.

HAMLET
Ich wollt, ich wär dabeigewesen.

HORATIO
Ihr hättet Euch gewiß entsetzt.

HAMLET
Sehr glaublich,
Sehr glaublich. - Blieb es lang?

HORATIO
Derweil mit mäßger Eil
Man hundert zählen konnte.

MARCELLUS und BERNARDO
Länger, länger!

HORATIO
Nicht, da ichs sah.

HAMLET
Sein Bart war greis, nicht wahr?

HORATIO
Wie ichs an ihm bei seinem Leben sah,
Ein schwärzlich Silbergrau.

HAMLET
Ich will heut wachen;
Vielleicht wirds wiederkommen.

HORATIO
Zuverlässig.

HAMLET
Erscheints in meines edlen Vaters Bildung,
So red ichs an, gähnt' auch die Hölle selbst
Und hieß mich ruhig sein. Ich bitt Euch alle:
Habt Ihr bis jetzt verheimlicht dies Gesicht,
So haltets ferner fest in Eurem Schweigen;
Und was sich sonst zu Nacht ereignen mag,
Gebt allem einen Sinn, doch keine Zunge.
Ich will die Lieb Euch lohnen; lebt denn wohl!
Auf der Terrasse zwischen elf und zwölf
Besuch ich Euch.

ALLE
Eur Gnaden unsre Dienste.

HAMLET
Nein, Eure Liebe, so wie meine Euch.
Lebt wohl nun!
Horatio, Marcellus und Bernardo ab.

HAMLET
Meines Vaters Geist in Waffen!
Es taugt nicht alles: ich vermute was
Von argen Ränken. Wär die Nacht erst da!
Bis dahin ruhig, Seele! Schnöde Taten,
Birgt sie die Erd auch, müssen sich verraten.
Ab.






DRITTE SZENE

Ein Zimmer in Polouius' Hause

Laertes und Ophelia treten auf.

LAERTES
Mein Reisegut ist eingeschifft. Leb wohl!
Und, Schwester, wenn die Winde günstig sind
Und Schiffsgelegenheit sich findet, schlaf nicht,
Laß von dir hören.

OPHELIA
Zweifelst du daran?

LAERTES
Was Hamlet angeht und sein Liebsgetändel,
So nimms als Sitte, als ein Spiel des Bluts,
Ein Veilchen in der Jugend der Natur,
Frühzeitig, nicht beständig - süß, nicht dauernd,
Nur Duft und Labsal eines Augenblicks;
Nichts weiter.

OPHELIA
Weiter nichts?

LAERTES
Nur dafür halt es;
Denn die Natur, aufstrebend, nimmt nicht bloß
An Größ und Sehnen zu; wie dieser Tempel wächst,
So wird der innre Dienst von Seel und Geist
Auch weit mit ihm. Er liebt Euch jetzt vielleicht,
Kein Arg und kein Betrug befleckt bis jetzt
Die Tugend seines Willens; doch befürchte,
Bei seinem Rang gehört sein Will ihm nicht;
Er selbst ist der Geburt ja untertan.
Er kann nicht, wie geringe Leute tun,
Für sich auslesen, denn an seiner Wahl
Hängt Sicherheit und Heil des ganzen Staats.
Deshalb muß seine Wahl denn auch beschränkt sein
Vom Beifall und der Stimme jenes Körpers,
Von welchem er das Haupt. Wenn er nun sagt, er liebt dich,
Geziemt es deiner Klugheit, ihm zu glauben,
Soweit er, nach besonderm Recht und Stand,
Tat geben kann dem Wort, das heißt, nicht weiter,
Als Dänemarks gesamte Stimme geht.
Bedenk, was deine Ehre leiden kann,
Wenn du zu gläubig seinem Liede lauschest,
Dein Herz verlierst und deinen keuschen Schatz
Vor seinem ungestümen Dringen öffnest.
Fürcht es, Ophelia, fürcht es, liebe Schwester,
Und halte dich im Hintergrund der Neigung,
Fern von dem Schuß und Anfall der Begier!
Das scheuste Mädchen ist verschwendrisch noch,
Wenn sie dem Monde ihren Reiz enthüllt.
Selbst Tugend nicht entgeht Verleumdertücken,
Es nagt der Wurm des Frühlings Kinder an,
Zu oft noch, eh die Knospe sich erschließt,
Und in der Früh und frischem Tau der Jugend
Ist giftger Anhauch am gefährlichsten.
Sei denn behutsam! Furcht gibt Sicherheit,
Auch ohne Feind hat Jugend innern Streit.

OPHELIA
Ich will den Sinn so guter Lehr bewahren
Als Wächter meiner Brust; doch, lieber Bruder,
Zeig nicht, wie heilvergeßne Prediger tun,
Den steilen Dornenweg zum Himmel andern,
Derweil als frecher, lockrer Wollüstling
Er selbst den Blumenpfad der Lust betritt
Und spottet seines Rats.

LAERTES
O fürchte nichts!
Zu lange weil ich - doch, da kommt mein Vater.
Polonius kommt.
Zwiefacher Segen ist ein zwiefach Heil;
Der Zufall lächelt einem zweiten Abschied.

POLONIUS
Noch hier, Laertes? Ei, ei, an Bord, an Bord!
Der Wind sitzt in dem Nacken Eures Segels,
Und man verlangt Euch. Hier mein Segen mit dir -
indem er dem Laertes die Hand aufs Haupt legt
Und diese Regeln präg in dein Gedächtnis:
Gib den Gedanken, die du hegst, nicht Zunge,
Noch einem ungebührlichen die Tat.
Leutselig sei, doch mach dich nicht gemein.
Den Freund, der dein, und dessen Wahl erprobt,
Mit ehrnen Haken klammr ihn an dein Herz.
Doch schwäche deine Hand nicht durch Begrüßung
Von jedem neugeheckten Bruder. Hüte dich,
In Händel zu geraten; bist du drin,
Führ sie, daß sich dein Feind vor dir mag hüten.
Dein Ohr leih jedem, wenigen deine Stimme;
Nimm Rat von allen, aber spar dein Urteil.
Die Kleidung kostbar, wie's dein Beutel kann,
Doch nicht ins Grillenhafte: reich, nicht bunt;
Denn es verkündigt oft die Tracht den Mann,
Und die vom ersten Rang und Stand in Frankreich
Sind darin ausgesucht und edler Sitte.
Kein Borger sei und auch Verleiher nicht;
Sich und den Freund verliert das Darlehn oft,
Und Borgen stumpft der Wirtschaft Spitze ab.
Dies über alles: Sei dir selber treu,
Und daraus folgt, so wie die Nacht dem Tage,
Du kannst nicht falsch sein gegen irgendwen.
Leb wohl! Mein Segen fördre dies an dir!

LAERTES
In Ehrerbietung nehm ich Abschied, Herr.

POLONIUS
Euch ruft die Zeit; geht, Eure Diener warten.

LAERTES
Leb wohl, Ophelia, und gedenk an das,
Was ich dir sagte.

OPHELIA
Es ist in mein Gedächtnis fest verschlossen,
Und Ihr sollt selbst dazu den Schlüssel führen.

LAERTES
Lebt wohl!
Ab.

POLONIUS
Was ists, Ophelia, das er Euch gesagt?

OPHELIA
Wenn Ihr erlaubt, vom Prinzen Hamlet wars.

POLONIUS
Ha, wohl bedacht!
Ich höre, daß er Euch seit kurzem oft
Vertraute Zeit geschenkt, und daß Ihr selbst
Mit Eurem Zutritt sehr bereit und frei wart.
Wenn dem so ist - und so erzählt man mirs,
Und das als Warnung zwar -, muß ich Euch sagen,
Daß Ihr Euch selber nicht so klar versteht,
Als meiner Tochter ziemt und Eurer Ehre.
Was gibt es zwischen euch? Sagt mir die Wahrheit!

OPHELIA
Er hat seither Anträge mir getan
Von seiner Zuneigung.

POLONIUS
Pah, Zuneigung! Ihr sprecht wie junges Blut,
In solchen Fährlichkeiten unbewandert.
Und glaubt Ihr den Anträgen, wie Ihrs nennt?

OPHELIA
Ich weiß nicht, Vater, was ich denken soll.

POLONIUS
So hörts denn: Denkt, Ihr seid ein dummes Ding,
Daß Ihr für bar Anträge habt genommen,
Die ohn Ertrag sind. Nein, betragt Euch klüger,
Sonst, um das arme Wort nicht tot zu hetzen,
Trägt Eure Narrheit noch Euch Schaden ein.

OPHELIA
Er hat mit seiner Lieb in mich gedrungen,
In aller Ehr und Sitte.

POLONIUS
Ja, Sitte mögt Ihrs nennen; geht mir, geht!

OPHELIA
Und hat sein Wort beglaubigt, lieber Herr,
Beinah durch jeden heilgen Schwur des Himmels.

POLONIUS
Ja, Sprenkel für die Drosseln. Weiß ich doch,
Wenn das Blut kocht, wie das Gemüt der Zunge
Freigebig Schwüre leiht. Dies Lodern, Tochter,
Mehr leuchtend als erwärmend, und erloschen
Selbst im Versprechen, während es geschieht,
Nehmt keineswegs für Feuer! Kargt von nun an
Mit Eurer jungfräulichen Gegenwart
Ein wenig mehr; schätzt Eure Unterhaltung
Zu hoch, um auf Befehl bereit zu sein!
Und was Prinz Hamlet angeht, traut ihm so:
Er sei noch jung und habe freiern Spielraum,
Als Euch vergönnt mag werden. Kurz, Ophelia,
Traut seinen Schwüren nicht; denn sie sind Kuppler,
Nicht von der Farbe ihrer äußern Tracht,
Fürsprecher sündlicher Gesuche bloß,
Gleich frommen, heiligen Gelübden atmend,
Um besser zu berücken. Eins für alles:
Ihr sollt mir, grad heraus, von heute an
Die Muße keines Augenblicks so schmähn,
Daß Ihr Gespräche mit Prinz Hamlet pflöget.
Seht zu, ich sags Euch! Geht nun Eures Weges.

OPHELIA
Ich will gehorchen, Herr.
Beide ab.






VIERTE SZENE

Die Terrasse

Hamlet, Horatio und Marcellus treten auf.

HAMLET
Die Luft geht scharf, es ist entsetzlich kalt.

HORATIO
's ist eine schneidende und strenge Luft.

HAMLET
Was ist die Uhr?

HORATIO
Ich denke, nah an zwölf.

MARCELLUS
Nicht doch, es hat geschlagen.

HORATIO
Wirklich schon?
Ich hört es nicht; so rückt heran die Stunde,
Worin der Geist gewohnt ist umzugehn.
Trompetenstoß und Geschütz abgefeuert hinter der Szene.
Was stellt das vor, mein Prinz?

HAMLET
Der König wacht die Nacht durch, zecht vollauf,
Hält Schmaus und taumelt den geräuschgen Walzer;
Und wie er Züge Rheinweins niedergießt,
Verkünden schmetternd Pauken und Trompeten
Den ausgebrachten Trunk.

HORATIO
Ist das Gebrauch?

HAMLET
Nun freilich wohl.
Doch meines Dünkens, bin ich eingeboren
Und drin erzogen schon, ists ein Gebrauch,
Wovon der Bruch mehr ehrt als die Befolgung.
Dies schwindelköpfge Zechen macht verrufen
Bei andern Völkern uns in Ost und West;
Man heißt uns Säufer, hängt an unsre Namen
Ein schmutzig Beiwort; und fürwahr, es nimmt
Von unsern Taten, noch so groß verrichtet,
Den Kern und Ausbund unsers Wertes weg.
So geht es oft mit einzeln Menschen auch,
Daß sie durch ein Naturmal, das sie schändet,
Als etwa von Geburt - worin sie schuldlos,
Weil die Natur nicht ihren Ursprung wählt -,
Ein Übermaß in ihres Blutes Mischung,
Das Dämm und Schanzen der Vernunft oft einbricht,
Auch wohl durch Angewöhnung, die zu sehr
Den Schein gefällger Sitten überrostet -
Daß diese Menschen, sag ich, welche so
Von einem Fehler das Gepräge tragen
- Sei's Farbe der Natur, sei's Fleck des Zufalls -,
Und wären ihre Tugenden so rein
Wie Gnade sonst, so zahllos wie ein Mensch
Sie tragen mag: in dem gemeinen Tadel
Steckt der besondre Fehl sie doch mit an,
Der Gran von Schlechtem zieht des edlen Wertes
Gehalt herab in seine eigne Schmach.
[Der Geist kommt.]

HORATIO
O seht, mein Prinz, es kommt!
Der Geist kommt.

HAMLET
Engel und Boten Gottes, steht uns bei! -
Sei du ein Geist des Segens, sei ein Kobold,
Bring Himmelslüfte oder Dampf der Hölle,
Sei dein Beginnen boshaft oder liebreich,
Du kommst in so fragheischender Gestalt,
Daß ich dich sprechen will. Ich nenn dich, Hamlet,
Fürst, Vater, Dänenkönig; o gib Antwort!
Laß mich in Blindheit nicht vergehn! Nein, sag,
Warum dein fromm Gebein, verwahrt im Tode,
Die Leinen hat gesprengt, warum die Gruft,
Worin wir ruhig eingeurnt dich sahn,
Geöffnet ihre schweren Marmorkiefer,
Dich wieder auszuwerfen? Was bedeutets,
Daß, toter Leichnam, du in vollem Stahl
Aufs neu des Mondes Dämmerschein besuchst,
Die Nacht entstellend, daß wir Narren der Natur
So fürchterlich uns schütteln mit Gedanken,
Die unsern Seelen nicht erreichbar sind?
Sag, was ist dies? Warum? Was solln wir tun?
Der Geist winkt Hamlet zu sich.

HORATIO
Es winkt Euch zu, mit ihm hinwegzugehn,
Als obs nach einer Mitteilung verlangte
An Euch allein.

MARCELLUS
Seht, wie es Euch mit freundlicher Gebärde
Hinweist an einen mehr entlegnen Ort;
Geht aber nicht mit ihm!

HORATIO
Nein, keineswegs!

HAMLET
Es will nicht sprechen; wohl, so folg ich ihm.

HORATIO
Tuts nicht, mein Prinz!

HAMLET
Was wäre da zu fürchten?
Mein Leben acht ich keine Nadel wert;
Und meine Seele, kann es der was tun,
Die ein unsterblich Ding ist, wie es selbst?
Es winkt mir wieder fort, ich folg ihm nach.

HORATIO
Wie, wenn es hin zur Flut Euch lockt, mein Prinz,
Vielleicht zum grausen Gipfel jenes Felsen,
Der in die See nickt über seinen Fuß?
Und dort in andre Schreckgestalt sich kleidet,
Die der Vernunft die Herrschaft rauben könnte
Und Euch zum Wahnsinn treiben? O bedenkt!
Der Ort an sich bringt Grillen der Verzweiflung
Auch ohne weitern Grund in jedes Hirn,
Der so viel Klafter niederschaut zur See
Und hört sie unten brüllen.

HAMLET
Immer winkt es. -
Geh nur, ich folge dir.

MARCELLUS
Ihr dürft nicht gehn, mein Prinz!

HAMLET
Die Hände weg!

HORATIO
Hört uns, Ihr dürft nicht gehn!

HAMLET
Mein Schicksal ruft
Und macht die kleinste Ader dieses Leibes
So fest als Sehnen des Nemeer Löwen.
Der Geist winkt.
Es winkt mir immerfort: laßt los!!
Sich von ihnen losreissend.
Beim Himmel!
[Reißt sich los.]
Den mach ich zum Gespenst, der mich zurückhält!
Ich sage, fort! - Voran, ich folge dir.
Der Geist und Hamlet ab.

HORATIO
Er kommt ganz außer sich vor Einbildung.

MARCELLUS
Ihm nach! Wir dürfen ihm nicht so gehorchen.

HORATIO
Kommt, folgen wir! Welch Ende wird dies nehmen?

MARCELLUS
Etwas ist faul im Staate Dänemarks.

HORATIO
Der Himmel wird es lenken.

MARCELLUS
Laßt uns gehn!
Beide ab.






FÜNFTE SZENE

Ein abgelegenerer Teil [der Terrasse] des Schloßes

Der Geist und Hamlet kommen.

HAMLET
Wo führst du hin mich? Red, ich geh nicht weiter.

GEIST
Hör an!

HAMLET
Ich wills.

GEIST
Schon naht sich meine Stunde,
Wo ich den schweflichten, qualvollen Flammen
Mich übergeben muß.

HAMLET
Ach, armer Geist!

GEIST
Beklag mich nicht, doch leih dein ernst Gehör
Dem, was ich kund will tun.

HAMLET
Sprich! Mir ists Pflicht
Zu hören.

GEIST
Auch zu rächen, wenn du erst
Wirst hörn.

HAMLET
Was?

GEIST
Ich bin deines Vaters Geist;
Verdammt auf eine Zeitlang, nachts zu wandern
Und tags, gebannt, zu fasten in der Glut,
Bis die Verbrechen meiner Zeitlichkeit
Hinweggeläutert sind. Wär mirs nicht untersagt,
Das Innre meines Kerkers zu enthüllen,
So höb' ich eine Kunde an, von der
Das kleinste Wort die Seele dir zermalmte,
Dein junges Blut erstarrte, deine Augen
Wie Stern' aus ihren Kreisen schießen machte,
Dir die verworrnen krausen Locken trennte
Und sträubte jedes einzelne Haar empor
Wie Nadeln an dem zorngen Stacheltier;
Doch diese ewge Offenbarung faßt
Kein Ohr von Fleisch und Blut. - Horch, horch, o horch!
Wenn du je deinen teuren Vater liebtest -

HAMLET
O Himmel!

GEIST
- räch seinen schnöden, unerhörten Mord!

HAMLET
Mord?

GEIST
Ja, schnöder Mord, wie er aufs beste ist,
Doch dieser unerhört und unnatürlich.

HAMLET
Eil, ihn zu melden, daß ich auf Schwingen, rasch
Wie Andacht und des Liebenden Gedanken,
Zur Rache stürmen mag!

GEIST
Du scheinst mir willig;
Auch wärst du träger als das feiste Kraut,
Das ruhig Wurzel treibt an Lethes Bord,
Erwachtest du nicht hier. Nun, Hamlet, höre:
Es heißt, daß, als ich schlief in meinem Garten,
Mich eine Schlange stach; so wird das Ohr des Reichs
Durch den erlognen Hergang meines Todes
Schmählich getäuscht! Doch wisse, edler Jüngling,
Die Schlang, die deines Vaters Leben stach,
Trägt seine Krone jetzt.

HAMLET
O mein prophetisches Gemüt! Mein Oheim?

GEIST
Ja, der blutschänderische Ehebrecher,
Durch Witzes Zauber, durch Verrätergaben
- O arger Witz und Gaben, die imstand
So zu verführen sind! - gewann den Willen
Der scheinbar tugendsamen Königin
Zu schnöder Lust. O Hamlet, welch ein Abfall!
Von mir, des Liebe von der Echtheit war,
Daß Hand in Hand sie mit dem Schwure ging,
Den ich bei der Vermählung tat, erniedert
Zu einem Sünder, von Natur durchaus
Armselig gegen mich!
Allein wie Tugend nie sich reizen läßt,
Buhlt Unzucht auch um sie in Himmelsbildung;
So Lust, gepaart mit einem lichten Engel,
Wird dennoch eines Götterbettes satt
Und hascht nach Wegwurf. -
Doch still, mich dünkt, ich wittre Morgenluft:
Kurz laß mich sein. - Da ich im Garten schlief,
Wie immer meine Sitte nachmittags,
Beschlich dein Oheim meine sichre Stunde
Mit Saft verfluchten Bilsenkrauts im Fläschchen,
Und träufelt' in den Eingang meines Ohrs
Das schwärende Getränk, wovon die Wirkung
So mit des Menschen Blut in Feindschaft steht,
Daß es durch die natürlichen Kanäle
Des Körpers hurtig wie Quecksilber läuft,
Und wie ein saures Lab, in Milch getropft,
Mit plötzlicher Gewalt gerinnen macht
Das leichte, reine Blut. So tat es meinem,
Und Aussatz schuppte sich mir augenblicklich,
Wie einem Lazarus, mit ekler Rinde
Ganz um den glatten Leib.
So ward ich schlafend und durch Bruderhand
Um Leben, Krone, Weib mit eins gebracht,
In meiner Sünden Blüte hingerafft,
Ohn Abendmahl, ohn Beicht, ohn letzte Ölung,
Die Rechnung nicht geschlossen, ins Gericht
Mit aller Schuld auf meinem Haupt gesandt.

[HAMLET]
O schaudervoll! O schaudervoll, höchst schaudervoll!

[GEIST]
Hast du Natur in dir, so leid es nicht,
Laß Dänmarks königliches Bett kein Lager
Für Blutschand und verruchte Wollust sein!
Doch wie du immer diese Tat betreibst,
Befleck dein Herz nicht; dein Gemüt ersinne
Nichts gegen deine Mutter; überlaß sie
Dem Himmel und den Dornen, die im Busen
Ihr stechend wohnen. Lebe wohl mit eins:
Der Glühwurm zeigt, daß sich die Frühe naht,
Und sein unwirksam Feuer wird schon blasser.
Ade! Ade! Ade! Gedenke mein!
Ab.

HAMLET
O Heer des Himmels! Erde! - Was noch sonst?
Nenn ich die Hölle mit? O pfui! Halt, halt, mein Herz!
Ihr meine Sehnen, altert nicht sogleich,
Tragt fest mich aufrecht! Dein gedenken? Ja,
Du armer Geist, solang Gedächtnis haust
In dem zerstörten Ball hier. Dein gedenken?
Ja, von der Tafel der Erinnrung will ich
Weglöschen alle törichten Geschichten,
Aus Büchern alle Sprüche, alle Bilder,
Die Spuren des Vergangnen, welche da
Die Jugend einschrieb und Beobachtung;
Und dein Gebot soll leben ganz allein
Im Buche meines Hirnes, unvermischt
Mit minder würdgen Dingen. Ja, beim Himmel!
O höchst verderblich Weib!
O Schurke, lächelnder, verdammter Schurke!
Schreibtafel her, ich muß mirs niederschreiben,
Daß einer lächeln kann und immer lächeln
Und doch ein Schurke sein; zum wenigsten
Weiß ich gewiß, in Dänmark kanns so sein.
Schreibt.
Da steht Ihr, Oheim! - Jetzt zu meiner Losung!
Sie heißt: Ade, ade! Gedenke mein! -
Ich habs geschworen.

HORATIO
hinter der Szene.
Mein Prinz! Mein Prinz!

MARCELLUS
hinter der Szene.
Prinz Hamlet!

HORATIO
hinter der Szene.
Gott beschütz ihn!

HAMLET
So sei es!

MARCELLUS
hinter der Szene.
Heda, ho! Mein Prinz!

HAMLET
Ha, heißa, Junge! Komm, Vogel, komm!
Horatio und Marcellus kommen.

MARCELLUS
Wie stehts, mein gnädger Herr?

HORATIO
Was gibts, mein Prinz?

HAMLET
O wunderbar!

HORATIO
Sagt, bester, gnädger Herr!

HAMLET
Nein, Ihr verratets.

HORATIO
Ich nicht, beim Himmel, Prinz.

MARCELLUS
Ich gleichfalls nicht.

HAMLET
Was sagt Ihr? Sollts 'ne Menschenseele denken? -
Doch Ihr wollt schweigen? -

HORATIO und MARCELLUS
Ja, beim Himmel, Prinz!

HAMLET
Es lebt kein Schurk im ganzen Dänemark,
Der nicht ein ausgemachter Bube wär.

HORATIO
Es braucht kein Geist vom Grabe herzukommen,
Uns das zu sagen.

HAMLET
Richtig, Ihr habt recht!
Und so, ohn alle weitre Förmlichkeit,
Denk ich, wir schütteln uns die Händ und scheiden;
Ihr tut, was Euch Beruf und Neigung heißt
- Denn jeder Mensch hat Neigung und Beruf,
Wie sie denn sind -, ich für mein armes Teil,
Seht Ihr, will beten gehn.

HORATIO
Dies sind nur wirblichte und irre Worte, Herr.

HAMLET
Es tut mir leid, daß sie Euch ärgern, herzlich;
Wahrhaftig herzlich.

HORATIO
Kein Ärgernis, mein Prinz!

HAMLET
Doch, bei Sankt Patrik, gibt es eins, Horatio;
Groß Ärgernis. Was die Erscheinung angeht,
Ich sag Euch, 's ist ein ehrliches Gespenst.
Die Neugier, was es zwischen uns doch gibt,
Bemeistert, wie Ihr könnt. Und nun, Ihr Lieben,
Wofern Ihr Freunde seid, Mitschüler, Krieger,
Gewährt ein Kleines mir!

HORATIO
Was ists? Wir sind bereit.

HAMLET
Macht nie bekannt, was Ihr die Nacht gesehn!

HORATIO und MARCELLUS
Wir wollens nicht, mein Prinz.

HAMLET
Gut, aber schwört!

HORATIO
Auf Ehre, Prinz, ich nicht!

MARCELLUS
Noch ich, auf Ehre!

HAMLET
Schwört auf mein Schwert!

MARCELLUS
Wir haben schon geschworen.

HAMLET
Im Ernste, auf mein Schwert, im Ernste.

GEIST
unter der Erde.
Schwört!

HAMLET
Haha, Bursch, sagst du das? Bist du da, Grundehrlich?
Wohlan - Ihr hört im Keller den Gesellen -
Bequemt Euch denn, zu schwören!

HORATIO
Sagt den Eid!

HAMLET
Niemals von dem, was Ihr gesehn, zu sprechen,
Schwört auf mein Schwert!

GEIST
unter der Erde.
Schwört!

HAMLET
Hic et ubique? Wechseln wir die Stelle!
Hierher, Ihr Herren, kommt
Und legt die Hände wieder auf mein Schwert;
Schwört auf mein Schwert,
Niemals von dem, was Ihr gehört, zu sprechen.

GEIST
unter der Erde.
Schwört [auf sein Schwert]!

HAMLET
Brav, alter Maulwurf! Wühlst so hurtig fort?
O trefflicher Minierer! - Nochmals weiter, Freunde!

HORATIO
Beim Sonnenlicht, dies ist erstaunlich fremd.

HAMLET
So heiß als einen Fremden es willkommen.
Es gibt mehr Ding' im Himmel und auf Erden,
Als Eure Schulweisheit sich träumt, Horatio.
Doch kommt!
Hier, wie vorhin, schwört mir, so Gott Euch helfe,
Wie fremd und seltsam ich mich nehmen mag,
Da mirs vielleicht in Zukunft dienlich scheint,
Ein wunderliches Wesen anzulegen,
Ihr wollet nie, wenn Ihr alsdann mich seht,
Die Arme so verschlingend, noch die Köpfe
So schüttelnd, noch durch zweifelhafte Reden,
Als: Nun, nun, wir wissen - oder: Wir könnten,
Wenn wir wollten - oder: Ja, wenn wir reden möchten -
Oder: Es gibt ihrer, wenn sie nur dürften -
Und solch verstohlnes Deuten mehr, verraten,
Daß Ihr von mir was wisset: Dieses schwört,
So Gott in Nöten und sein Heil Euch helfe!

GEIST
unter der Erde.
Schwört!

HAMLET
Ruh, ruh, verstörter Geist! - Nun, liebe Herrn,
Empfehl ich Euch mit aller Liebe mich,
Und was ein armer Mann, wie Hamlet ist,
Vermag, Euch Lieb und Freundschaft zu bezeugen,
So Gott will, soll nicht fehlen. Laßt uns gehn
Und, bitt ich, stets den Finger auf den Mund!
Die Zeit ist aus den Fugen; Fluch der Pein,
Muß ich sie herzustelln geboren sein! -
Nun kommt, laßt uns zusammen gehn.
Alle ab.







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ZWEITER AKT
ERSTE SZENE

Ein Zimmer im Hause der Polonius

Polonius und Reinhold treten auf.

POLONIUS
Gib ihm dies Geld und die Papiere, Reinhold!

REINHOLD
Ja, gnädger Herr.

POLONIUS
Ihr werdet mächtig klug tun, guter Reinhold,
Euch zu erkundgen, eh Ihr ihn besucht,
Wie sein Betragen ist.

REINHOLD
Das dacht ich auch zu tun.

POLONIUS
Ei, gut gesagt, recht gut gesagt! Seht Ihr,
Erst fragt mir, was für Dänen in Paris sind,
Und wie, wer, auf was Art und wo sie leben,
Mit wem, was sie verzehren; wenn Ihr dann
Durch diesen Umschweif Eurer Fragen merkt,
Sie kennen meinen Sohn, so kommt Ihr näher,
Als Ihrs mit grad gezielten Fragen träfet.
Tut gleichsam wie von fern bekannt; zum Beispiel:
»Ich kenne seinen Vater, seine Freunde
Und auch zum Teil ihn selbst- Versteht Ihr, Reinhold?

REINHOLD
Vollkommen, gnädger Herr.

POLONIUS
»Zum Teil auch ihn; doch«, mögt Ihr sagen, »wenig,
Und wenns der rechte ist, der ist gar wild,
Treibt dies und das« - dann gebt ihm nach Belieben
Erlogne Dinge schuld; nur nichts so Arges,
Das Schand ihm brächte, davor hütet Euch;
Nein, solche wilden, ausgelaßnen Streiche,
Als hergebrachtermaßen die Gefährten
Der Jugend und der Freiheit sind.

REINHOLD
Als Spielen.

POLONIUS
Ja, oder Trinken, Raufen, Fluchen, Zanken,
Huren - so weit könnt Ihr gehn.

REINHOLD
Das würd ihm Schande bringen, gnädger Herr.

POLONIUS
Gewiß nicht, wenn Ihrs nur zu wenden wißt.
Ihr müßt ihn nicht in andern Leumund bringen,
Als übermannt' ihn Unenthaltsamkeit;
So mein ichs nicht; bringt seine Fehler zierlich
Ans Licht, daß sie der Freiheit Flecken scheinen,
Der Ausbruch eines feurigen Gemüts
Und eine Wildheit ungezähmten Bluts,
Die jeden anficht.

REINHOLD
Aber, bester Herr -

POLONIUS
Weswegen Ihr dies tun sollt?

REINHOLD
Ja, das wünscht ich
Zu wissen, Herr.

POLONIUS
Ei nun, mein Plan ist der
- Und, wie ich denke, ists ein Pfiff, der anschlägt:
Werft Ihr auf meinen Sohn so kleine Makel,
Als wär er in der Arbeit was beschmutzt.
Merkt wohl!
Wenn der Mitunterredner, den Ihr aushorcht,
In vorbenannten Lastern jemals schuldig
Den jungen Mann gesehn, so seid gewiß,
Daß selbger folgender Gestalt Euch beitritt:
»Lieber Herr«, oder so; oder »Freund«, oder »mein Wertester«,
Wie nun die Redensart und die Betitlung
Bei Land und Leuten üblich ist -

REINHOLD
Sehr wohl!

POLONIUS
Und hierauf tut er dies: - Er tut - ja was wollte ich doch sagen? Beim Sakrament, ich habe was sagen wollen. Wo brach ich ab?

REINHOLD
Bei »folgender Gestalt Euch beitritt«, bei »Freund oder so« und »mein Wertester«.

POLONIUS
Bei »folgender Gestalt Euch beitritt«. - Ja,
Er tritt Euch bei: »Ich kenn ihn wohl, den Herrn,
Ich sah ihn gestern oder neulich mal,
Oder wann es war; mit dem und dem; und, wie Ihr sagt,
Da spielt' er hoch; da traf man ihn im Rausch;
Da rauft' er sich beim Ballspiel«; oder auch:
»Ich sah ihn gehn in solch ein saubres Haus«
- Will sagen: ein Bordell -, und mehr dergleichen.
Seht nun:
Eur Lügenköder fängt den Wahrheitskarpfen;
So wissen wir, gewitzigt, helles Volk,
Mit Krümmungen und mit verstecktem Angriff
Durch einen Umweg auf den Weg zu kommen,
Und so könnt Ihr, wie ich Euch Anweisung
Und Rat erteilet, meinen Sohn erforschen.
Ihr habts gefaßt, nicht wahr?

REINHOLD
Ja, gnädger Herr.

POLONIUS
Nun, Gott mit Euch! Lebt wohl!

REINHOLD
Mein bester Herr -

POLONIUS
Erforscht mit eignen Augen seinen Wandel!

REINHOLD
Das will ich tun.

POLONIUS
Und daß er die Musik mir fleißig treibt!

REINHOLD
Gut, gnädger Herr.
[Ab.
Ophelia kommt.]

POLONIUS
Lebt wohl! -
Reinhold geht ab. Ophelia kommt.
Sieh da, Ophelia! Was gibts?

OPHELIA
O lieber Herr, ich bin so sehr erschreckt!

POLONIUS
Wodurch, in's Himmels Namen?

OPHELIA
Als ich in meinem Zimmer näht, auf einmal
Prinz Hamlet - mit ganz aufgerißnem Wams,
Kein Hut auf seinem Kopf, die Strümpfe schmutzig
Und losgebunden auf den Knöcheln hängend;
Bleich wie sein Hemd und schlotternd mit den Knien;
Mit einem Blick, von Jammer so erfüllt,
Als wär er aus der Hölle losgelassen,
Um Greuel kundzutun - so tritt er vor mich.

POLONIUS
Verrückt aus Liebe?

OPHELIA
Herr, ich weiß es nicht,
Allein ich fürcht es wahrlich.

POLONIUS
Und was sagt' er?

OPHELIA
Er griff mich bei der Hand und hielt mich fest,
Dann lehnt' er sich zurück, so lang sein Arm:
Und mit der andern Hand so überm Auge
Betrachtet' er so prüfend mein Gesicht,
Als wollt ers zeichnen. Lange stand er so;
Zuletzt ein wenig schüttelnd meine Hand
Und dreimal hin und her den Kopf so wägend,
Tat er solch einen bangen, tiefen Seufzer,
Als sollt er seinen ganzen Bau zertrümmern
Und endigen sein Dasein. Dies getan,
Läßt er mich gehn, und über seine Schultern
Den Kopf zurückgedreht, schien er den Weg
Zu finden ohne seine Augen; denn
Er ging zur Tür hinaus ohn ihre Hülfe
Und wandte bis zuletzt ihr Licht auf mich.

POLONIUS
Geht mit mir, kommt, ich will den König suchen.
Dies ist die wahre Schwärmerei der Liebe,
Die, ungestüm von Axt, sich selbst zerstört
Und leitet zu verzweifelten Entschlüssen,
So oft als irgendeine Leidenschaft,
Die unterm Mond uns quält. Es tut mir leid -
Sagt, gabt Ihr ihm wohl kürzlich harte Worte?

OPHELIA
Nein, bester Herr, nur wie Ihr mir befahlt,
Wies ich die Briefe ab und weigert ihm
Den Zutritt.

POLONIUS
Das hat ihn verrückt gemacht.
Es tut mir leid, daß ich mit besserm Urteil
Ihn nicht beachtet hab. Ich sorgt, er tändle nur
Und wolle dich verderben: doch verdammt mein Argwohn!
Uns Alten ists so eigen, wie es scheint,
Mit unsrer Meinung übers Ziel zu gehn,
Als häufig bei dem jungen Volk der Mangel
An Vorsicht ist. Gehn wir zum König, komm!
Er muß dies wissen, denn es zu verstecken
Brächt uns mehr Gram, als Haß, die Lieb entdecken.
[Komm!]
Beide ab.






ZWEITE SZENE

Ein Zimmer im Schlosse

Der König, die Königin, Rosenkranz, Güldenstern und Gefolge.

KÖNIG
Willkommen, Rosenkranz und Güldenstern!
Wir wünschten nicht nur sehnlich, Euch zu sehn,
Auch das Bedürfnis Eurer Dienste trieb
Uns zu der eilgen Sendung an. Ihr hörtet
Von der Verwandlung Hamlets schon; so nenn ichs,
Weil nicht der äußre noch der innre Mensch
Dem gleicht, was sonst er war. Was es nur ist,
Mehr als des Vaters Tod, das ihn so weit
Von dem Verständnis seiner selbst gebracht,
Kann ich nicht raten. Ich ersuch Euch beide,
Da Ihr von Kindheit auf mit ihm erzogen
Und seiner Laun und Jugend nahe bliebt,
Ihr wollet hier an unserm Hof verweilen
Auf einge Zeit, um ihn durch Euren Umgang
In Lustbarkeit zu ziehn und zu erspähn,
Soweit der Anlaß auf die Spur Euch bringt,
Ob irgendwas, uns unbekannt, ihn drückt,
Das, offenbart, zu heilen wir vermöchten.

KÖNIGIN
Ihr lieben Herrn, er hat Euch oft genannt;
Ich weiß gewiß, es gibt nicht andre zwei,
An denen er so hängt. Wenns Euch beliebt,
Uns soviel guten Willen zu erweisen,
Daß Ihr bei uns hier eine Weile zubringt
Zu unsrer Hoffnung Vorschub und Gewinn,
So wollen wir Euch den Besuch belohnen,
Wie es sich ziemt für eines Königs Dank.

ROSENKRANZ
Es stände Euern Majestäten zu,
Nach herrschaftlichen Rechten über uns
Mehr zu gebieten nach gestrengem Willen,
Als zu ersuchen.

GÜLDENSTERN
Wir gehorchen beide
Und bieten uns hier an, nach besten Kräften
Zu Euren Füßen unsern Dienst zu legen,
Um frei damit zu schalten.

KÖNIG
Dank, Rosenkranz und lieber Güldenstern!

KÖNIGIN
Dank Güldenstern und lieber Rosenkranz!
Besucht doch unverzüglich meinen Sohn,
Der nur zu sehr verwandelt. Geh wer mit
Und bring die Herren hin, wo Hamlet ist.

GÜLDENSTERN
Der Himmel mach ihm unsre Gegenwart
Und unser Tun gefällig und ersprießlich!

KÖNIGIN
So sei es, Amen!
Rosenkranz, Güldenstern und einige aus dem Gefolge ab.
Polonius kommt.

POLONIUS
Mein König, die Gesandten sind von Norweg
Froh wieder heimgekehrt.

KÖNIG
Du warest stets der Vater guter Zeitung.

POLONIUS
Nicht wahr? Ja, seid versichert, bester Herr,
Ich halte meine Pflicht wie meine Seele:
So meinem Gott wie meinem gnädgen König!
Und jetzo denk ich - oder dies Gehirn
Jagt auf der Klugheit Fährte nicht so sicher,
Als es wohl pflegte -, daß ich ausgefunden,
Was eigentlich an Hamlets Wahnwitz schuld.

KÖNIG
O davon sprecht; das wünsch ich sehr zu hören!

POLONIUS
Vernehmt erst die Gesandten; meine Zeitung
Soll bei dem großen Schmaus der Nachtisch sein.

KÖNIG
Tut ihnen selber Ehr und führt sie vor!
Polonius ab.
Er sagt mir, liebe Gertrud, daß er jetzt
Den Quell vom Übel Eures Sohns gefunden.

KÖNIGIN
Ich fürcht, es ist nichts anders als das eine:
Des Vaters Tod und unsre hastige Heirat.

KÖNIG
Gut, wir erforschen ihn.
Polonius kommt mit Voltimand und Cornelius zurück.
Willkommen, liebe Freunde! Voltimand,
Sagt, was Ihr bringt von unserm Bruder Norweg.

VOLTIMAND
Erwiderung der schönsten Grüß und Wünsche.
Auf unser erstes sandt er aus und hemmte
Die Werbungen des Neffen, die er hielt
Für Zurüstungen gegen den Polacken;
Doch, näher untersucht, fand er, sie gingen
Auf Eure Hoheit wirklich. Drob gekränkt,
Daß seine Krankheit, seines Alters Schwäche
So hintergangen sei, legt' er Verhaft
Auf Fortinbras, worauf sich dieser stellt,
Verweis' empfängt von Norweg und zuletzt
Vor seinem Oheim schwört, nie mehr die Waffen
Zu führen gegen Eure Majestät.
Der alte Norweg, hoch erfreut hierüber,
Gibt ihm dreitausend Kronen Jahrgehalt
Und seine Vollmacht, gegen den Polacken
Die so geworbnen Truppen zu gebrauchen;
Nebst dem Gesuch, des weitern hier erklärt:
übergibt ein Papier.
Ihr wollt geruhn, für dieses Unternehmen
Durch Eur Gebiet den Durchzug zu gestatten,
Mit solcherlei Gewähr und Einräumung,
Als abgefaßt hier steht.

KÖNIG
Es dünkt Uns gut;
Wir wollen bei gelegner Zeit es lesen,
Antworten und bedenken dies Geschäft.
Derweil habt Dank für wohlgenommne Müh;
Geht auszuruhn, wir schmausen heut zusammen.
Willkommen mir zu Haus!
Voltimand und Cornelius ab.

POLONIUS
So wäre dies Geschäft nun wohl vollbracht.
Mein Fürst und gnädge Frau, hier zu erörtern,
Was Majestät ist, was Ergebenheit,
Warum Tag Tag; Nacht Nacht; die Zeit die Zeit:
Das hieße, Nacht und Tag und Zeit verschwenden.
Weil Kürze denn des Witzes Seele ist,
Weitschweifigkeit der Leib und äußre Zierat:
Faß ich mich kurz. Eur edler Sohn ist toll,
Toll nenn ichs: denn worin besteht die Tollheit,
Als daß man gar nichts anders ist als toll?
Doch das mag sein.

KÖNIGIN
Mehr Inhalt, wenger Kunst!

POLONIUS
Auf Ehr, ich brauche nicht die mindste Kunst.
Toll ist er, das ist wahr; wahr ists, 's ist schade;
Und schade, daß es wahr ist. Doch dies ist
'ne törichte Figur: sie fahre wohl,
Denn ich will ohne Kunst zu Werke gehn.
Toll nehmen wir ihn also; nun ist übrig,
Daß wir den Grund erspähn von dem Effekt,
Nein, richtiger den Grund von dem Defekt;
Denn dieser Defektiv-Effekt hat Grund.
So stehts nun, und der Sache Stand ist dies.
Erwägt:
Ich hab 'ne Tochter; hab sie, weil sie mein;
Die mir aus schuldigem Gehorsam, seht,
Dies hier gegeben. Schließt und ratet nun!
Liest.
»An die Himmlische und den Abgott meiner Seele, die liebreizende Ophelia« -
Das ist eine schlechte Redensart, eine gemeine Redensart; liebreizend ist eine gemeine Redensart.
Aber hört nur weiter:
Liest.
»An ihren trefflichen zarten Busen diese Zeilen« und so weiter.

KÖNIGIN
Hat Hamlet dies an sie geschickt?

POLONIUS
Geduld nur, gnädge Frau, ich meld Euch alles.
Liest.

»Zweifle an der Sonne Klarheit,
Zweifle an der Sterne Licht,
Zweifl, ob lügen kann die Wahrheit,
Nur an meiner Liebe nicht!
O liebe Ophelia, es gelingt mir schlecht mit dem Silbenmaße; ich besitze die Kunst nicht, meine Seufzer zu messen, aber daß ich Dich bestens liebe, o Allerbeste, das glaube mir. Leb wohl! Der Deinige auf ewig, teuerstes Fräulein, solange
diese Maschine ihm zugehört.

Hamlet
Dies hat mir meine Tochter schuldgermaßen
Gezeigt und überdies sein dringend Werben,
Wie sichs nach Zeit und Weis' und Ort begab,
Mir vor das Ohr gebracht.
KÖNIG
Allein wie nahm
Sie seine Liebe auf?

POLONIUS
Was denket Ihr von mir?

KÖNIG
Daß Ihr ein Mann von Treu und Ehre seid.

POLONIUS
Gern möcht ichs zeigen. Doch was dächtet Ihr,
Hätt ich gesehn, wie diese heiße Liebe
Sich anspann - und ich merkt es, müßt Ihr wissen,
Eh meine Tochter mirs gesagt -, was dächtet
Ihr, oder meine teure Majestät,
Eur königlich Gemahl, hätt ich dabei
Brieftasche oder Schreibepult gespielt,
Hätt ich mein Herz geängstigt still und stumm
Und müßig dieser Liebe zugeschaut?
Was dächtet Ihr? Nein, ich ging rund heraus
Und redete zu meinem jungen Fräulein:
Prinz Hamlet ist ein Fürst, zu hoch für dich;
Dies darf nicht sein; - und dann schrieb ich ihr vor,
Daß sie vor seinem Umgang sich verschlösse,
Nicht Boten zuließ', Pfänder nicht empfinge.
Drauf machte sie sich meinen Rat zunutz,
Und er, verstoßen, um es kurz zu machen,
Fiel in 'ne Traurigkeit; dann in ein Fasten;
Drauf in ein Wachen; dann in eine Schwäche;
Dann in Zerstreuung; und durch solche Stufen
In die Verrücktheit, die ihn jetzt verwirrt
Und sämtlich uns betrübt.

KÖNIG
Denkt Ihr, dies sei's?

KÖNIGIN
Es kann wohl sein, sehr möglich.

POLONIUS
Habt Ihrs schon je erlebt, das möcht ich wissen,
Daß ich mit Zuversicht gesagt: So ists,
Wenn es sich anders fand?

KÖNIG
Nicht, daß ich weiß.

POLONIUS
indem er auf seinen Kopf und Schulter zeigt.
Trennt dies von dem, wenns anders sich verhält.
Wenn eine Spur mich leitet, will ich finden,
Wo Wahrheit steckt, und steckte sie auch grade
Im Erdenzentrum.

KÖNIG
Wie läßt sichs näher prüfen?

POLONIUS
Ihr wißt, er geht wohl Stunden auf und ab
Hier in der Galerie.

KÖNIGIN
Das tut er wirklich.

POLONIUS
Da will ich meine Tochter zu ihm lassen.
Steht Ihr mit mir dann hinter einem Teppich,
Merkt auf den Hergang: wenn er sie nicht liebt
Und dadurch nicht um die Vernunft gekommen,
So laßt mich nicht mehr Staatsbeamten sein,
Laßt mich den Acker baun und Pferde halten!

KÖNIG
Wir wollen sehn.
[Hamlet kommt lesend.]

KÖNIGIN
Seht, wie der Arme traurig kommt und liest.

POLONIUS
Fort, ich ersuch Euch, beide fort von hier!
Ich mache gleich mich an ihn. O erlaubt!
König, Königin und Gefolge ab.
Hamlet kommt lesend.
Wie geht es meinem besten Prinzen Hamlet?

HAMLET
Gut, dem Himmel sei Dank!

POLONIUS
Kennt Ihr mich, gnädger Herr?

HAMLET
Vollkommen. Ihr seid ein Fischhändler.

POLONIUS
Das nicht, mein Prinz.

HAMLET
So wollt ich, daß Ihr ein so ehrlicher Mann wärt.

POLONIUS
Ehrlich, mein Prinz?

HAMLET
Ja, Herr, ehrlich sein heißt, wie es in dieser Welt hergeht:
Ein Auserwählter unter Zehntausenden sein.

POLONIUS
Sehr wahr, mein Prinz.

HAMLET
Denn wenn die Sonne Maden in einem toten Hunde ausbrütet, eine Gottheit, die Aas küßt ... Habt Ihr eine Tochter?

POLONIUS
Ja, mein Prinz.

HAMLET
Laßt sie nicht in der Sonne gehn! Empfänglichkeit ist ein Segen; aber da Eure Tochter empfangen könnte - seht Euch vor, Freund!

POLONIUS
Wie meint Ihr das?
Beiseit.
Immer auf meine Tochter angespielt. Und doch kannte er mich zuerst nicht; er sagte, ich wäre ein Fischhändler. Es ist weit mit ihm gekommen, sehr weit! Und wahrlich, in meiner Jugend brachte mich die Liebe auch in große Drangsale, fast so schlimm wie ihn. Ich will ihn wieder anreden. - Was leset Ihr, mein Prinz?

HAMLET
Worte, Worte, Worte.

POLONIUS
Aber wovon handelt es?

HAMLET
Wer handelt?

POLONIUS
Ich meine, was in dem Buche steht, mein Prinz.

HAMLET
Schändlichkeiten, Herr, denn der satirische Schuft da sagt, daß alte Männer graue Bärte haben, daß ihre Gesichter runzlicht sind, daß ihnen zäher Ambra und Harz aus den Augen trieft, daß sie einen überflüssigen Mangel an Witz und daneben sehr kraftlose Lenden haben. Ob ich nun gleich von allem diesem inniglich und festiglich überzeugt bin, so halte ich es doch nicht für billig, es so zu Papier zu bringen; denn Ihr selbst, Herr, würdet so alt werden wie ich, wenn Ihr wie ein Krebs rückwärts gehen könntet.

POLONIUS
beiseit.
Ist dies schon Tollheit, hat es doch Methode.
Wollt Ihr nicht aus der Luft gehn, Prinz?

HAMLET
In mein Grab?

POLONIUS
Ja, das wäre wirklich aus der Luft.
Beiseit.
Wie treffend manchmal seine Antworten sind! Dies ist ein Glück, das die Tollheit oft hat, womit es der Vernunft und dem gesunden Sinne nicht so gut gelingen könnte. Ich will ihn verlassen und sogleich darauf denken, eine Zusammenkunft zwischen ihm und meiner Tochter zu veranstalten. - Mein gnädigster Herr, ich will ehrerbietigst meinen Abschied von Euch nehmen.

HAMLET
Ihr könnt nichts von mir nehmen, Herr, das ich lieber fahren ließe - bis auf mein Leben, bis auf mein Leben.

POLONIUS
Lebt wohl, mein Prinz!

HAMLET
Die langweiligen alten Narren!
Rosenkranz und Güldenstern treten auf.

POLONIUS
Ihr sucht den Prinzen Hamlet auf; dort ist er.

ROSENKRANZ
zu Polonius.
Gott grüß Euch, Herr.
Polonius ab.

GÜLDENSTERN
Verehrter Prinz -

ROSENKRANZ
Mein teurer Prinz -

HAMLET
Meine trefflichen guten Freunde! Was machst du, Güldenstern? Ah, Rosenkranz! Gute Burschen, wie gehts euch?

ROSENKRANZ
Wie mittelmäßigen Söhnen dieser Erde.

GÜLDENSTERN
Glücklich, weil wir nicht überglücklich sind.
Wir sind der Knopf nicht auf Fortunas Mütze.

HAMLET
Noch die Sohlen ihrer Schuhe?

ROSENKRANZ
Auch das nicht, gnädger Herr.

HAMLET
Ihr wohnt also in der Gegend ihres Gürtels, oder im Mittelpunkte ihrer Gunst?

GÜLDENSTERN
Ja wirklich, wir sind mit ihr vertraut.

HAMLET
Im Schoße des Glücks? O sehr wahr, sie ist eine Metze. Was gibt es Neues?

ROSENKRANZ
Nichts, mein Prinz, außer daß die Welt ehrlich geworden ist.

HAMLET
So steht der Jüngste Tag bevor; aber eure Neuigkeit ist nicht wahr. Laßt mich euch näher befragen: Worin habt ihr, meine guten Freunde, es bei Fortunen versehen, daß sie euch hieher ins Gefängnis schickt?

GÜLDENSTERN
Ins Gefängnis, mein Prinz?

HAMLET
Dänemark ist ein Gefängnis.

ROSENKRANZ
So ist die Welt auch eins.

HAMLET
Ein stattliches, worin es viele Verschläge, Löcher und Kerker gibt. Dänemark ist einer der schlimmsten.

ROSENKRANZ
Wir denken nicht so davon, mein Prinz.

HAMLET
Nun, so ist es keiner für euch, denn an sich ist nichts weder gut noch schlimm; das Denken macht es erst dazu. Für mich ist es ein Gefängnis.

ROSENKRANZ
Nun, so macht es Euer Ehrgeiz dazu; es ist zu eng für Euren Geist.

HAMLET
O Gott, ich könnte in eine Nußschale eingesperrt sein und mich für einen König von unermeßlichem Gebiete halten, wenn nur meine bösen Träume nicht wären.

GÜLDENSTERN
Diese Träume sind in der Tat Ehrgeiz; denn das eigentliche Wesen des Ehrgeizes ist nur der Schatten eines Traumes.

HAMLET
Ein Traum ist selbst nur ein Schatten.

ROSENKRANZ
Freilich, und mir scheint der Ehrgeiz von so lustiger und loser Beschaffenheit, daß er nur der Schatten eines Schattens ist.

HAMLET
So sind also unsre Bettler Körper, und unsre Monarchen und gespreizten Helden der Bettler Schatten. Sollen wir an den Hof? Denn, mein Seel, ich weiß nicht zu räsonieren.

BEIDE
Wir sind beide zu Euren Diensten.

HAMLET
Nichts dergleichen, ich will euch nicht zu meinen übrigen Dienern rechnen, denn, um wie ein ehrlicher Mann mit euch zu reden: mein Gefolge ist abscheulich. Aber um auf der ebnen Heerstraße der Freundschaft zu bleiben: was macht ihr in Helsingör?

ROSENKRANZ
Wir wollten Euch besuchen, nichts andres.

HAMLET
Ich Bettler, der ich bin, sogar an Dank bin ich arm. Aber ich danke euch, und gewiß, liebe Freunde, mein Dank ist um einen Heller zu teuer. Hat man nicht nach euch geschickt? Ist es eure eigne Neigung? Ein freiwilliger Besuch? Kommt, kommt, geht ehrlich mit mir um! Wohlan! Nun, sagt doch!

GÜLDENSTERN
Was sollen wir sagen, gnädiger Herr?

HAMLET
Was ihr wollt - außer das Rechte. Man hat nach euch geschickt, und es liegt eine Art von Geständnis in euren Blicken, welche zu verstellen eure Bescheidenheit nicht schlau genug ist. Ich weiß, der gute König und die Königin haben nach euch geschickt.

ROSENKRANZ
Zu was Ende, mein Prinz?

HAMLET
Das muß ich von euch erfahren. Aber ich beschwöre euch bei den Rechten unsrer Schulfreundschaft, bei der Eintracht unsrer Jugend, bei der Verbindlichkeit unsrer stets bewahrten Liebe und bei allem noch Teurerem, was euch ein besserer Redner ans Herz legen könnte: geht grade heraus gegen mich, ob man nach euch geschickt hat oder nicht?

ROSENKRANZ
zu Güldenstern.
Was sagt Ihr?

HAMLET
beiseit.
So, nun habe ich euch schon weg.
Wenn ihr mich liebt, tretet nicht zurück.

GÜLDENSTERN
Gnädiger Herr, man hat nach uns geschickt.

HAMLET
Ich will euch sagen, warum; so wird mein Erraten eurer Entdeckung zuvorkommen, und eure Verschwiegenheit gegen den König und die Königin braucht keinen Zoll breit zu wanken. Ich habe seit kurzem - ich weiß nicht, wodurch - alle meine Munterkeit eingebüßt, meine gewohnten Übungen aufgegeben, und es steht in der Tat so übel um meine Gemütslage, daß die Erde, dieser treffliche Bau, mir nur ein kahles Vorgebirge scheint; seht ihr, dieser herrliche Baldachin, die Luft, dies wackre umwölbende Firmament, dies majestätische Dach mit goldnem Feuer ausgelegt: kommt es mir doch nicht anders vor als ein fauler, verpesteter Haufe von Dünsten. Welch ein Meisterwerk ist der Mensch! Wie edel durch Vernunft! Wie unbegrenzt an Fähigkeiten! In Gestalt und Bewegung wie bedeutend und wunderwürdig! Im Handeln wie ähnlich einem Engel! Im Begreifen wie ähnlich einem Gott! Die Zierde der Welt! Das Vorbild der Lebendigen! Und doch, was ist mir diese Quintessenz von Staube? Ich habe keine Lust am Manne - und am Weibe auch nicht - wiewohl ihr das durch euer Lächeln zu sagen scheint.

ROSENKRANZ
Mein Prinz, ich hatte nichts dergleichen im Sinne.

HAMLET
Weswegen lachtet ihr denn, als ich sagte: ich habe keine Lust am Manne?

ROSENKRANZ
Ich dachte, wenn dem so ist, welche Fastenbewirtung die Schauspieler bei Euch finden werden. Wir holten sie unterwegs ein; sie kommen her, um Euch ihre Dienste anzubieten.

HAMLET
Der den König spielt, soll willkommen sein, seine Majestät soll Tribut von mir empfangen; der fahrende Ritter soll seine Klinge und seine Tartsche brauchen; der Liebhaber soll nicht unentgeltlich seufzen; der Launige soll seine Rolle in Frieden endigen; der Narr soll den lachen machen, der ein kitzliges Zwerchfell hat; und das Fräulein soll ihre Gesinnung frei heraussagen, oder die Verse sollen dafür hinken. Was für eine Gesellschaft ist es?

ROSENKRANZ
Dieselbe, an der Ihr so viel Vergnügen zu finden pflegtet: die Schauspieler aus der Stadt.

HAMLET
Wie kommt es, daß sie umherstreifen? Ein fester Aufenthalt war vorteilhafter, sowohl für ihren Ruf als ihre Einnahme.

ROSENKRANZ
Ich glaube, diese Unterbrechung rührt von der kürzlich aufgekommenen Neuerung her.

HAMLET
Genießen sie noch dieselbe Achtung wie damals, da ich in der Stadt war? Besucht man sie ebensosehr?

ROSENKRANZ
Nein, freilich nicht.

HAMLET
Wie kommt das? Werden sie rostig?

ROSENKRANZ
Nein, ihre Bemühungen halten den gewohnten Schritt; aber es hat sich da eine Brut von Kindern angefunden, kleine Nestlinge, die immer über das Gespräch hinausschreien und höchst grausamlich dafür beklatscht werden. Diese sind jetzt Mode und beschnattern die gemeinen Theater - so nennen sie's - dergestalt, daß viele, die Degen tragen, sich vor Gänsekielen fürchten und kaum wagen hinzugehn.

HAMLET
Wie, sind es Kinder? Wer unterhält sie? Wie werden sie besoldet? Wollen sie nicht länger bei der Kunst bleiben, als sie den Diskant singen können? Weiden sie nicht nachher sagen, wenn sie zu gemeinen Schauspielern heranwachsen - wie sehr zu vermuten ist, wenn sie sich auf nichts Bessers stützen -, daß ihre Komödienschreiber unrecht tun, sie gegen ihre eigne Zukunft deklamieren zu lassen?

ROSENKRANZ
Wahrhaftig, es hat an beiden Seiten viel zu tun gegeben, und das Volk macht sich kein Gewissen daraus, sie zum Streit aufzuhetzen. Eine Zeitlang war kein Geld mit einem Stück zu gewinnen, wenn Dichter und Schauspieler sich nicht darin mit ihren Gegnern herumzausten.

HAMLET
Ist es möglich?

GÜLDENSTERN
Oh, sie haben sich gewaltig die Köpfe zerbrochen.

HAMLET
Tragen die Kinder den Sieg davon?

ROSENKRANZ
Allerdings, gnädiger Herr, den Herkules und seine Last obendrein.

HAMLET
Es ist nicht sehr zu verwundern, denn mein Oheim ist König von Dänemark, und eben die, welche ihm Gesichter zogen, solange mein Vater lebte, geben zwanzig, vierzig, fünfzig bis hundert Dukaten für sein Porträt in Miniatur. Wetter, es liegt hierin etwas Übernatürliches, wenn die Philosophie es nur ausfindig machen könnte.
Trompetenstoß hinter der Szene.

GÜLDENSTERN
Da sind die Schauspieler.

HAMLET
Liebe Herren, Ihr seid willkommen zu Helsingör. Gebt mir Eure Hände! Wohlan! Manieren und Komplimente sind das Zubehör der Bewillkommnung. Laßt mich Euch auf diese Weise begrüßen, damit nicht mein Benehmen gegen die Schauspieler - das, sag ich Euch, sich äußerlich gut ausnehmen muß - einem Empfang ähnlicher sehe als der Eurige. Ihr seid willkommen! Aber mein Oheim-Vater und meine Tante-Mutter irren sich.

GÜLDENSTERN
Worin, mein teurer Prinz?

HAMLET
Ich bin nur toll bei Nordnordwest; wenn der Wind südlich ist, kann ich einen Falken von einem Reiher unterscheiden.
Polonius kommt.

POLONIUS
Es gehe Euch wohl, meine Herren!

HAMLET
Hört, Güldenstern - und Ihr auch -, an jedem Ohr ein Hörer: Der große Säugling, den Ihr da seht, ist noch nicht aus den Kinderwindeln.

ROSENKRANZ
Vielleicht ist er zum zweitenmal hineingekommen, denn man sagt, alte Leute werden wieder Kinder.

HAMLET
Ich prophezeie, daß er kommt, um mir von den Schauspielern zu sagen. Gebt acht! - Ganz richtig, Herr, am Montagmorgen, da war es eben.

POLONIUS
Gnädiger Herr, ich habe Euch Neuigkeiten zu melden.

HAMLET
Gnädiger Herr, ich habe Euch Neuigkeiten zu melden. Als Roscius ein Schauspieler zu Rom war -

POLONIUS
Die Schauspieler sind hergekommen, gnädiger Herr.

HAMLET
Lirum, larum.

POLONIUS
Auf meine Ehre -

HAMLET
»Auf seinem Eselein jeder kam« -

POLONIUS
Die besten Schauspieler in der Welt, sei es für Tragödie, Komödie, Historie, Pastorale, Pastoral-Komödie, Historiko-Pastorale, Tragiko-Historie, Tragiko-Komiko-Historiko-Pastorale, für Einheit des Ortes oder nicht beschränktes Gedicht. Seneca kann für sie nicht zu traurig, noch Plautus zu lustig sein. Für das Aufgeschriebene und für den Stegreif haben sie ihresgleichen nicht.

HAMLET

»O Jephtha, Richter Israels« -
Welchen Schatz hattest du?
POLONIUS
Welchen Schatz hatte er, gnädiger Herr?

HAMLET
Nun:

Hätt ein schön Töchterlein, nicht mehr,
Die liebt' er aus der Maßen sehr

POLONIUS
beiseit.
Immer meine Tochter.

HAMLET
Habe ich nicht recht, alter Jephtha?

POLONIUS
Wenn Ihr mich Jephtha nennt, gnädiger Herr, so habe ich eine Tochter, die ich aus der Maßen sehr liebe.

HAMLET
Nein, das folgt nicht.

POLONIUS
Was folgt denn, gnädiger Herr?

HAMLET
Ei,

»Wie das Los fiel,
Nach Gottes Will
Und dann wißt Ihr Darauf traf ein,
Was sollte sein
Der erste Vers von dem Kirchenlied wird Euch mehr verraten; denn seht, da kommen die Abkützer meines Gesprächs.
Vier oder fünf Schauspieler kommen.
Seid willkommen, ihr Herren, willkommen alle! - Ich freue mich, dich wohl zu sehn. - Willkommen, meine guten Freunde! - Ach, alter Freund, wie ist dein Gesicht betroddelt, seit ich dich zuletzt sah! Du wirst doch hoffentlich nicht in den Bart murmeln? - Ei, meine schöne junge Dame! Bei Unsrer Frauen, Fräulein, Ihr seid dem Himmel um die Höhe eines Absatzes näher gerückt, seit ich Euch zuletzt sah. Gebe Gott, daß Eure Stimme nicht wie ein abgenutztes Goldstück den hellen Klang verloren haben mag. - Willkommen alle, ihr Herrn! Wir wollen frisch daran, wie französische Falkoniere, auf alles losfliegen, was uns vorkommt. Gleich etwas vorgestellt! Laßt uns eine Probe eurer Kunst sehen. Wohlan, eine pathetische Rede!
ERSTER SCHAUSPIELER
Welche Rede, mein wertester Prinz?

HAMLET
Ich hörte dich einmal eine Rede vortragen - aber sie ist niemals aufgeführt oder, wenn es geschah, nicht mehr als einmal; denn ich erinnre mich, das Stück gefiel dem großen Haufen nicht, es war Kaviar für das Volk. Aber es war, wie ich es nahm, und andere, deren Urteil in solchen Dingen den Rang über dem meinigen behauptete, ein vortreffliches Stück, in seinen Szenen wohlgeordnet und mit ebensoviel Mäßigung als Verstand abgefaßt. Ich erinnre mich, daß jemand sagte, es sei kein Salz und Pfeffer in den Zeilen, um den Sinn zu würzen, und kein Sinn in dem Ausdrucke, der an dem Verfasser Ziererei verraten könnte, sondern er nannte es eine schlichte Manier, so gesund als angenehm, und ungleich mehr schön als geschmückt. Eine Rede darin liebte ich vorzüglich: es war des Äneas Erzählung an Dido; besonders da herum, wo er von der Ermordung Priams spricht. Wenn Ihr sie im Gedächtnisse habt, so fangt bei dieser Zeile an. - Laßt sehn, laßt sehn -
Der rauhe Pyrrhus, gleich Hyrkaniens Leun -
nein, ich irre mich; aber es fängt mit Pyrrhus an.
Der rauhe Pyrrhus, er, des düstre Waffen,
Schwarz wie sein Vorsatz, glichen jener Nacht,
Wo er sich barg im unglückschwangern Roß,
Hat jetzt die furchtbare Gestalt beschmiert
Mit grauserer Heraldik; rote Farbe
Ist er von Haupt zu Fuß; scheußlich geschmückt
Mit Blut der Väter, Mütter, Töchter, Söhne,
Gedörrt und klebend durch der Straßen Glut,
Die grausames, verfluchtes Licht verleihn
Zu ihres Herrn Mord. Heiß von Zorn und Feuer,
Bestrichen mit verdicktem Blut, mit Augen,
Karfunkeln gleichend, sucht der höllische Pyrrhus
Altvater Priamus -
Fahrt nun so fort.

POLONIUS
Bei Gott, mein Prinz, wohl vorgetragen mit gutem Ton und gutem Anstande.

ERSTER SCHAUSPIELER
Er findt alsbald ihn,
Wie er den Feind verfehlt; sein altes Schwert
Gehorcht nicht seinem Arm, liegt, wo es fällt,
Unachtsam des Befehls. Ungleich gepaart
Stürzt Pyrrhus auf den Priam, holt weit aus -
Doch bloß vom Sausen seines grimmen Schwertes
Fällt der entnervte Vater. Ilium
Schien leblos, dennoch diesen Streich zu fühlen;
Es bückt sein Flammengipfel sich hinab
Bis auf den Grund und nimmt mit furchtbarm Krachen
Gefangen Pyrrhus' Ohr; denn seht, sein Schwert,
Das schon sich senkt auf des ehrwürdgen Priam
Milchweißes Haupt, schien in der Luft gehemmt.
So stand er, ein gemalter Wütrich, da
Und, wie parteilos zwischen Kraft und Willen,
Tat nichts.
Doch wie wir oftmals sehn vor einem Sturm
Ein Schweigen in den Himmeln, still die Wolken,
Die Winde sprachlos und der Erdball drunten
Dumpf wie der Tod - mit eins zerreißt die Luft
Der grause Donner: so, nach Pyrrhus' Säumnis,
Treibt ihn erweckte Rach aufs neu zum Werk,
Und niemals trafen der Zyklopen Hammer
Die Rüstung Mars', gestählt für ewge Dauer,
Fühlloser als des Pyrrhus blutges Schwert
Jetzt fällt auf Priamus. -
Pfui, Metze du, Fortuna! All ihr Götter
Im großen Rat, nehmt ihre Macht hinweg;
Brecht alle Speichen, Felgen ihres Rades,
Die runde Nabe rollt vom Himmelsberg
Hinunter bis zur Hölle!

POLONIUS
Das ist zu lang.

HAMLET
Es soll mit Eurem Barte zum Balbier. - Ich bitte dich, weiter! Er mag gern eine Posse oder eine Zotengeschichte, sonst schläft er. Sprich weiter, komm auf Hekuba.

ERSTER SCHAUSPIELER
Doch wer, o Jammer!
Die schlotterichte Königin gesehn -

HAMLET
Die schlotterichte Königin?

POLONIUS
Das ist gut; schlotterichte Königin ist gut.

ERSTER SCHAUSPIELER
Wie barfuß sie umherlief und den Flammen
Mit Tränengüssen drohte, einen Lappen
Auf diesem Haupte, wo das Diadem
Vor kurzem stand, und an Gewandes Statt
Um die von Wehn erschöpften magern Weichen
Ein Laken, in des Schreckens Hast ergriffen -
Wer das gesehn, mit giftgem Schelten hätte
Der an Fortunen Hochverrat verübt.
Doch wenn die Götter selbst sie da gesehn,
Als sie den Pyrrhus argen Hohn sah treiben,
Zerfetzend mit dem Schwert des Gatten Leib,
Der erste Ausbruch ihres Schreies hätte,
Ist ihnen Sterbliches nicht gänzlich fremd,
Des Himmels glühnde Augen taun gemacht,
Und Götter Mitleid fühlen.

POLONIUS
Seht doch, hat er nicht die Farbe verändert und Tränen in den Augen? Bitte, halt inne!

HAMLET
Es ist gut, du sollst mir das übrige nächstens hersagen. - Lieber Herr, wollt Ihr für die Bewirtung der Schauspieler sorgen? Hört Ihr, laßt sie gut behandeln, denn sie sind der Spiegel und die abgekürzte Chronik des Zeitalters. Es wäre Euch besser, nach dem Tode eine schlechte Grabschrift zu haben als üble Nachrede von ihnen, solange Ihr lebt.

POLONIUS
Gnädiger Herr, ich will sie nach ihrem Verdienst behandeln.

HAMLET
Potz Wetter, Mann, viel besser! Behandelt jeden Menschen nach seinem Verdienst, und wer ist vor Schlägen sicher? Behandelt sie nach Eurer eignen Ehre und Würdigkeit; je weniger sie verdienen, desto mehr Verdienst hat Eure Güte. Nehmt sie mit!

POLONIUS
Kommt, Ihr Herren!

HAMLET
Folgt ihm, meine Freunde; morgen soll ein Stück aufgeführt werden. -
Polonius geht mit allen Schauspielern außer dem ersten ab.
Hört, alter Freund, könnt Ihr die Ermordung Gonzagos spielen?

ERSTER SCHAUSPIELER
Ja, gnädiger Herr.

HAMLET
Gebt uns das morgen abend. Ihr könntet im Notfalle eine Rede von ein Dutzend Zeilen auswendig lernen, die ich abfassen und einrücken möchte? Nicht wahr?

ERSTER SCHAUSPIELER
Ja, gnädiger Herr.

HAMLET
Sehr wohl! - Folgt dem Herrn, und daß Ihr Euch nicht über ihn lustig macht.
[Polonius und die Schauspieler ab.] Erster Schaupieler ab.
Meine guten Freunde,
zu Rosenkranz und Güldenstern.
ich beurlaube mich von euch bis abends. Ihr seid willkommen zu Helsingör!

ROSENKRANZ [und GÜLDENSTERN]
Sehr wohl, gnädiger Herr!
Rosenkranz und Güldenstern ab.

HAMLET
Nun, Gott geleit euch! - Jetzt bin ich allein.
O welch ein Schurk und niedrer Sklav bin ich!
Ists nicht erstaunlich, daß der Spieler hier
Bei einer bloßen Dichtung, einem Traum
Der Leidenschaft, vermochte seine Seele
Nach eignen Vorstellungen so zu zwingen,
Daß sein Gesicht von ihrer Regung blaßte,
Sein Auge naß, Bestürzung in den Mienen,
Gebrochne Stimm und seine ganze Haltung
Nach seinem Sinn. Und alles das um nichts!
Um Hekuba!
Was ist ihm Hekuba, was ist er ihr,
Daß er um sie soll weinen? Hätte er
Das Merkwort und den Ruf zur Leidenschaft
Wie ich: was würd er tun? Die Bühn in Tränen
Ertränken und das allgemeine Ohr
Mit grauser Red erschüttern, bis zum Wahnwitz
Den Schuldgen treiben und den Freien schrecken,
Unwissende verwirren, ja betäuben
Die Fassungskraft des Auges und des Ohrs.
Und ich,
Ein blöder, schwachgemuter Schurke, schleiche
Wie Hans der Träumer, meiner Sache fremd,
Und kann nichts sagen, nicht für einen König,
An dessen Eigentum und teurem Leben
Verdammter Raub geschah. Bin ich 'ne Memme?
Wer nennt mich Schelm, bricht mir den Kopf entzwei,
Rauft mir den Bart und wirft ihn mir ins Antlitz?
Zwickt an der Nase mich und straft mich Lügen
Tief in den Hals hinein? Wer tut mir dies?
Ha, nähm ichs eben doch. Es ist nicht anders:
Ich hege Taubenmut, mir fehlts an Galle,
Die bitter macht den Druck, sonst hätt ich längst
Des Himmels Geier gemästet mit dem Aas
Des Sklaven. Blutiger, kupplerischer Bube!
Fühlloser, falscher, geiler, schnöder Bube!
O Rache!
Ha, welch ein Esel bin ich! Trefflich, brav,
Daß ich, der Sohn von einem teuren Vater,
Der mir ermordet wand, von Höll und Himmel
Zur Rache angespornt, mit Worten nur,
Wie eine Hure, muß mein Herz entladen
Und mich aufs Fluchen legen wie ein Weibsbild,
Wie eine Küchenmagd!
Pfui drüber! Frisch ans Werk, mein Kopf! Hum, hum,
Ich hab gehört, daß schuldige Geschöpfe,
Bei einem Schauspiel sitzend, durch die Kunst
Der Bühne so getroffen worden sind
Im innersten Gemüt, daß sie sogleich
Zu ihren Missetaten sich bekannt,
Denn Mord, hat er schon keine Zunge, spricht
Mit wundervollen Stimmen. Sie sollen was
Wie die Ermordung meines Vaters spielen
Vor meinem Oheim: ich will seine Blicke
Beachten, will ihn bis ins Leben prüfen;
Stutzt er, so weiß ich meinen Weg. Der Geist,
Den ich gesehen, kann ein Teufel sein;
Der Teufel hat Gewalt, sich zu verkleiden
In lockende Gestalt, ja, und vielleicht,
Bei meiner Schwachheit und Melancholie,
Da er sehr mächtig ist bei solchen Geistern,
Täuscht er mich zum Verderben. Ich will Grund,
Der sichrer ist. Das Schauspiel sei die Schlinge,
In die den König sein Gewissen bringe.
Ab.







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DRITTER AKT
ERSTE SZENE

Ein Zimmer im Schlosse

Der König, die Königin, Polonius, Ophelia, Rosenkranz und Güldenstern.

KÖNIG
Und lockt ihm keine Wendung des Gesprächs
Heraus, warum er die Verwirrung anlegt,
Die seiner Tage Ruh so wild zerreißt
Mit stürmischer, gefährlicher Verrücktheit?

ROSENKRANZ
Er gibt es zu, er fühle sich verstört,
Allein wodurch, will er durchaus nicht sagen.

GÜLDENSTERN
Noch bot er sich der Prüfung willig dar,
Hielt sich vielmehr mit schlauem Wahnwitz fern,
Wenn wir ihn zum Geständnis bringen wollten
Von seinem wahren Zustand.

KÖNIGIN
Und wie empfing er Euch?

ROSENKRANZ
Ganz wie ein Weltmann.

GÜLDENSTERN
Doch tat er seiner Fassung viel Gewalt.

ROSENKRANZ
Mit Fragen karg, allein auf unsre Fragen
Freigebig mit der Antwort.

KÖNIGIN
Ludet Ihr
Zu irgendeinem Zeitvertreib ihn ein?

ROSENKRANZ
Es traf sich grade, gnädge Frau, daß wir
Schauspieler auf dem Wege eingeholt;
Wir sagten ihm von diesen, und es schien,
Er hörte dies mit einer Art von Freude.
Sie halten hier am Hof herum sich auf
Und haben, wie ich glaube, schon Befehl,
Zu Nacht vor ihm zu spielen.

POLONIUS
Ja, so ists,
Und mich ersucht' er, Eure Majestäten
Zum Hören und zum Sehn des Dings zu laden.

KÖNIG
Von ganzem Herzen, und es freut mich sehr,
Daß er sich dahin neigt.
Ihr lieben Herrn, schärft seine Lust noch ferner
Und treibt ihn zu Ergötzlichkeiten an!

ROSENKRANZ
Wir wollens, gnädger Herr.
Rosenkranz und Güldenstern ab.

KÖNIG
Verlaß uns, liebe Gertrud, ebenfalls;
Wir haben Hamlet heimlich herbestellt,
Damit er hier Ophelien wie durch Zufall
Begegnen mag.
Ihr Vater und ich selbst, berufne Späher,
Wir wollen so uns stellen, daß wir sehend,
Doch ungesehn, von der Zusammenkunft
Gewiß urteilen und erraten können,
Obs seiner Liebe Kummer ist, ob nicht,
Was so ihn quält.

KÖNIGIN
Ich werde Euch gehorchen.
Was Euch betrifft, Ophelia, wünsch ich nur,
Daß Eure Schönheit der beglückte Grund
Von Hamlets Wildheit sei; dann darf ich hoffen,
Daß Eure Tugenden zurück ihn bringen
Auf den gewohnten Weg, zu beider Ehre.

OPHELIA
Ich wünsch es, gnädge Frau.
Königin ab.

POLONIUS
Geht hier umher, Ophelia! - Gnädiger Herr,
Nehmen wir unsern Platz !
Zu Ophelia.
Lest in dem Buch,
Daß solcher Übung Schein die Einsamkeit
Bemäntle. - Wir sind oft hierin zu tadeln
- Gar viel erlebt mans -: mit der Andacht Mienen
Und frommem Wesen überzuckern wir
Den Teufel selbst.

KÖNIG
beiseit.
O allzuwahr! Wie trifft
Dies Wort mit scharfer Geißel mein Gewissen!
Der Metze Wange, schön durch falsche Kunst,
Ist häßlicher bei dem nicht, was ihr hilft,
Als meine Tat bei meinem glattsten Wort.
O schwere Last!

POLONIUS
Ich hör ihn kommen; ziehn wir uns zurück.
König und Polonius ab. Hamlet tritt auf.

HAMLET
Sein oder Nichtsein; das ist hier die Frage:
Obs edler im Gemüt, die Pfeil und Schleudern
Des wütenden Geschicks erdulden oder,
Sich waffnend gegen eine See von Plagen,
Durch Widerstand sie enden? Sterben - schlafen -
Nichts weiter! Und zu wissen, daß ein Schlaf
Das Herzweh und die tausend Stöße endet,
Die unsers Fleisches Erbteil, 's ist ein Ziel,
Aufs innigste zu wünschen. Sterben - schlafen -
Schlafen! Vielleicht auch träumen! Ja, da liegts:
Was in dem Schlaf für Träume kommen mögen,
Wenn wir die irdische Verstrickung lösten,
Das zwingt uns stillzustehn. Das ist die Rücksicht,
Die Elend läßt zu hohen Jahren kommen.
Denn wer ertrüg der Zeiten Spott und Geißel,
Des Mächtigen Druck, des Stolzen Mißhandlungen,
Verschmähter Liebe Pein, des Rechtes Aufschub,
Den Übermut der Ämter und die Schmach,
Die Unwert schweigendem Verdienst erweist,
Wenn er sich selbst in Ruhstand setzen könnte
Mit einer Nadel bloß? Wer trüge Lasten
Und stöhnt' und schwitzte unter Lebensmüh?
Nur daß die Furcht vor etwas nach dem Tod,
Das unentdeckte Land, von des Bezirk
Kein Wandrer wiederkehrt, den Willen irrt,
Daß wir die Übel, die wir haben, lieber
Ertragen als zu unbekannten fliehn.
So macht Bewußtsein Feige aus uns allen;
Der angebornen Farbe der Entschließung
Wird des Gedankens Blässe angekränkelt;
Und Unternehmen, hochgezielt und wertvoll,
Durch diese Rücksicht aus der Bahn gelenkt,
Verlieren so der Handlung Namen. - Still!
Die reizende Ophelia! - Nymphe, schließ
In dein Gebet all meine Sünden ein!

OPHELIA
Mein Prinz, wie geht es Euch seit so viel Tagen?

HAMLET
Dank untertänigst; wohl, wohl, wohl.

OPHELIA
Mein Prinz, ich hab von Euch noch Angedenken,
Die ich schon längst begehrt zurückzugeben.
Ich bitt Euch nun, nehmt sie zurück!

HAMLET
Nein, ich nicht;
Ich gab Euch niemals was.

OPHELIA
Mein teurer Prinz, Ihr wißt gar wohl, Ihr tatets,
Und Worte süßen Hauchs dabei, die reicher
Die Dinge machten. Da ihr Duft dahin,
Nehmt dies zurück; dem edleren Gemüte
Verarmt die Gabe mit des Gebers Güte.
Hier, gnädger Herr!

HAMLET
Haha! Seid Ihr tugendhaft?

OPHELIA
Gnädiger Herr?

HAMLET
Seid Ihr schön?

OPHELIA
Was meint Eure Hoheit?

HAMLET
Daß, wenn Ihr tugendhaft und schön seid, Eure Tugend keinen Verkehr mit Eurer Schönheit pflegen muß.

OPHELIA
Könnte Schönheit wohl bessern Umgang haben als mit der Tugend?

HAMLET
Ja freilich: denn die Macht der Schönheit wird eher die Tugend in eine Kupplerin verwandeln, als die Kraft der Tugend die Schönheit sich ähnlich machen kann. Dies war ehedem paradox, aber nun bestätigt es die Zeit. Ich liebte Euch einst.

OPHELIA
In der Tat, mein Prinz, Ihr machtet michs glauben.

HAMLET
Ihr hättet mir nicht glauben sollen, denn Tugend kann sich unserm alten Stamm nicht so einimpfen, daß wir nicht einen Geschmack von ihm behalten sollten. Ich liebte Euch nicht.

OPHELIA
Um so mehr wurde ich betrogen.

HAMLET
Geh in ein Kloster! Warum wolltest du Sünder zur Welt bringen? Ich bin selbst leidlich tugendhaft, dennoch könnte ich mich solcher Dinge anklagen, daß es besser wäre, meine Mutter hätte mich nicht geboren. Ich bin sehr stolz, rachsüchtig, ehrgeizig; mir stehn mehr Vergehungen zu Dienst, als ich Gedanken habe, sie zu hegen, Einbildungskraft, ihnen Gestalt zu geben, oder Zeit, sie auszuführen. Wozu sollen solche Gesellen wie ich zwischen Himmel und Erde herumkriechen? Wir sind ausgemachte Schurken, alle: trau keinem von uns! Geh deines Wegs zum Kloster! Wo ist Euer Vater?

OPHELIA
Zu Hause, gnädiger Herr.

HAMLET
Laßt die Tür hinter ihm abschließen, damit er den Narren nirgend anders spielt als in seinem eignen Hause. Leb wohl!

OPHELIA
O hilf ihm, gütger Himmel!

HAMLET
Wenn du heiratest, so gebe ich dir diesen Fluch zur Aussteuer: Sei so keusch wie Eis, so rein wie Schnee, du wirst der Verleumdung nicht entgehn. Geh in ein Kloster, leb wohl! Oder willst du durchaus heiraten, nimm einen Narren, denn gescheite Männer wissen allzu gut, was ihr für Ungeheuer aus ihnen macht. In ein Kloster, geh, und das schleunig! Leb wohl!

OPHELIA
Himmlische Mächte, stellt ihn wieder her!

HAMLET
Ich weiß auch von euren Malereien Bescheid, recht gut. Gott hat euch ein Gesicht gegeben, und ihr macht euch ein anders; ihr schlendert, ihr trippelt, und ihr lispelt und gebt Gottes Schöpfung verhunzte Namen und gebt eure Lüsternheit als Einfalt aus. Geht mir, nichts weiter davon, es hat mich toll gemacht. Ich sage, wir wollen nichts mehr von Heiraten wissen; wer schon verheiratet ist - alle außer einem -, soll das Leben behalten; die übrigen sollen bleiben, wie sie sind. In ein Kloster, geh!
Hamlet ab.

OPHELIA
O welch ein edler Geist ist hier zerstört!
Des Hofmanns Auge, des Gelehrten Zunge,
Des Kriegers Arm, des Staates Blum und Hoffnung,
Der Sitte Spiegel und der Bildung Muster,
Das Merkziel der Betrachter: ganz, ganz hin!
Und ich, der Fraun elendeste und ärmste,
Die seiner Schwüre Honig sog, ich sehe
Die edle, hochgebietende Vernunft
Mißtönend wie verstimmte Glocken jetzt,
Dies hohe Bild, die Züge blühnder Jugend,
Durch Überschwang zerrüttet: Weh mir, wehe,
Daß ich sah, was ich sah, und sehe, was ich sehe.
Der König und Polonius treten wieder vor.

KÖNIG
Aus Liebe? Nein, sein Hang geht dahin nicht,
Und was er sprach, obwohl ein wenig wüst,
War nicht wie Wahnsinn. Ihm ist was im Gemüt,
Worüber seine Schwermut brütend sitzt,
Und, wie ich sorge, wird die Ausgeburt
Gefährlich sein. Um dem zuvorzukommen,
Hab ichs mit schleuniger Entschließung
So vorgesehn: Er soll in Eil nach England,
Den Rückstand des Tributes einzufordern.
Vielleicht vertreibt die See, die neuen Länder
Samt wechselvollen Gegenständen ihm
Dies Etwas, das in seinem Herzen steckt,
Worauf sein Kopf, beständig hinarbeitend,
Ihn so sich selbst entzieht. Was meint Ihr dazu?

POLONIUS
Es wird ihm wohltun, aber dennoch glaub ich,
Der Ursprung und Beginn von seinem Gram
Sei unerhörte Liebe. - Nun, Ophelia?
Ihr braucht uns nicht zu melden, was der Prinz
Gesagt; wir hörten alles. - Gnädger Herr,
Tut nach Gefallen; aber dünkts Euch gut,
So laßt doch seine königliche Mutter
Ihn nach dem Schauspiel ganz allein ersuchen,
Sein Leid ihr kundzutun; sie mag nur rund
Heraus ihn fragen. Ich, wenns Euch beliebt,
Stell ins Gehör der Unterredung mich.
Wenn sie es nicht herausbringt, schickt ihn dann
Nach England oder schließt ihn irgendwo
Nach Eurer Weisheit ein.

KÖNIG
Es soll geschehn;
Wahnsinn bei Großen darf nicht ohne Wache gehn.
Alle ab.






ZWEITE SZENE

Ein Saal im Schlosse

Hamlet und einige Schauspieler treten auf.

HAMLET
Seid so gut und haltet die Rede, wie ich sie Euch vorsagte, leicht von der Zunge weg; aber wenn Ihr den Mund so voll nehmt wie viele unsrer Schauspieler, so möchte ich meine Verse ebensogern von dem Ausrufer hören. Sägt auch nicht zuviel mit den Händen durch die Luft, so - sondern behandelt alles gelinde! Denn mitten in dem Strom, Sturm und, wie ich sagen mag, Wirbelwind Eurer Leidenschaft müßt Ihr Euch eine Mäßigung zu eigen machen, die ihr Geschmeidigkeit gibt. O es ärgert mich in der Seele, wenn solch ein handfester, haarbuschiger Geselle eine Leidenschaft in Fetzen, in rechte Lumpen zerreißt, um den Gründlingen im Parterre in die Ohren zu donnern, die meistens von nichts wissen als verworrnen, stummen Pantomimen und Lärm. Ich möchte solch einen Kerl für sein Bramarbasieren prügeln lassen; er herodisiert noch über den Herodes. Ich bitte Euch, vermeidet das!

ERSTER SCHAUSPIELER
Eure Hoheit kann sich darauf verlassen.

HAMLET
Seid auch nicht allzu zahm, sondern laßt euer eignes Urteil euren Meister sein: paßt die Gebärde dem Wort, das Wort der Gebärde an; wobei ihr sonderlich darauf achten müßt, niemals die Bescheidenheit der Natur zu überschreiten. Denn alles, was so übertrieben wird, ist dem Vorhaben des Schauspiels entgegen, dessen Zweck sowohl anfangs als jetzt war und ist, der Natur gleichsam den Spiegel vorzuhalten; der Tugend ihre eignen Züge, der Schmach ihr eignes Bild, und dem Jahrhundert und Körper der Zeit den Abdruck seiner Gestalt zu zeigen. Wird dies nun übertrieben oder zu schwach vorgestellt, so kann es zwar den Unwissenden zum Lachen bringen, aber den Einsichtsvollen muß es verdrießen, und der Tadel von einem solchen muß in eurer Schätzung ein ganzes Schauspielhaus voll von andern überwiegen. O es gibt Schauspieler, die ich habe spielen sehn und von andern preisen hören, und das höchlich, die, gelinde zu sprechen, weder den Ton noch den Gang von Christen, Heiden oder Türken hatten und so stolzierten und blökten, daß ich glaubte, irgendein Handlanger der Natur hätte Menschen gemacht und sie wären ihm nicht geraten: so abscheulich ahmten sie die Menschheit nach.

ERSTER SCHAUSPIELER
Ich hoffe, wlr haben das bei uns so ziemlich abgestellt.

HAMLET
O stellt es ganz und gar ab! Und die bei euch die Narren spielen, laßt sie nicht mehr sagen, als in ihrer Rolle steht; denn es gibt ihrer, die selbst lachen, um einen Haufen alberne Zuschauer zum Lachen zu bringen, wenn auch zu derselben Zeit irgendein notwendiger Punkt des Stückes zu erwägen ist. Das ist schändlich und beweist einen jämmerlichen Ehrgeiz an dem Narren, der es tut. Geht, macht euch fertig!
Schauspieler ab. Polonius, Rosenkranz und Güldenstern kommen.
Nun, Herr, will der König dies Stück Arbeit anhören?

POLONIUS
Ja, die Königin auch, und das sogleich.

HAMLET
Heißt die Schauspieler sich eilen!
Polonius ab.
Wollt ihr beide sie treiben helfen?

ROSENKRANZ und GÜLDENSTERN
Ja, gnädiger Herr.
Beide ab.

HAMLET
He! Horatio!
Horatio kommt.

HORATTO
Hier, lieber Prinz, zu Eurem Dienst!

HAMLET
Du bist grad ein so wackrer Mann, Horatio,
Als je mein Umgang einem mich verbrüdert.

HORATIO
Mein bester Prinz -

HAMLET
Nein, glaub nicht, daß ich schmeichle.
Was für Befördrung hofft ich wohl von dir,
Der keine Rent als seinen muntern Geist,
Um sich zu nähren und zu kleiden, hat?
Weswegen doch dem Armen schmeicheln? Nein,
Die Honigzunge lecke dumme Pracht,
Es beuge sich des Knies gelenke Angel,
Wo Kriecherei Gewinn bringt. Hör mich an:
Seit meine teure Seele Herrin war
Von ihrer Wahl und Menschen unterschied,
Hat sie dich auserkoren. Denen du warst,
Als littst du nichts, indem du alles littest,
Ein Mann, der Stöß und Gaben vom Geschick
Mit gleichem Dank genommen; und gesegnet,
Wes Blut und Urteil sich so gut vermischt,
Daß er zur Pfeife nicht Fortunen dient,
Den Ton zu spielen, den ihr Finger greift.
Gebt mir den Mann, den seine Leidenschaft
Nicht macht zum Sklaven, und ich will ihn hegen
Im Herzensgrund, ja in des Herzens Herzen,
Wie ich dich hege. - Schon zu viel hievon.
Es gibt zu Nacht ein Schauspiel vor dem König;
Ein Auftritt kommt darin dem Umstand nah,
Den ich von meines Vaters Tod dir sagte.
Ich bitt dich, wenn du das im Gange siehst,
So achte mit der ganzen Kraft der Seele
Auf meinen Oheim; wenn die verborgne Schuld
Bei einer Rede nicht zum Vorschein kommt,
So ists ein höllscher Geist, den wir gesehn,
Und meine Einbildungen sind so schwarz
Wie Schmiedezeug Vulkans. Bemerk ihn recht,
Ich will an sein Gesicht mein Auge klammern,
Und wir vereinen unser Urteil dann
Zur Prüfung seines Aussehns.

HORATIO
Gut, mein Prinz!
Wenn er was stiehlt, indes das Spiel gespielt wird,
Und schlüpfet durch, so zahl ich für den Diebstahl.

HAMLET
Man kommt zum Schauspiel, ich muß närrisch sein.
Wählt einen Platz!
Ein dänischer Marsch. Trompetenstoß. Der König, die Königin, Polonius, Ophelia, Rosenkranz, Güldenstern und andre.

KÖNIG
Wie lebt unser Vetter Hamlet?

HAMLET
Vortrefflich, mein Treu: von dem Chamäleonsgericht. Ich esse Luft, ich werde mit Versprechungen gestopft; so kann man Kapaunen nicht mästen.

KÖNIG
Ich habe nichts mit dieser Antwort zu schaffen, Hamlet; dies sind meine Worte nicht.

HAMLET
Meine auch nicht mehr.
Zu Polonius.
Ihr spieltet einmal auf der Universität, Herr? Sagtet Ihr nicht so?

POLONIUS
Das tat ich, gnädiger Herr, und wurde für einen guten Schauspieler gehalten.

HAMLET
Und was stelltet Ihr vor?

POLONIUS
Ich stellte den Julius Cäsar vor; ich ward auf dem Kapitol umgebracht, Brutus brachte mich um.

HAMLET
Es war brutal von ihm, ein so kapitales Kalb umzubringen. - Sind die Schauspieler fertig?

ROSENKRANZ
Ja, gnädiger Herr, sie erwarten Euren Befehl.

KÖNIGIN
Komm hieher, lieber Hamlet, setz dich zu mir!

HAMLET
Nein, gute Mutter, hier ist ein stärkerer Magnet.

POLONIUS
zum Könige.
Oho, hört Ihr das wohl?

HAMLET
Fräulein, soll ich in Eurem Schoße liegen?
[Setzt] Legt sich zu Opheliens Füßen.

OPHELIA
Nein, mein Prinz.

HAMLET
Ich meine, den Kopf auf Euren Schoß gelehnt.

OPHELIA
Ja, mein Prinz.

HAMLET
Denkt Ihr, ich hätte erbauliche Dinge im Sinne?

OPHELIA
Ich denke nichts.

HAMLET
Ein schöner Gedanke, zwischen den Beinen eines Mädchens zu liegen.

OPHELIA
Was ist, mein Prinz?

HAMLET
Nichts.

OPHELIA
Ihr seid aufgeräumt.

HAMLET
Wer? Ich?

OPHELIA
Ja, mein Prinz.

HAMLET
Oh, ich reiße Possen wie kein andrer. Was kann ein Mensch Besseres tun, als lustig sein? Denn seht nur, wie fröhlich meine Mutter aussieht, und doch starb mein Vater vor noch nicht zwei Stunden.

OPHELIA
Nein, vor zweimal zwei Monaten, mein Prinz.

HAMLET
So lange schon? Ei, so mag der Teufel schwarz gehn; ich will einen Zobelpelz tragen. O Himmel! Vor zwei Monaten gestorben, und noch nicht vergessen! So ist Hoffnung da, daß das Andenken eines großen Mannes sein Leben ein halbes Jahr überleben kann. Aber, bei Unsrer Lieben Frauen! Kirchen muß er stiften, sonst denkt man nicht an ihn; es geht ihm wie dem Steckenpferde, dessen Grabschrift ist:

Denn oh! denn oh!
Vergessen ist das Steckenpferd.
Trompeten, hierauf die Pantomime.
Ein König und eine Königin treten auf, sehr zärtlich; die Königin ummarmt ihn und er sie. Sie kniet und macht gegen ihn die Gebärden der Beteurung. Er hebt sie auf und lehnt den Kopf an [ihre Brust] ihren Hals; er legt sich auf ein Blumenbette nieder, sie verläßt ihn, da sie ihn eingeschlafen sieht. Gleich darauf kommt ein Kerl herein, nimmt ihm die Krone ab, küßt sie, gießt Gift in die Ohren des Königs und geht ab. Die Königin kommt zurück, findet den König tot und macht leidenschaftliche Gebärden. Der Vergifter kommt mit [zwei oder drei] drei oder vier Stummen zurück und scheint mit ihr zu wehklagen. Die Leiche wird weggebracht. Der Vergifter wirbt mit Geschenken um die Königin; sie scheint anfangs unwillig und abgeneigt, nimmt aber zuletzt seine Liebe an. Sie gehen ab.
OPHELIA
Was bedeutet dies, mein Prinz?

HAMLET
Ei, es ist spitzbübische Munkelei; es bedeutet Unheil.

OPHELIA
Vielleicht, daß diese Vorstellung den Inhalt des Stücks anzeigt.
Der Prolog tritt auf.

HAMLET
Wir werden es von diesem Gesellen erfahren. Die Schauspieler können nichts geheimhalten, sie werden alles ausplaudern.

OPHELIA
Wird er uns sagen, was diese Vorstellung bedeutet?

HAMLET
Ja, oder irgendeine Vorstellung, die Ihr ihm vorstellen wollt. Schämt Euch nur nicht, ihm vorzustellen, sa wird er sich nicht schämen, Euch zu sagen, was es bedeutet.

OPHELIA
Ihr seid schlimm, Ihr seid schlimm; ich will das Stück anhören.

PROLOG

Für uns und unsre Vorstellung
Mit untertänger Huldigung
Ersuchen wir Genehmigung.

HAMLET
Ist dies ein Prolog oder ein Denkspruch auf einem Ringe?

OPHELIA
Es ist kurz, mein Prinz.

HAMLET
Wie Frauenliebe.
Ein König und eine Königin treten auf.

KÖNIG im Schauspiel.
Schon dreißigmal hat den Apoll sein Wagen
Um Nereus' Flut und Tellus' Rund getragen,
Und zwölfmal dreißig Mond in fremdem Glanz
Vollbrachten um den Erdball ihren Tanz,
Seit unsre Herzen Liebe treu durchdrungen
Und Hymens Bande Hand in Hand geschlungen.

KÖNIGIN im Schauspiel.
Mag Sonn und Mond so manche Reise doch,
Eh Liebe stirbt, uns zählen lassen noch.
Doch leider seid Ihr jetzt so matt von Herzen,
So fern von vorger Munterkeit und Scherzen,
Daß Ihr mich ängstet; aber zag ich gleich,
Doch, mein Gemahl, nicht ängsten darf es Euch,
Denn Weiberfurcht hält Schritt mit ihrem Lieben:
In beiden gar nichts oder übertrieben.
Wie meine Lieb ist, hab ich Euch gezeigt;
Ihr seht, daß meine Furcht der Liebe gleicht.
Das Kleinste schon muß große Lieb erschrecken
Und ihre Größ in kleiner Sorg entdecken.

KÖNIG im Schauspiel.
Ja, Lieb, ich muß dich lassen, und das bald;
Mich drückt des Alters schwächende Gewalt.
Du wirst in dieser schönen Welt noch leben,
Geehrt, geliebt; vielleicht wird, gleich ergeben,
Ein zweiter Gatte -

KÖNIGIN im Schauspiel.
O halt ein, halt ein!
Verrat nur könnte solche Liebe sein.
Beim zweiten Gatten würd ich selbst mir fluchen;
Die einen totschlug, mag den zweiten suchen.

HAMLET
beiseit.
Das ist Wermut.

KÖNIGIN im Schauspiel.
Das, was die Bande zweiter Ehe flicht,
Ist schnöde Sucht nach Vorteil, Liebe nicht.
Es tötet noch einmal den toten Gatten,
Dem zweiten die Umarmung zu gestatten.

KÖNIG im Schauspiel.
Ich glaub, Ihr denket jetzt, was Ihr gesprochen,
Doch ein Entschluß wird oft von uns gebrochen.
Der Vorsatz ist ja der Erinnrung Knecht,
Stark von Geburt, doch bald durch Zeit geschwächt,
Wie herbe Früchte fest am Baume hangen,
Doch leicht sich lösen, wenn sie Reif erlangen.
Notwendig ists, daß jeder leicht vergißt
Zu zahlen, was er selbst sich schuldig ist.
Wo Leidenschaft den Vorsatz hingewendet,
Entgeht das Ziel uns, wann sie selber endet.
Der Ungestüm sowohl von Freud als Leid
Zerstört mit sich die eigne Wirksamkeit.
Laut klagt das Leid, wo laut die Freude schwärmet;
Leid freut sich leicht, wenn Freude leicht sich härmet.
Die Welt vergeht: es ist nicht wunderbar,
Daß mit dem Glück selbst Liebe wandelbar;
Denn eine Frag ists, die zu lösen bliebe,
Ob Lieb das Glück führt, oder Glück die Liebe.
Der Große stürzt, seht seinen Günstling fliehn;
Der Arme steigt, und Feinde lieben ihn.
So weit scheint Liebe nach dem Glück zu wählen.
Wer ihn nicht braucht, dem wird ein Freund nicht fehlen,
Und wer in Not versucht den falschen Freund,
Verwandelt ihn sogleich in einen Feind.
Doch um zu enden, wo ich ausgegangen,
Will und Geschick sind stets in Streit befangen.
Was wir ersinnen, ist des Zufalls Spiel,
Nur der Gedank ist unser, nicht sein Ziel.
So denk, dich soll kein zweiter Gatt erwerben.
Doch mag dies Denken mit dem ersten sterben.

KÖNIGIN im Schauspiel.
Versag mir Nahrung, Erde; Himmel, Licht!
Gönnt, Tag und Nacht, mir Lust und Ruhe nicht!
Verzweiflung werd aus meinem Trost und Hoffen,
Nur Klausnerbuß im Kerker steh mir offen!
Mag alles, was der Freude Antlitz trübt,
Zerstören, was mein Wunsch am meisten liebt,
Und hier und dort verfolge mich Beschwerde,
Wenn, einmal Witwe, jemals Weib ich werde!

HAMLET
zu Ophelia.
Wenn sie es nun brechen sollte -

KÖNIG im Schauspiel.
's ist fest geschworen. Laß mich, Liebe, nun;
Ich werde müd und möcht ein wenig ruhn,
Die Zeit zu täuschen.
Schläft.

KÖNIGIN im Schauspiel.
Wiege dich der Schlummer,
Und nimmer komme zwischen uns ein Kummer!
Ab.

HAMLET
Gnädige Frau, wie gefällt Euch das Stück?

KÖNIGIN
Die Dame, wie mich dünkt, gelobt zu viel.

HAMLET
Oh, aber sie wird ihr Wort halten!

KÖNIG
Habt Ihr den Inhalt gehört? Wird es kein Ärgernis geben?

HAMLET
Nein, nein; sie spaßen nur, vergiften im Spaß, kein Ärgernis in der Welt.

KÖNIG
Wie nennt Ihr das Stück?

HAMLET
Die Mausefalle. Und wie das? Metaphorisch. Das Stück ist die Vorstellung eines in Vienna geschehnen Mordes. Gonzago ist der Name des Herzogs, seiner Gemahlin Baptista; Ihr werdet gleich sehen, es ist ein spitzbübischer Handel. Aber was tuts? Eure Majestät und uns, die wir ein freies Gewissen haben, trifft es nicht. Der Aussätzige mag sich jucken, unsre Haut ist gesund.
[Der Schauspieler, der den] Lucianus [spielt,] tritt auf.
Dies ist ein gewisser Lucianus, ein Neffe des Königs.

OPHELIA
Ihr übernehmt das Amt des Chorus, gnädiger Herr.

HAMLET
O ich wollte zwischen Euch und Eurem Liebsten Dolmetscher sein, wenn ich die Marionetten nur tanzen sähe.

OPHELIA
Ihr seid spitz, gnädiger Herr, Ihr seid spitz.

HAMLET
Ihr würdet zu stöhnen haben, ehe Ihr meine Spitze abstumpftet.

OPHELIA
Immer noch besser und schlimmer.

HAMLET
So wählt Ihr Eure Männer. - Fang an, Mörder; laß deine vermaledeiten Gesichter und fang an! Wohlauf:
Es brüllt um Rache das Gekrächz des Raben -

LUCIANUS
Gedanken schwarz, Gift wirksam, Hände fertig,
Gelegne Zeit, kein Wesen gegenwärtig.
Du schnöder Trank aus mitternächtgem Kraut,
Dreimal vom Fluche Hekates betaut:
Daß sich dein Zauber, deine grause Schärfe
Sogleich auf dies gesunde Leben werfe!
Gießt dar Gift in das Ohr des Schlafenden.

HAMLET
Er vergiftet ihn im Garten um sein Reich, sein Name ist Gonzago; die Geschichte ist vorhanden und in auserlesenem Italienisch geschrieben. Ihr werdet gleich sehn, wie der Mörder die Liebe von Gonzagos Gemahlin gewinnt.

OPHELIA
Der König steht auf.

HAMLET
Wie? Durch falschen Feuerlärm geschreckt?

KÖNIGIN
Wie geht es meinem Gemahl?

POLONIUS
Macht dem Schauspiel ein Ende.

KÖNIG
Leuchtet mir! Fort!

[POLONIUS] ALLE
Licht ! Licht! Licht!
Alle ab, außer Hamlet und Horatio.

HAMLET

Ei, der Gesunde hüpft und lacht,
Dem Wunden ists vergällt;
Der eine schläft, der andre wacht,
Das ist der Lauf der Welt.
Sollte nicht dies und ein Wald von Federbüschen - wenn meine sonstige Anwartschaft in die Pilze geht - nebst ein paar gepufften Rosen auf meinen geschlitzten Schuhen, mir zu einem Platz in einer Schauspielergesellschaft verhelfen?
HORATIO
O ja, einen halben Anteil an der Einnahme.

HAMLET
Nein, einen ganzen.

Denn dir, mein Damon, ist bekannt,
Dem Reiche ging zugrund
Ein Jupiter; nun herrschet hier
Ein rechter, rechter - Affe.

HORATIO
Ihr hättet reimen können.

HAMLET
O lieber Horatio, ich wette Tausende auf das Wort des Geistes. Hast du's gemerkt?

HORATIO
Sehr gut, mein Prinz.

HAMLET
Bei der Rede vom Vergiften?

HORATIO
Ich habe ihn genau beachtet.

HAMLET
Haha! Kommt, Musik, kommt, die Flöten! -
Denn wenn der König von dem Stück nichts hält,
Ei nun, vielleicht - daß es ihm nicht gefällt.
[Rosenkranz und Güldenstern kommen.]
Kommt, Musik!
Rosenkranz und Güldenstern kommen.

GÜLDENSTERN
Bester, gnädiger Herr, vergönnt mir ein Wort mit Euch!

HAMLET
Eine ganze Geschichte, Herr!

GÜLDENSTERN
Der König -

HAMLET
Nun, was gibts mit ihm?

GÜLDENSTERN
Er hat sich auf sein Zimmer begeben und ist sehr übel.

HAMLET
Vom Trinken, Herr?

GÜLDENSTERN
Nein, gnädiger Herr, von Galle.

HAMLET
Ihr solltet doch mehr gesunden Verstand beweisen und dies dem Arzte melden, denn wenn ich ihm eine Reinigung zumutete, das würde ihm vielleicht noch mehr Galle machen.

GÜLDENSTERN
Bester Herr, bringt einige Ordnung in Eure Reden und springt nicht so wild von meinem Auftrage ab.

HAMLET
Ich bin zahm, Herr, sprecht!

GÜLDENSTERN
Die Königin, Eure Mutter, hat mich in der tiefsten Bekümmernis ihres Herzens zu Euch geschickt.

HAMLET
Ihr seid willkommen.

GÜLDENSTERN
Nein, bester Herr, diese Höflichkeit ist nicht von der rechten Art. Beliebt es Euch, mir eine gesunde Antwort zu geben, so will ich den Befehl Eurer Mutter ausrichten; wo nicht, so verzeiht, ich gehe wieder, und damit ist mein Geschäft zu Ende.

HAMLET
Herr, ich kann nicht.

GÜLDENSTERN
Was, gnädiger Herr?

HAMLET
Euch eine gesunde Antwort geben. Mein Verstand ist krank. Aber, Herr, solche Antwort, als ich geben kann, ist zu Eurem Befehl, oder vielmehr, wie Ihr sagt, zu meiner Mutter Befehl; drum nichts weiter, sondern zur Sache. Meine Mutter, sagt Ihr -

ROSENKRANZ
Sie sagt also folgendes: Euer Betragen hat sie in Staunen und Verwunderung gesetzt.

HAMLET
O wundervoller Sohn, über den seine Mutter so erstaunen kann! Kommt kein Nachsatz, der dieser mütterlichen Verwunderung auf dem Fuße folgt? [Laßt hören!]

ROSENKRANZ
Sie wünscht mit Euch in ihrem Zimmer zu reden, ehe Ihr zu Bett geht.

HAMLET
Wir wollen gehorchen, und wäre sie zehnmal unsre Mutter. Habt Ihr noch sonst was mit mir zu schaffen?

ROSENKRANZ
Gnädiger Herr, Ihr liebtet mich einst -

HAMLET
Das tu ich noch, bei diesen beiden Diebeszangen hier!

ROSENKRANZ
Bester Herr, was ist die Ursache Eures Übels? Gewiß, Ihr tretet Eurer eignen Freiheit in den Weg, wenn Ihr Eurem Freunde Euren Kummer verheimlicht.

HAMLET
Herr, es fehlt mir an Beförderung.

ROSENKRANZ
Wie kann das sein, da Ihr die Stimme des Königs selbst zur Nachfolge im dänischen Reiche habt?

HAMLET
Ja, Herr, aber »derweil das Gras wächst« - das Sprichwort ist ein wenig rostig.
Schauspieler kommen mit Flöten.
O die Flöten! Laßt mich eine sehn. - Um Euch insbesondre zu sprechen:
[Nimmt Güldenstern beiseit.]
Weswegen geht Ihr um mich herum, um meine Witterung zu bekommen, als wolltet Ihr mich in ein Netz treiben?

GÜLDENSTERN
O gnädiger Herr, wenn meine Ergebenheit allzu kühn ist, so ist meine Liebe ungesittet.

HAMLET
Das versteh ich nicht recht. Wollt Ihr auf dieser Flöte spielen?

GÜLDENSTERN
Gnädiger Herr, ich kann nicht.

HAMLET
Ich bitte Euch.

GÜLDENSTERN
Glaubt mir, ich kann nicht.

HAMLET
Ich ersuche Euch darum.

GÜLDENSTERN
Ich weiß keinen einzigen Griff, gnädiger Herr.

HAMLET
Es ist so leicht wie lügen. Regiert diese Windlöcher mit Euren Fingern und Daumen, gebt der Flöte mit Eurem Munde Odem, und sie wird die beredteste Musik sprechen. Seht Ihr, dies sind die Griffe!

GÜLDENSTERN
Aber die habe ich eben nicht in meiner Gewalt, um irgendeine Harmonie hervorzubringen; ich besitze die Kunst nicht.

HAMLET
Nun, seht Ihr, welch ein nichtswürdiges Ding Ihr aus mir macht? Ihr wollt auf mir spielen, Ihr wollt tun, als kenntet Ihr meine Griffe, Ihr wollt in das Herz meines Geheimnisses dringen, Ihr wollt mich von meiner tiefsten Note bis zum Gipfel meiner Stimme hinauf prüfen; und in dem kleinen Instrument hier ist viel Musik, eine vortreffliche Stimme, dennoch könnt Ihr es nicht zum Sprechen bringen! Wetter, denkt Ihr, daß ich leichter zu spielen bin als eine Flöte? Nennt mich was für ein Instrument Ihr wollt, Ihr könnt mich zwar verstimmen, aber nicht auf mir spielen.
Polonius kommt.
Gott grüß Euch, Herr!

POLONIUS
Gnädiger Herr, die Königin wünscht Euch zu sprechen, und das sogleich.

HAMLET
Seht Ihr die Wolke dort, beinah in Gestalt eines Kamels?

POLONIUS
Beim Himmel, sie sieht auch wirklich aus wie ein Kamel.

HAMLET
Mich dünkt, sie sieht aus wie ein Wiesel.

POLONIUS
Sie hat einen Rücken wie ein Wiesel.

HAMLET
Oder wie ein Walfisch?

POLONIUS
Ganz wie ein Walfisch.

HAMLET
Nun, so will ich zu meiner Mutter kommen, im Augenblick. Sie närren mich, daß mir die Geduld beinah reißt. - Ich komme im Augenblick.

POLONIUS
Das will ich ihr sagen.
[Ab.]

HAMLET
Im Augenblick ist leicht gesagt.
Polonius ab.
Laßt mich, Freunde!
Rosenkranz, Güldenstern, Horatio und die andern ab.
Nun ist die wahre Spukezeit der Nacht,
Wo Grüfte gähnen und die Hölle selbst
Pest haucht in diese Welt. Nun tränk ich wohl heiß Blut
Und täte Dinge, die der bittre Tag
Mit Schaudern säh. Still, jetzt zu meiner Mutter!
O Herz, vergiß nicht die Natur! Nie dränge
Sich Neros Seel in diesen festen Busen!
Grausam, nicht unnatürlich, laß mich sein;
Nur reden will ich Dolche, keine brauchen.
Hierin seid Heuchler, Zung, und du, Gemüt:
Wie hart mit ihr auch meine Rede schmäle,
Nie willge drein, sie zu versiegeln, Seele!
Ab.






DRITTE SZENE

Ein Zimmer im Schlosse

Der König, Rosenkranz und Güldenstern treten auf.

KÖNIG
Ich mag ihn nicht; auch stehts um Uns nicht sicher,
Wenn frei sein Wahnsinn schwärmt. Drum macht Euch fertig!
Ich stelle schleunig Eure Vollmacht aus,
Und er soll dann mit Euch nach England hin.
Die Pflichten Unsrer Würde dulden nicht
Gefahr so nah, als hinter seinen Brauen
Sie stündlich uns erwächst.

GÜLDENSTERN
Wir wolln uns vorsehn.

[GÜLDENSTERN]
Es ist gewissenhafte, heilge Sorge,
Die vielen, vielen Seelen zu erhalten,
Die Eure Majestät belebt und nährt.

ROSENKRANZ
Schon das besondre, einzelne Leben muß
Mit aller Kraft und Rüstung des Gemüts
Vor Schaden sich bewahren; doch viel mehr
Der Geist, an dessen Heil das Leben vieler
Beruht und hängt. Der Majestät Verscheiden
Stirbt nicht allein, es zieht gleich einem Strudel
Das Nahe mit. Sie ist ein mächtig Rad,
Befestigt auf des höchsten Berges Gipfel,
An dessen Riesenspeichen tausend Dinge
Gekittet und gefugt sind; wenn es fällt,
So teilt die kleinste Zutat und Umgebung
Den ungeheuren Sturz. Kein König je
Seufzte allein ohn allgemeines Weh.

KÖNIG
Ich bitte, rüstet Euch zur schnellen Reise;
Wir müssen diese Furcht in Fesseln legen,
Die jetzt zu freien Fußes geht.

ROSENKRANZ und GÜLDENSTERN
Wir eilen.
Beide ab. Polonius kommt.

POLONIUS
Mein Fürst, er geht in seiner Mutter Zimmer.
Ich will mich hinter die Tapete stellen,
Den Hergang anzuhören; seid gewiß,
Sie schilt ihn tüchtig aus, und wie Ihr sagtet
- Und weislich wars gesagt -, es schickt sich wohl,
Daß noch ein andrer Zeug' als eine Mutter,
Die von Natur parteiisch, ihr Gespräch
Im stillen anhört. So lebt wohl, mein Fürst!
Eh Ihr zu Bett geht, sprech ich vor bei Euch
Und meld Euch, was ich weiß.

KÖNIG
Dank, lieber Herr!
Polonius ab.
O meine Tat ist faul, sie stinkt zum Himmel;
Sie trägt den ersten, ältesten der Flüche,
Mord eines Bruders! - Beten kann ich nicht,
Ist gleich die Neigung dringend wie der Wille:
Die stärkre Schuld besiegt den starken Vorsatz,
Und wie ein Mann, dem zwei Geschäft obliegen,
Steh ich in Zweifel, was ich erst soll tun,
Und lasse beides. Wie, wär diese Hand
Auch um und um in Bruderblut getaucht,
Gibt es nicht Regen gnug im milden Himmel,
Sie weiß wie Schnee zu waschen? Wozu dient
Die Gnad, als vor der Sünde Stirn zu treten?
Und hat Gebet nicht die zwiefache Kraft,
Dem Falle vorzubeugen und Verzeihung
Gefallnen auszuwirken? Gut, ich will
Emporschaun; mein Verbrechen ist geschehn.
Doch oh, welch eine Wendung des Gebets
Ziemt mir? Vergib mir meinen schnöden Mord?
Dies kann nicht sein; mir bleibt ja stets noch alles,
Was mich zum Mord getrieben: meine Krone,
Mein eigner Ehrgeiz, meine Königin!
Wird da verziehn, wo Missetat besteht?
In den verderbten Strömen dieser Welt
Kann die vergoldete Hand der Missetat
Das Recht wegstoßen, und ein schnöder Preis
Erkauft oft das Gesetz. Nicht so dort oben!
Da gilt kein Kunstgriff, da erscheint die Handlung
In ihrer wahren Art, und wir sind selbst
Genötigt, unsern Fehlern in die Zähne,
Ein Zeugnis abzulegen. Nun? Was bleibt?
Sehn, was die Reue kann. Was kann sie nicht?
Doch wenn man nicht bereuen kann, was kann sie?
O Jammerstand! O Busen, schwarz wie Tod!
O Seele, die, sich frei zu machen ringend,
Noch mehr verstrickt wird! - Engel, helft! Versucht!
Beugt euch, ihr starren Knie! Gestähltes Herz,
Sei weich wie Sehnen neugeborner Kinder!
Vielleicht wird alles gut.
Entfernt sich und kniet nieder. Hamlet kommt.

HAMLET
Jetzt könnt ichs tun, bequem; er ist im Beten.
Jetzt will ichs tun - und so geht er gen Himmel,
Und so bin ich gerächt? Das hieß': ein Bube
Ermordet meinen Vater, und dafür
Send ich, sein einzger Sohn, denselben Buben
Gen Himmel.
Ei, das wäre Sold und Löhnung, Rache nicht.
Er überfiel in Wüstheit meinen Vater,
Voll Speis', in seiner Sünden Maienblüte.
Wie seine Rechnung steht, weiß nur der Himmel,
Allein nach unsrer Denkart und Vermutung
Ergehts ihm schlimm; und bin ich dann gerächt,
Wenn ich in seiner Heiligung ihn fasse,
Bereitet und geschickt zum Übergang? - Nein.
Hinein, du Schwert! Sei schrecklicher gezückt!
Wenn er berauscht ist, schläft, oder in Wut,
In seines Betts blutschänderischen Freuden,
Beim Spielen, Fluchen oder anderm Tun,
Das keine Spur des Heiles an sich hat:
Dann triff ihn, daß die Fersen ihm gen Himmel
Ausschlagen, daß die Seele so verflucht
Und schwarz sei wie die Höll, wohin sie fährt! -
Die Mutter wartet mein. - Dies Mittel schlage
Nur an zur Dehnung deiner siechen Tage!
Ab. Der König steht auf und tritt vor.

KÖNIG
Das Wort fliegt auf, der Sinn hat keine Schwingen,
Wort ohne Sinn kann nicht zum Himmel dringen.
Ab.






VIERTE SZENE

[Zimmer der Königin] Ein anderes Zimmer im Schloß

Die Königin und Polonius treten auf.

POLONIUS
Er kommt sogleich; setzt ihm mit Nachdruck zu;
Sagt ihm, daß er zu wilde Streiche macht,
Um sie zu dulden, und daß Eure Hoheit
Sich zwischen große Hitz und ihn als Schirm
Gestellt hat. Ich will hier mich still verbergen.
Ich bitt Euch, schont ihn nicht!

HAMLET
hinter der Szene.
Mutter, Mutter, Mutter!

KÖNIGIN
Verlaßt Euch drauf;
Sorgt meinetwegen nicht. Zieht Euch zurück,
Ich hör ihn kommen.
Polonius verbirgt sich hinter dem Arras-Wandteppich. Hamlet kommt.

HAMLET
Nun, Mutter, sagt: was gibts?

KÖNIGIN
Hamlet, dein Vater ist von dir beleidigt.

HAMLET
Mutter, mein Vater ist von Euch beleidigt.

KÖNIGIN
Kommt, kommt! Ihr sprecht mit einer losen Zunge.

HAMLET
Geht, geht! Ihr fragt mit einer bösen Zunge.

KÖNIGIN
Was soll das, Hamlet?

HAMLET
Nun, was gibt es hier?

KÖNIGIN
Habt Ihr mich ganz vergessen?

HAMLET
Nein, beim Kreuz!
Ihr seid die Königin, Weib Eures Mannes Bruders,
Und - wär es doch nicht so! - seid meine Mutter.

KÖNIGIN
Gut, andre sollen zur Vernunft Euch bringen.

HAMLET
Kommt, setzt Euch nieder; Ihr sollt nicht vom Platz,
Nicht gehn, bis ich Euch einen Spiegel zeige,
Worin Ihr Euer Innerstes erblickt.

KÖNIGIN
Was willst du tun? Du willst mich doch nicht morden?
He, Hülfe! Hülfe!

POLONIUS
hinter der Tapete.
Hülfe! He, herbei!

HAMLET
Wie? Was? Eine Ratte?
Er zieht.
Tot! für 'nen Dukaten, tot!
Tut einen Stoß durch die Tapete.

POLONIUS
hinter der Tapete.
Oh, ich bin umgebracht!
Fällt und stirbt.

KÖNIGIN
Weh mir! Was tatest du?

HAMLET
Fürwahr, ich weiß es nicht; ist es der König?
Zieht den Polonius [hinter der Tapete] hervor.

KÖNIGIN
O welche rasche, blutige Tat ist dies!

HAMLET
Ja, gute Mutter, eine blutige Tat,
So schlimm beinah, als einen König töten
Und in die Eh mit seinem Bruder treten.

KÖNIGIN
Als einen König töten!

HAMLET
Ja, so sagt ich.
Zu Polonius.
Du kläglicher, vorwitzger Narr, fahr wohl!
Ich nahm dich für 'nen Höhern; nimm dein Los,
Du siehst, zu viel Geschäftigkeit ist mißlich. -
Ringt nicht die Hände so! Still! Setzt Euch nieder,
Laßt Euer Herz mich ringen, denn das will ich,
Wenn es durchdringlich ist, wenn nicht so ganz
Verdammte Angewöhnung es gestählt,
Daß es verschanzt ist gegen die Vernunft.

KÖNIGIN
Was tat ich, daß du gegen mich die Zunge
So toben lassen darfst?

HAMLET
Solch eine Tat,
Die alle Huld der Sittsamkeit entstellt,
Die Tugend Heuchler schilt, die Rose wegnimmt
Von unschuldvoller Liebe schöner Stirn
Und Beulen hinsetzt, Ehgelübde falsch
Wie Spielereide macht; o eine Tat,
Die aus des Treubunds Leib die Seele wahrhaft
Ausreißt und die den süßen Glauben macht
Zum Wortgepräng. Des Himmels Antlitz glüht,
Ja, diese Feste, dieses Weltgebäude,
Mit Trauermiene, wie vorm Jüngsten Tag,
Ist trübsalskrank vor dieser Tat!

KÖNIGIN
Weh mir!
Welch Tat, donnerverkündet, brüllt so laut?

HAMLET
Seht hier auf dies Gemälde und auf dies,
Das nachgeahmte Gleichnis zweier Brüder.
Seht, welche Anmut wohnt auf diesen Brauen!
Apollos Locken, Jovis hohe Stirn,
Ein Aug wie Mars, zum Drohn und zum Gebieten,
Des Götterherolds Stellung, wenn er eben
Sich niederschwingt auf himmelnahe Höhn;
In Wahrheit, ein Verein und eine Bildung,
Auf die sein Siegel jeder Gott gedrückt,
Der Welt Gewähr für einen Mann zu leisten:
Dies war Eur Gatte. - Seht nur her, was folgt:
Hier ist Eur Gatte, gleich der brandgen Ähre
Verderblich seinem Bruder. Habt Ihr Augen?
Die Weide dieses schönen Bergs verlaßt Ihr
Und mästet Euch im Sumpf? Ha, habt Ihr Augen?
Nennt es nicht Liebe! Denn in Eurem Alter
Ist der Tumult im Blute zahm; es schleicht
Und wartet auf das Urteil; und welch Urteil
Ging' wohl von dem zu dem? Sinn habt Ihr sicher,
Sonst könnte keine Regung in Euch sein;
Doch sicher ist der Sinn vom Schlag gelähmt,
Denn Wahnwitz würde hier nicht irren; nie
Hat so den Sinn Verrücktheit unterjocht,
Daß nicht ein wenig Wahl ihm blieb, genug
Für solchen Unterschied. Was für ein Teufel
Hat so beim Blindekuhspiel Euch betört?
Sehn ohne Fühlen, Fühlen ohne Sehn,
Ohr ohne Hand und Aug, Geruch ohn alles,
Ja nur ein Teilchen eines echten Sinns
Tappt nimmermehr so zu.
Scham, wo ist dein Erröten? Wilde Hölle,
Empörst du dich in der Matrone Gliedern,
So sei die Keuschheit der entflammten Jugend
Wie Wachs und Schmelz in ihrem Feuer hin;
Ruf keine Schande aus, wenn heißes Blut
Zum Angriff stürmet, da der Frost ja selbst
Nicht minder kräftig brennt und die Vernunft
Den Willen kuppelt.

KÖNIGIN
O Hamlet, sprich nicht mehr!
Du kehrst die Augen recht ins Innre mir;
Da seh ich Flecke, tief und schwarz gefärbt,
Die nicht von Farbe lassen.

HAMLET
Nein, zu leben
Im Schweiß und Brodem eines eklen Betts,
Gebrüht in Fäulnis, buhlend und sich paarend
Über dem garstigen Nest -

KÖNIGIN
O sprich nicht mehr!
Mir dringen diese Worte ins Ohr wie Dolche.
Nicht weiter, lieber Hamlet!

HAMLET
Ein Mörder und ein Schuft; ein Knecht, nicht wert
Das Zehntel eines Zwanzigteils von ihm,
Der Eur Gemahl war; ein Hanswurst von König,
Ein Beutelschneider von Gewalt und Reich,
Der weg vom Sims die reiche Krone stahl
Und in die Tasche steckte.

KÖNIGIN
Halt inne!
[Der Geist kommt.]

HAMLET
Ein geflickter Lumpenkönig! -
Der Geist kommt.
Schirmt mich und schwingt die Flügel über mir,
Ihr Himmelsscharen! - Was will dein würdig Bild?

KÖNIGIN
Weh mir! Er ist verrückt!

HAMLET
Kommt Ihr nicht, Euren trägen Sohn zu schelten,
Der Zeit und Leidenschaft versäumt zur großen
Vollführung Eures furchtbaren Gebots?
O sagt!

GEIST
Vergiß nicht! Diese Heimsuchung
Soll nur den abgestumpften Vorsatz schärfen.
Doch schau! Entsetzen liegt auf deiner Mutter;
Tritt zwischen sie und ihre Seel im Kampf;
In Schwachen wirkt die Einbildung am stärksten:
Sprich mit ihr, Hamlet!

HAMLET
Wie ist Euch, Mutter?

KÖNIGIN
Ach, wie ist denn Euch,
Daß Ihr die Augen heftet auf das Leere
Und redet mit der körperlosen Luft?
Wild blitzen Eure Geister aus den Augen,
Und wie ein schlafend Heer beim Waffenlärm
Sträubt Euer liegend Haar sich als lebendig
Empor und steht zu Berg. O lieber Sohn,
Spreng auf die Hitz und Flamme deines Übels
Abkühlende Geduld! Wo schaust du hin?

HAMLET
Auf ihn, auf ihn! Seht Ihr, wie blaß er starrt?
Sein Anblick, seine Sache würde Steine
Empfänglich machen. Nein, sieh nicht auf mich,
Damit nicht deine klägliche Gebärde
Mein strenges Tun erweicht; sonst fehlt ihm dann
Die echte Art; vielleicht statt Blutes Tränen.

KÖNIGIN
Mit wem besprecht Ihr Euch?

HAMLET
Seht Ihr dort nichts?

KÖNIGIN
Gar nichts; doch seh ich alles, was dort ist.

HAMLET
Und hörtet Ihr auch nichts?

KÖNIGIN
Nein, nichts als uns.

HAMLET
Ha, seht nur hin! Seht, wie es weg sich stiehlt!
Mein Vater in leibhaftiger Gestalt:
Seht, wie er eben zu der Tür hinausgeht!
Geist ab.

KÖNIGIN
Dies ist bloß Eures Hirnes Ausgeburt;
In solcher wesenlosen Schöpfung ist
Der Wahnsinn sehr geübt.

HAMLET
Der Wahnsinn?
Mein Puls hält ordentlich wie Eurer Takt,
Spielt ebenso gesunde Melodien;
Es ist kein Wahnwitz, was ich vorgebracht.
Bringt mich zur Prüfung, und ich wiederhole
Die Sach Euch Wort für Wort, wovon der Wahnwitz
Abspringen würde. Mutter, um Eur Heil!
Legt nicht die Schmeichelsalb auf Eure Seele,
Daß nur mein Wahnwitz spricht, nicht Eur Vergehn;
Sie wird den bösen Fleck nur leicht verharschen,
Indes Verderbnis, heimlich untergrabend,
Von innen angreift. Beichtet vor dem Himmel,
Bereuet, was geschehn, und meidet Künftges;
Düngt nicht das Unkraut, daß es mehr noch wuchre.
Vergebt mir diese meine Tugend; denn
In dieser feisten, engebrüstgen Zeit
Muß Tugend selbst Verzeihung flehn vom Laster,
Ja kriechen, daß sie nur ihm wohltun dürfe.

KÖNIGIN
O Hamlet, du zerspaltest mir das Herz!

HAMLET
O werft den schlechtern Teil davon hinweg
Und lebt so reiner mit der andern Hälfte.
Gute Nacht! Doch meidet meines Oheims Bett,
Nehmt eine Tugend an, die Ihr nicht habt.
Der Teufel Angewöhnung, der des Bösen
Gefühl verschlingt, ist hierin Engel doch:
Er gibt der Übung schöner, guter Taten
Nicht minder eine Kleidung oder Tracht,
Die gut sich anlegt. Seid zu Nacht enthaltsam,
Und das wird eine Art von Leichtigkeit
Der folgenden Enthaltung leihn, die nächste
Wird dann noch leichter; denn die Übung kann
Fast das Gepräge der Natur verändern,
Sie zähmt den Teufel oder stößt ihn aus
Mit wunderbarer Macht. Nochmals, schlaft wohl!
Um Euren Segen Bitt ich, wenn Ihr selbst
Nach Segen erst verlangt. - Für diesen Herrn
Tut es mir leid: Der Himmel hat gewollt,
Um mich durch dies und dies durch mich zu strafen,
Daß ich ihm Diener muß und Geißel sein.
Ich will ihn schon besorgen und den Tod,
Den ich ihm gab, vertreten. Schlaft denn wohl!
Zur Grausamkeit zwingt bloße Liebe mich;
Schlimm fängt es an, und Schlimmres nahet sich.
Ein Wort noch, gute Mutter!

KÖNIGIN
Was soll ich tun?

HAMLET
Durchaus nicht das, was ich Euch heiße tun;
Laßt den gedunsnen König Euch ins Bett
Von neuem locken, in die Wangen Euch
Mutwillig kneipen, Euch sein Mäuschen nennen,
Und für ein paar verbuhlte Küss', ein Spielen
In Eurem Nacken mit verdammten Fingern,
Bringt diesen ganzen Handel an den Tag,
Daß ich in keiner wahren Tollheit bin,
Nur toll aus List. Gut wärs, Ihr ließts ihn wissen!
Denn welche Königin, schön, keusch und klug,
Verhehlte einer Kröte, einem Molch
So teure Dinge wohl? Wer täte das?
Nein, trotz Erkenntnis und Verschwiegenheit
Löst auf dem Dach des Korbes Deckel, laßt
Die Vögel fliegen und, wie jener Affe,
Kriecht in den Korb, um Proben anzustellen,
Und brecht Euch selbst den Hals!

KÖNIGIN
Sei du gewiß: Wenn Worte Atem sind,
Und Atem Leben ist, hab ich kein Leben,
Das auszuatmen, was du mir gesagt.

HAMLET
Ich muß nach England; wißt Ihrs?

KÖNIGIN
Ach, ich vergaß; es ist so ausgemacht.

HAMLET
Man siegelt Briefe; meine Schulgesellen,
Die beiden, denen ich wie Nattern traue,
Sie bringen die Bestellung hin; sie müssen
Den Weg mir bahnen und zur Schurkerei
Herolden gleich mich führen. Sei es drum!
Der Spaß ist, wenn mit seinem eignen Pulver
Der Feuerwerker auffliegt; und mich trügt
Die Rechnung, wenn ich nicht ein Klafter tiefer
Als ihre Minen grab und sprenge sie
Bis an den Mond. O es ist gar zu schön,
Wenn so zwei Listen sich entgegengehn! -
Der Mann packt mir 'ne Last auf;
Ich will den Wanst ins nächste Zimmer schleppen. -
Nun, Mutter, gute Nacht! - Der Ratsherr da
Ist jetzt sehr still, geheim und ernst fürwahr,
Der sonst ein schelmischer, alter Schwätzer war.
Kommt, Herr, ich muß mit Euch ein Ende machen. -
Gute Nacht, Mutter!
Sie gehen nach verschiedenen Seiten ab. Hamlet schleift den Polonius hinaus.






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VIERTER AKT
ERSTE SZENE

Ein Zimmer im Schlosse

Der König, die Königin, Rosenkranz und Güldenstern.

KÖNIG
In diesen tiefen Seufzern ist ein Sinn;
Legt sie Uns aus, Wir müssen sie verstehn.
Wo ist Eur Sohn?

KÖNIGIN
zu Rosenkranz und Güldenstern.
Räumt diesen Platz uns auf ein Weilchen ein.
Die beiden ab.
Ah, mein Gemahl, was sah ich diese Nacht!

KÖNIG
Wie, Gertrud? Was macht Hamlet?

KÖNIGIN
Er rast wie See und Wind, wenn beide kämpfen,
Wer mächtger ist; in seiner wilden Wut,
Da er was hinterm Teppich rauschen hört,
Reißt er die Kling heraus, schreit: eine Ratte! -
Und tötet so in seines Wahnes Hitze
Den ungesehnen guten alten Mann.

KÖNIG
O schwere Tat! So wär es Uns geschehn,
Wenn Wir daselbst gestanden. Seine Freiheit
Droht aller Welt, Euch selbst, Uns, jedem andern.
Ach, wer steht ein für diese blutge Tat?
Uns wird zur Last sie fallen, deren Vorsicht
Den tollen jungen Mann eng eingesperrt
Und fern von Menschen hätte halten sollen.
Doch Unsre Liebe war so groß, daß Wir
Nicht einsehn wollten, was das Beste war.
Und wie der Eigner eines bösen Schadens,
Den er geheim hält, ließen Wir ihn zehren
Recht an des Lebens Mark. Wo ist er hin?

KÖNIGIN
Er schafft den Leichnam des Erschlagnen weg,
Wobei sein Wahnsinn wie ein Körnchen Gold
In einem Erz von schlechteren Metallen
Sich rein beweist: er weint um das Geschehne.

KÖNIG
O Gertrud, laßt uns gehn!
Sobald die Sonne an die Berge tritt,
Schifft man ihn ein; und diese schnöde Tat
Muß Unsre ganze Majestät und Kunst
Vertreten und entschuldigen. - He, Güldenstern!
Rosenkranz und Güldenstern kommen.
Geht, beide Freunde, nehmt Euch wen zu Hülfe.
Hamlet hat den Polonius umgebracht
In seinem tollen Mut und ihn darauf
Aus seiner Mutter Zimmer weggeschleppt.
Geht, sucht ihn, sprecht ihm zu und bringt den Leichnam
In die Kapell. Ich bitt Euch, eilt hiebei.
Rosenkranz und Güldenstern ab.
Kommt, Gertrud, rufen wir von unsern Freunden
Die klügsten auf und machen ihnen kund,
Was wir zu tun gedenken und was leider
Geschehn. So kann der schlangenartge Leumund,
Des Zischeln von dem einen Pol zum andern,
So sicher wie zum Ziele die Kanone
Den giftgen Schuß trägt, unsern Namen noch
Verfehlen und die Luft unschädlich treffen.
O komm hinweg mit mir! Entsetzen ist
In meiner Seel und innerlicher Zwist.
Beide ab.






ZWEITE SZENE

Ein andres Zimmer im Schlosse

Hamlet kommt.

HAMLET
Sicher beigepackt.

ROSENKRANZ und GÜLDENSTERN
hinter der Szene.
Hamlet! Prinz Hamlet!

HAMLET
Aber still - was für ein Lärm? Wer ruft den Hamlet? Oh, da kommen sie.
Rosenkranz und Güldenstern kommen.

ROSENKRANZ
Was habt Ihr mit dem Leichnam, Prinz, gemacht?

HAMLET
Ihn mit dem Staub gepaart, dem er verwandt.

ROSENKRANZ
Sagt uns den Ort, daß wir ihn weg von da
In die Kapelle tragen.

HAMLET
Glaubt es nicht.

ROSENKRANZ
Was nicht glauben?

HAMLET
Daß ich Euer Geheimnis bewahren kann und meines nicht. Überdies, sich von einem Schwamme fragen zu lassen! Was für eine Antwort soll der Sohn eines Königs darauf geben?

ROSENKRANZ
Nehmt Ihr mich für einen Schwamm, gnädiger Herr?

HAMLET
Ja, Herr, der des Königs Miene, seine Gunstbezeugungen und Befehle einsaugt. Aber solche Beamte tun dem Könige den besten Dienst am Ende. Er hält sie, wie ein Affe den Apfel, im Winkel seines Kinnbackens: zuerst in den Mund gesteckt, um zuletzt verschlungen zu werden. Wenn er braucht, was Ihr aufgesammelt habt, so darf er Euch nur drücken, so seid Ihr, Schwamm, wieder trocken.

ROSENKRANZ
Ich verstehe Euch nicht, gnädiger Herr.

HAMLET
Es ist mir lieb; eine lose Rede schläft in dummen Ohren.

ROSENKRANZ
Gnädiger Herr, Ihr müßt uns sagen, wo die Leiche ist, und mit uns zum Könige gehn.

HAMLET
Die Leiche ist beim König, aber der König ist nicht bei der Leiche. Der König ist ein Ding -

GÜLDENSTERN
Ein Ding, gnädiger Herr?

HAMLET
- das nichts ist. Bringt mich zu ihm! Versteck dich, Fuchs, und alle hinterdrein!
Alle ab.






DRITTE SZENE

Ein andres Zimmer im Schlosse

Der König tritt auf mit Gefolge.

KÖNIG
Ich laß ihn holen und den Leichnam suchen.
O wie gefährlich ists, daß dieser Mensch
So frank umhergeht! Dennoch dürfen wir
Nicht nach dem strengen Recht mit ihm verfahren;
Er ist beliebt bei der verworrnen Menge,
Die mit dem Aug, nicht mit dem Urteil wählt,
Und wo das ist, wägt man des Schuldgen Plage,
Doch nie die Schuld. Um alles auszugleichen,
Muß diese schnelle Wegsendung ein Schritt
Der Überlegung scheinen; wenn die Krankheit
Verzweifelt ist, kann ein verzweifelt Mittel
Nur helfen, oder keins.
Rosenkranz kommt.
Was ist geschehn?

ROSENKRANZ
Wo er die Leiche hingeschafft, mein Fürst,
Vermögen wir von ihm nicht zu erfahren.

KÖNIG
Wo ist er selber?

ROSENKRANZ
Draußen, gnädger Herr,
Bewacht, um Eur Belieben abzuwarten.

KÖNIG
So bringt ihn vor Uns!

ROSENKRANZ
He, Güldenstern! Bringt den gnädigen Herrn herein!
Hamlet und Güldenstern kommen.

KÖNIG
Nun, Hamlet, wo ist Polonius?

HAMLET
Beim Nachtmahl.

KÖNIG
Beim Nachtmahl? Wo?

HAMLET
Nicht wo er speist, sondern wo er gespeist wird. Eine gewisse Reichsversammlung von politischen Würmern hat sich eben an ihn gemacht. So 'n Wurm ist Euch der einzige Kaiser, was die Tafel betrifft. Wir mästen alle andern Kreaturen, um uns zu mästen, und uns selber mästen wir für Maden. Der fette König und der magre Bettler sind nur verschiedne Gerichte; zwei Schüsseln, aber für eine Tafel: das ist das Ende vom Liede.

KÖNIG
Ach Gott, ach Gott!

HAMLET
Jemand könnte mit dem Wurm fischen, der von einem König gegessen hat, und von dem Fisch essen, der den Wurm verzehrte.

KÖNIG
Was meinst du damit?

HAMLET
Nichts, als Euch zu zeigen, wie ein König seinen Weg durch die Gedärme eines Bettlers nehmen kann.

KÖNIG
Wo ist Polonius?

HAMLET
Im Himmel. Schickt hin, laßt nachsehn! Wenn Euer Bote ihn da nicht findet, so sucht ihn selbst an dem andern Orte. Aber wahrhaftig, wo Ihr ihn nicht binnen dieses Monats findet, so werdet Ihr ihn wittern, wenn Ihr die Treppe zur Galerie hinaufgeht.

KÖNIG
zu einigen aus dem Gefolge.
Geht, sucht ihn dort!

HAMLET
Er wird warten, bis ihr kommt.
Einige aus dem Gefolge ab.

KÖNIG
Hamlet, für deine eigne Sicherheit,
Die Uns so wert ist, wie Uns innig kränkt,
Was du begangen hast, muß diese Tat
In feuriger Eile dich von hinnen senden.
Drum rüste dich; das Schiff liegt schon bereit,
Der Wind ist günstig, die Gefährten warten,
Und alles treibt nach England auf und fort.

HAMLET
Nach England?

KÖNIG
Ja, Hamlet.

HAMLET
Gut.

KÖNIG
So ist es, wenn du unsre Absicht wüßtest.

HAMLET
Ich sehe einen Cherub, der sie sieht. - Aber kommt! Nach England! - Lebt wohl, liebe Mutter!

KÖNIG
Dein liebevoller Vater, Hamlet.

HAMLET
Meine Mutter. Vater und Mutter sind Mann und Weib; Mann und Weib sind ein Fleisch: also meine Mutter. - Kommt, nach England!
Ab.

KÖNIG
Folgt auf dem Fuß ihm, lockt ihn schnell an Bord;
Verzögert nicht; er muß zu Nacht von hinnen.
Fort! Alles ist versiegelt und geschehn,
Was sonst die Sache heischt. Ich bitt Euch, eilt.
Rosenkranz und Güldenstern ab.
Und, England, gilt dir meine Liebe was,
Wie meine Macht sie dich kann schätzen lehren
- Denn noch ist deine Narbe wund und rot
Vom Dänenschwert, und deine Ehrfurcht leistet
Uns willig Lehenspflicht -, so darfst du nicht
Das oberherrliche Geheiß versäumen,
Das durch ein darauf zielndes Schreiben dringt
Auf Hamlets schnellen Tod. O tu es, England!
Wie hektisch Fieber rast er mir im Blut,
Du mußt mich heilen! Mag mir alles glücken;
Bis dies geschehn ist, kann mich nichts erquicken.
Ab.






VIERTE SZENE

Eine Ebene in Dänemark

Fortinbras und Truppen, im Marsch begriffen.

FORTINBRAS
Geht, Hauptmann, grüßt von mir den Dänenkönig,
Sagt ihm, daß Fortinbras auf sein Gestatten
Für den versprochnen Zug durch sein Gebiet
Geleit begehrt. Ihr wißt, wo wir uns treffen.
Wenn Seine Majestät uns sprechen will,
So wollen wir pflichtmäßig ihn begrüßen:
Das meldet ihm!

HAUPTMANN
Ich will es tun, mein Prinz.

FORTINBRAS
Rückt langsam vor!
Fortinbras und Truppen ab.
Hamlet, Rosenkranz, Güldenstern und andere kommen.

HAMLET
Wes sind die Truppen, lieber Herr?

HAUPTMANN
Sie sind von Norweg, Herr.

HAMLET
Wozu bestimmt, ich bitt Euch?

HAUPTMANN
Sie rücken gegen Polen.

HAMLET
Wer führt sie an?

HAUPTMANN
Des alten Norwegs Neffe, Fortinbras.

HAMLET
Und geht es auf das ganze Polen oder
Auf einen Grenzort nur?

HAUPTMANN
Um wahr zu reden und mit keinem Zusatz,
Wir gehn, ein kleines Fleckchen zu gewinnen,
Das keinen Vorteil als den Namen bringt.
Für fünf Dukaten, fünf, möcht ichs nicht pachten,
Auch bringts dem Norweg oder Polen sicher
Nicht mehr, wenn man auf Erbzins es verkauft.

HAMLET
So wird es der Polack nicht halten wollen.

HAUPTMANN
Doch; es ist schon besetzt.

HAMLET
Zweitausend Seelen, zwanzigtausend Goldstück
Entscheiden diesen Lumpenzwist noch nicht.
Dies ist des Wohlstands und der Ruh Geschwür,
Das innen aufbricht, während äußerlich
Kein Todesgrund sich zeigt. - Ich dank Euch, Herr.

HAUPTMANN
Geleit Euch Gott!
Ab.

ROSENKRANZ
Beliebt es Euch zu gehn?

HAMLET
Ich komme gleich Euch nach. Geht nur voran!
[Rosenkranz und die übrigen ab.] Alle außer Hamlet ab.
Wie jeder Anlaß mich verklagt und spornt
Die träge Rache an! Was ist der Mensch,
Wenn seiner Zeit Gewinn, sein höchstes Gut
Nur Schlaf und Essen ist? Ein Vieh, nichts weiter.
Gewiß, der uns mit solcher Denkkraft schuf,
Voraus zu schaun und rückwärts, gab uns nicht
Die Fähigkeit und göttliche Vernunft,
Daß ungebraucht sie in uns schimmle. Nun,
Sei's viehisches Vergessen oder sei's
Ein banger Zweifel, welcher zu genau
Bedenkt den Ausgang - ein Gedanke, der,
Zerlegt man ihn, ein Viertel Weisheit nur
Und stets drei Viertel Feigheit hat -, ich weiß nicht,
Weswegen ich noch lebe, um zu sagen:
»Dies muß geschehn«; da ich doch Grund und Willen
Und Kraft und Mittel hab, um es zu tun.
Beispiele, die zu greifen, mahnen mich.
So dieses Heer von solcher Zahl und Stärke,
Von einem zarten Prinzen angeführt,
Des Mut, von hoher Ehrbegier geschwellt,
Die Stirn dem unsichtbaren Ausgang beut
Und gibt sein sterblich und verletzbar Teil
Dem Glück, dem Tode, den Gefahren preis,
Für eine Nußschal. Wahrhaft groß sein, heißt,
Nicht ohne großen Gegenstand sich regen,
Doch einen Strohhalm selber groß verfechten,
Wenn Ehre auf dem Spiel. Wie steh denn ich,
Den seines Vaters Mord, der Mutter Schande,
Antriebe der Vernunft und des Geblüts,
Den nichts erweckt? Ich seh indes beschämt
Den nahen Tod von zwanzigtausend Mann,
Die für 'ne Grille, ein Phantom des Ruhms
Zum Grab gehn wie ins Bett; es gilt ein Fleckchen,
Worauf die Zahl den Streit nicht führen kann,
Nicht Gruft genug und Raum, um die Erschlagnen
Nur zu verbergen. O von Stund an trachtet
Nach Blut, Gedanken, oder seid verachtet!
Ab.






FÜNFTE SZENE

Helsingör. Ein Zimmer im Schlosse

Die Königin, [und] Horatio und ein Edelmann treten auf.

KÖNIGIN
Ich will nicht mit ihr sprechen.

[HORATIO] EDELMANN
Sie ist sehr dringend; wirklich, außer sich;
Ihr Zustand ist erbarmenswert.

KÖNIGIN
Was will sie?

[HORATIO] EDELMANN
Sie spricht von ihrem Vater, sagt, sie höre,
Die Welt sei schlimm, und ächzt und schlägt die Brust;
Ein Strohhalm ärgert sie; sie spricht verworren
Mit halbem Sinn nur; ihre Red ist nichts,
Doch leitet ihre ungestalte Art
Die Hörenden auf Schlüsse; man errät,
Man stückt zusammen ihrer Worte Sinn,
Die sie mit Nicken gibt, mit Winken, Mienen,
So daß man wahrlich denken muß; man könnte
Zwar nichts gewiß, jedoch viel Arges denken.

[KÖNIGIN] HORATIO
Man muß doch mit ihr sprechen; sie kann Argwohn
In Unheil brütende Gemüter streun.

KÖNIGIN
Laßt sie nur vor! -
Horatio ab.
Der kranken Seele, nach der Art der Sünden,
Scheint jeder Tand ein Unglück zu verkünden,
Von so betörter Furcht ist Schuld erfüllt,
Daß, sich verbergend, sie sich selbst enthüllt.
Horatio kommt mit Ophelia.

OPHELIA
Wo ist die schöne Majestät von Dänmark?

KÖNIGIN
Wie gehts, Ophelia?

OPHELIA
singt.

Wie erkenn ich dein Treulieb
Vor den andern nun?
An dem Muschelhut und Stab
Und den Sandelschuhn.

KÖNIGIN
Ach, süßes Fräulein, wozu soll dies Lied?

OPHELIA
Was beliebt? Nein, bitte, hört:
Singt.

Er ist lange tot und hin,
Tot und hin, Fräulein!
Ihm zu Häupten ein Rasen grün,
Ihm zu Fuß ein Stein.
Oh!
KÖNIGIN
Aber sagt, Ophelia -

OPHELIA
Bitt Euch, hört:
Singt.

Sein Leichenhemd weiß wie Schnee zu sehn -
Der König tritt auf.
KÖNIGIN
Ach, mein Gemahl, seht hier!

OPHELIA
singt.

Geziert mit Blumensegen,
Das unbetränt zum Grab mußt gehn
Von Liebesregen.

KÖNIG
Wie gehts Euch, holdes Fräulein?

OPHELIA
Gottes Lohn, recht gut! Sie sagen, die Eule war eines Bäckers Tochter. Ach Herr, wir wissen wohl, was wir sind, aber nicht, was wir werden können. Gott segne Euch die Mahlzeit!

KÖNIG
Anspielung auf ihren Vater.

OPHELIA
Bitte, laßt uns darüber nicht sprechen; aber wenn sie Euch fragen, was es bedeutet, sagt nur:
Singt.

Auf morgen ist Sankt Valentins Tag,
Wohl an der Zeit noch früh,
Und ich 'ne Maid am Fensterschlag
Will sein eur Valentin.
Er war bereit, tät an sein Kleid,
Tät auf die Kammertür,
Ließ ein die Maid, die als 'ne Maid
Ging nimmermehr herfür.

KÖNIGIN
Holde Ophelia!

OPHELIA
Fürwahr, ohne Schwur, ich will ein Ende machen:
Singt.

Bei unsrer Frau und Sankt Kathrin!
O pfui! was soll das sein?
Ein junger Mann tuts, wenn er kann,
Beim Himmel, 's ist nicht fein.
Sie sprach: Eh Ihr gescherzt mit mir,
Gelobtet Ihr mich zu frein.
Er antwortet: Ich brächs auch nicht, beim Sonnenlicht!
Wärst du nicht kommen herein.

KÖNIG
Wie lang ist sie schon so?

OPHELIA
Ich hoffe, alles wird gut gehn. Wir müssen geduldig sein; aber ich kann nicht anders als weinen, wenn ich denke, daß sie ihn in den kalten Boden gelegt haben. Mein Bruder soll davon wissen, und so dank ich euch für euren guten Rat. Komm, meine Kutsche! Gute Nacht, Damen, gute Nacht, süße Damen, gute Nacht, gute Nacht!
Ab.

KÖNIG
Folgt auf dem Fuß ihr doch; bewacht sie recht!
Horatio ab.
O dies ist Gift des tiefen Grams, es quillt
Aus ihres Vaters Tod. Und seht nun an,
O Gertrud, Gertrud, wenn die Leiden kommen,
So kommen sie wie einzelne Späher nicht,
Nein, in Geschwadern. Ihr Vater umgebracht;
Fort Euer Sohn, er selbst der wüste Stifter
Gerechten eignen Banns; das Volk verschlämmt,
Schädlich und trüb in Wähnen und Vermuten
Vom Tod des redlichen Polonius;
Und töricht wars von uns, so unterm Husch
Ihn zu bestatten; dann dies arme Kind,
Getrennt von sich und ihrem edlen Urteil,
Ohn welches wir nur Bilder sind, nur Tiere.
Zuletzt, was mehr als alles in sich schließt:
Ihr Bruder ist von Frankreich insgeheim
Zurückgekehrt, nährt sich mit seinem Staunen,
Hält sich in Wolken und ermangelt nicht
Der Ohrenbläser, um ihn anzustecken
Mit giftgen Reden von des Vaters Tod,
Wobei Verlegenheit, an Vorwand arm,
Sich nicht entblöden wird, Uns zu verklagen
Von Ohr zu Ohr. O liebste Gertrud, dies
Gibt wie ein Traubenschuß an vielen Stellen
Mir überflüßgen Tod.
Lärm hinter der Szene.

KÖNIGIN
O weh! Was für ein Lärm?
[Ein Edelmann kommt.]

KÖNIG
Herbei!
Wo sind die Schweizer? Laßt die Tür bewachen.
Ein Edelmann kommt.
Was gibt es draußen?

EDELMANN
Rettet Euch, mein Fürst!
Der Ozean, entwachsend seinem Saum,
Verschlingt die Niedrung ungestümer nicht,
Als an der Spitze eines Meutrerhaufens
Laertes Eure Diener übermannt.
Der Pöbel nennt ihn Herrn, und gleich als finge
Die Welt erst an, als wär das Altertum
Vergessen und Gewohnheit nicht bekannt,
Die Stützen und Bekräftger jedes Worts,
Schrein sie: Erwählen wir! Laertes werde König!
Und Mützen, Hände, Zungen tragens jubelnd
Bis an die Wolken: König sei Laertes!
Laertes König!

KÖNIGIN
Sie schlagen lustig an auf falscher Fährte.
Verkehrt gespürt, ihr falschen Dänenhunde!
Lärm hinter der Szene.

KÖNIG
Die Türen sind gesprengt.
Laertes kommt bewaffnet. Dänen hinter ihm.

LAERTES
Wo ist denn dieser König? - Herrn, bleibt draußen!

DÄNEN
Nein, laßt uns mit hinein!

LAERTES
Ich bitt, erlaubt mir!

DÄNEN
Gut, wie Ihr wollt.
Sie ziehen sich hinter die Tür zurück.

LAERTES
Dank Euch! Besetzt die Tür! -
Du schnöder König, gib mir meinen Vater.

KÖNIGIN
Guter Laertes, ruhig!

LAERTES
Der Tropfe Bluts, der ruhig ist, erklärt
Für Bastard mich, schilt Hahnrei meinen Vater,
Brandmarkt als Metze meine treue Mutter,
Hier zwischen ihren reinen, keuschen Braun.

KÖNIG
Was ist der Grund, Laertes, daß dein Aufstand
So riesenmäßig aussieht? - Laßt ihn, Gertrud,
Befürchtet nichts für Unsere Person,
Denn solche Göttlichkeit schirmt einen König:
Verrat, der nur erblickt, was er gewollt,
Steht ab von seinem Willen. - Sag, Laertes,
Was bist du so entrüstet? - Gertrud, laßt ihn! -
Sprich, junger Mann.

LAERTES
Wo ist mein Vater?

KÖNIG
Tot.

KÖNIGIN
Doch nicht durch ihn.

KÖNIG
Laßt ihn nur satt sich fragen.

LAERTES
Wie kam er um? Ich lasse mich nicht äffen.
Zur Hölle, Treu! Zum ärgsten Teufel, Eide!
Gewissen, Frömmigkeit, zum tiefsten Schlund!
Ich trotze der Verdammnis; so weit kams:
Ich schlage beide Welten in die Schanze,
Mag kommen, was da kommt! Nur Rache will ich
Vollauf für meinen Vater.

KÖNIG
Wer wird Euch hindern?

LAERTES
Mein Wille, nicht der ganzen Welt Gebot,
Und meine Mittel will ich so verwalten,
Daß wenig weit soll reichen.

KÖNIG
Hört, Laertes,
Wenn Ihr von Eures teuren Vaters Tod
Das Sichre wissen wollt: Ists Eurer Rache Schluß,
Als Sieger in dem Spiel so Freund als Feind,
Gewinner und Verlierer fortzureißen?

LAERTES
Nur seine Feinde.

KÖNIG
Wollt Ihr sie denn kennen?

LAERTES
Den Freunden will ich weit die Arme öffnen
Und wie der Lebensopfrer Pelikan
Mit meinem Blut sie tränken.

KÖNIG
So, nun sprecht Ihr
Als guter Sohn und echter Edelmann.
Daß ich an Eures Vaters Tode schuldlos
Und am empfindlichsten dadurch gekränkt,
Soll Eurem Urteil offen dar sich legen,
Wie Tageslicht dem Aug.

DÄNEN
hinter der Szene.
Laßt sie hinein!

LAERTES
Was gibts? Was für ein Lärm?
Ophelia kommt, phantastisch mit Kräutern und Blumen geschmückt.
O Hitze, trockne
Mein Hirn auf! Tränen, siebenfach gesalzen,
Brennt meiner Augen Kraft und Tugend aus!
Bei Gott, dein Wahnsinn soll bezahlt uns werden
Nach dem Gewicht, bis unsre Waagschal sinkt!
O Maienrose! Süßes Kind! Ophelia!
Geliebte Schwester! - Himmel, kann es sein,
Daß eines jungen Mädchens Witz so sterblich
Als eines alten Mannes Leben ist?
Natur ist fein im Lieben; wo sie fein ist,
Da sendet sie ein kostbar Pfand von sich
Dem, was sie liebhat, nach.

OPHELIA
singt.

Sie trugen ihn auf der Bahre bloß,
He non nonni, nonni, he nonni!
Und manche Trän fiel in Grabes Schoß -
Fahr wohl, meine Taube!
LAERTES
Hättst du Vernunft und mahntest uns zur Rache,
Es könnte so nicht rühren.

OPHELIA
Ihr müßt singen: »'nunter, hinunter, und ruft ihr ihn 'nunter!« O wie das Rad dazu klingt! Es ist der falsche Verwalter, der seines Herrn Tochter stahl.

LAERTES
Dies Nichts ist mehr als Etwas.

OPHELIA
Da ist Vergißmeinnicht, das ist zum Andenken; ich bitte Euch, liebes Herz, gedenkt meiner! - Und da ist Rosmarin, das ist für die Treue.

LAERTES
Ein Sinnspruch im Wahnsinn: Treue und Andenken bezeichnet.

OPHELIA
Da ist Fenchel für Euch und Aglei - da ist Raute für Euch, und hier ist welche für mich; wir können sie Sonntagsgnadenkraut nennen. - Ihr könnt Eure Raute mit einem Zeichen tragen. - Da ist Maßlieb - ich wollte Euch ein paar Veilchen geben, aber sie welkten alle, da mein Vater starb. - Sie sagen, er nahm ein gutes Ende. -
Singt.

Denn traut lieb Fränzel ist all meine Lust -

LAERTES
Schwermut und Trauer, Leid, die Hölle selbst
Macht sie zur Anmut und zur Artigkeit.

OPHELIA
singt.

Und kommt er nicht mehr zurück?
Und kommt er nicht mehr zurück?
Er ist tot, o weh!
In dein Todesbett geh,
Er kommt ja nimmer zurück.

Sein Bart war so weiß wie Schnee,
Sein Haupt dem Flachse gleich:
Er ist hin, er ist hin,
Und kein Leid bringt Gewinn;
Gott helf ihm ins Himmelreich!
Und allen Christenseelen! Darum bet ich! Gott sei mit euch.
Ab.
LAERTES
Seht Ihr das? O Gott!

KÖNIG
Laertes, laßt mit Euerm Gram mich sprechen,
Versagt mir nicht mein Recht. Entfernt Euch nur,
Wählt die verständigsten von Euren Freunden
Und laßt sie richten zwischen Euch und mir.
Wenn sie zunächst Uns, oder mittelbar,
Dabei betroffen finden, wollen Wir
Reich, Krone, Leben, was nur Unser heißt,
Euch zur Vergütung geben; doch wo nicht,
So seid zufrieden, Uns Geduld zu leihn;
Wir wollen dann, vereint mit Eurer Seele,
Sie zu befriedigen trachten.

LAERTES
Ja, so sei's.
Die Todesart, die heimliche Bestattung,
Kein Schwert noch Wappen über seiner Gruft,
Kein hoher Brauch noch förmliches Gepräng,
Alles ruft laut vom Himmel bis zur Erde,
Daß ichs zur Frage ziehn muß.

KÖNIG
Gut, das sollt Ihr,
Und wo die Schuld ist, mag das Strafbeil fallen.
Ich bitt Euch, folget mir!
Alle ab.






SECHSTE SZENE

Ein andres Zimmer im Schlosse

Horatio und ein Diener treten auf.

HORATIO
Was sinds für Leute, die mich sprechen wollen?

DIENER
Matrosen, Herr; sie haben, wie sie sagen,
Euch Briefe zu bestellen.

HORATIO
Laßt sie vor!
Diener ab.
Ich wüßte nicht, von welchem Teil der Welt
Ein Gruß mir käme als vom Prinzen Hamlet.
Matrosen kommen.

ERSTER MATROSE
Gott segn Euch, Herr!

HORATIO
Dich segn er ebenfalls.

ERSTER MATROSE
Das wird er, Herr, so es ihm gefällt. Hier ist ein Brief für Euch, Herr - er kommt von dem Gesandten, der nach England reisen sollte -, wenn Euer Name Horatio ist, wie man mir versichert.

HORATIO
liest.
Horatio, wenn Du dies durchgesehn haben wirst, verschaffe diesen Leuten Zutritt beim Könige; sie haben Briefe für ihn. Wir waren noch nicht zwei Tage alt auf See, als ein stark gerüsteter Pirat Jagd auf uns machte. Da wir uns im Segeln zu langsam fanden, legten wir eine notgedrungene Tapferkeit an, und während des Handgemenges enterte ich; in dem Augenblick machten sie sich von unserm Schiffe los, und so wand ich allein ihr Gefangner. Sie haben mich wie barmherzige Diebe behandelt, aber sie wußten wohl, was sie taten; ich muß einen guten Streich für sie tun. Sorge, daß der König die Briefe bekommt, die ich sende, und begib Dich zu mir in solcher Eile, als Du den Tod fliehen würdest. Ich habe Dir Worte ins Ohr zu sagen, die Dich stumm machen werden, doch sind sie viel zu leicht für das Gewicht der Sache. Diese guten Leute werden Dich hinbringen, wo ich bin. Rosenkranz und Güldenstern setzen ihre Reise nach England fort; über sie hab ich Dir viel zu sagen. Lebe wohl!

Den Du als den Deinen kennst, Hamlet.
Kommt, ich will diese eure Briefe fördern,
Und um so schneller, daß ihr hin mich führt
Zu ihm, der sie euch mitgab.
Alle ab.





SIEBENTE SZENE

Ein andres Zimmer im Schlosse

Der König und Laertes treten auf.

KÖNIG
Nun muß doch Eur Gewissen meine Unschuld
Versiegeln, und Ihr müßt in Euer Herz
Als Freund mich schließen, weil Ihr habt gehört,
Und mit verständigem Ohr, daß eben der,
Der Euren edlen Vater umgebracht,
Mir nach dem Leben stand.

LAERTES
So ists. Doch sagt mir,
Warum belangtet Ihr nicht diese Taten,
Die so verbrecherisch und todeswürdig,
Wie Eure Größe, Weisheit, Sicherheit,
Wie alles sonst Euch drang?

KÖNIG
Aus zwei besondern Gründen,
Die Euch vielleicht sehr marklos dünken mögen,
Allein für mich doch stark sind. Seine Mutter,
Die Königin, lebt fast von seinem Blick,
Und was mich selbst betrifft - sei's, was es sei,
Entweder meine Tugend oder Qual -
Sie ist mir so vereint in Seel und Leben:
Wie sich der Stern in seinem Kreis nur regt,
Könnt ichs nicht ohne sie. Der andre Grund,
Warum ichs nicht zur Sprache bringen durfte,
Ist, daß der große Hauf an ihm so hängt:
Sie tauchen seine Fehl' in ihre Liebe,
Die, wie der Quell, der Holz in Stein verwandelt,
Aus Tadel Lob macht, so daß meine Pfeile,
Zu leicht gezimmert für so scharfen Wind,
Zurückgekehrt zu meinem Bogen wären
Und nicht zum Ziel gelangt.

LAERTES
Und so verlor ich einen edlen Vater,
So wand mir eine Schwester hoffnungslos
Zerrüttet, deren Wert, wofern das Lob
Zurückgehn darf, auf unsrer Zeiten Höhe
Auffordernd stand zu gleicher Trefflichkeit.
Doch kommen soll die Rache!

KÖNIG
Schlaft deshalb ruhig nur. Ihr müßt nicht denken,
Wir wären aus so trägem Stoff gemacht,
Daß Wir Gefahr am Bart Uns raufen ließen
Und hielten es für Kurzweil. Ihr vernehmt
Mit nächstem mehr. Ich liebte Euren Vater,
Auch lieben Wir Uns selbst: das, hoff ich, wird
Euch einsehn lehren -
Ein Bote kommt.
Nun? Was gibt es Neues?

BOTE
Herr, Briefe sinds von Hamlet; dieser da
Für Eure Majestät, der für die Königin.

KÖNIG
Von Hamlet? Und wer brachte sie?

BOTE
Matrosen, heißt es, Herr; ich sah sie nicht.
Mir gab sie Claudio, der vom Überbringer
Sie selbst empfing.

KÖNIG
Laertes, Ihr sollt hören. -
Laßt uns!
Bote ab.
Liest.
Großmächtigster! Wisset, daß ich nackt an Euer Reich ausgesetzt bin. Morgen werde ich um Erlaubnis bitten, vor Euer königliches Auge zu treten, und dann werde ich, wenn ich Euch erst um Vergünstigung dazu ersucht, die Veranlassung meiner plötzlichen und wunderbaren Rückkehr berichten.


Hamlet.
Was heißt dies? Sind sie alle wieder da?
Wie? Oder ists Betrug und nichts daran?
LAERTES
Kennt Ihr die Hand?

KÖNIG
Es sind Hamlets Züge. »Nackt«,
Und in der Nachschrift hier sagt er: »Allein«.
Könnt Ihr mir raten?

LAERTES
Ich bin ganz irr, mein Fürst. Allein er komme!
Erfrischt es doch mein Herzensübel recht,
Daß ichs ihm in die Zähne rücken kann:
Das tatest du!

KÖNIG
Wenn es so ist, Laertes
- Wie kann es nur so sein? Wie anders? -, wollt Ihr
Euch von mir stimmen lassen?

LAERTES
Ja, mein Fürst,
Wenn Ihr mich nicht zum Frieden stimmen wollt.

KÖNIG
Zu deinem Frieden. Ist er heimgekehrt,
Als stutzig vor der Reis' und denkt nicht mehr
Sie vorzunehmen, so beweg ich ihn
Zu einem Probstück, reif in meinem Sinn,
Wobei sein Fall gewiß ist; und es soll
Um seinen Tod kein Lüftchen Tadel wehn,
Selbst seine Mutter soll die List nicht zeihen,
Nein, nenne Zufall sie!

LAERTES
Ich will Euch folgen, Herr,
Und um so mehr, wenn Ihrs zu machen wüßtet,
Daß ich das Werkzeug wär.

KÖNIG
So trifft sichs eben.
Man hat seit Eurer Reis' Euch viel gerühmt,
Und das vor Hamlets Ohr, um eine Eigenschaft,
Worin Ihr, sagt man, glänzt; all Eure Gaben
Entlockten ihm gesamt nicht so viel Neid
Als diese eine, die nach meiner Schätzung
Vom letzten Rang ist.

LAERTES
Und welche Gabe wär das, gnädger Herr?

KÖNIG
Ein bloßes Band nur um den Hut der Jugend,
Doch nötig auch, denn leichte, lose Tracht
Ziemt minder nicht der Jugend, die sie trägt,
Als dem gesetzten Alter Pelz und Mantel
Gesundheit schafft und Ansehn. - Vor zwei Monden
War hier ein Ritter aus der Normandie.
Ich kenne selbst die Franken aus dem Krieg,
Und sie sind gut zu Pferd; doch dieser Brave
Tat Zauberding'; er wuchs am Sitze fest
Und lenkt' sein Pferd zu solchen Wunderkünsten,
Als wär er einverleibt und halbgeartet
Mit diesem wackern Tier; es überstieg
So weit die Vorstellung, daß mein Erfinden
Von Wendungen und Sprüngen hinter dem
Zurückbleibt, was er tat.

LAERTES
Ein Normann wars?

KÖNIG
Ein Normann.

LAERTES
Lamord, bei meinem Leben!

KÖNIG
Ja, derselbe.

LAERTES
Ich kenn ihn wohl, er ist auch in der Tat
Das Kleinod und Juwel von seinem Volk.

KÖNIG
Er ließ bei uns sich über Euch vernehmen
Und gab Euch solch ein meisterliches Lob
Für Eure Kunst und Übung in den Waffen,
Insonderheit die Führung des Rapiers.
Es gäb ein rechtes Schauspiel, rief er aus,
Wenn wer darin sich mit Euch messen könnte.
Er schwur, die Fechter seines Landes hätten
Nicht sichre Hut, noch Auge, noch Geschick,
Wenn Ihr sie angrifft; dieser sein Bericht
Vergiftete den Hamlet so mit Neid,
Daß er nichts tat als wünschen, daß Ihr schleunig
Zurückkämt, um mit Euch sich zu versuchen.
Nun, hieraus...

LAERTES
Was denn hieraus, gnädger Herr?

KÖNIG
Laertes, war Euch Euer Vater wert?
Wie, oder seid Ihr gleich dem Gram im Bilde
Ein Antlitz ohne Herz?

LAERTES
Wozu die Frage?

KÖNIG
Nicht als ob ich dächte,
Ihr hättet Euren Vater nicht geliebt.
Doch weiß ich, durch die Zeit beginnt die Liebe,
Und seh an Proben der Erfahrung auch,
Daß Zeit derselben Glut und Funken mäßigt.
Im Innersten der Liebesflamme lebt
Eine Art von Docht und Schnuppe, die sie dämpft;
Und nichts beharrt in gleicher Güte stets,
Denn Güte, die vollblütig wird, erstirbt
Im eignen Allzuviel. Was man will tun,
Das soll man, wenn man will; denn dies »will« wechselt
Und hat so mancherlei Verzug und Schwächung,
Als es nur Zungen, Hände, Fälle gibt;
Dann ist dies »soll« ein prasserischer Seufzer,
Der lindernd schadet. Doch zum Kern der Sache!
Hamlet kommt her: was wollt Ihr unternehmen,
Zu zeigen Euch als Eures Vaters Sohn
In Taten mehr als Worten?

LAERTES
Die Kehle ihm durchschneiden in der Kirche!

KÖNIG
Mord sollte freilich nirgends Freistatt finden,
Und Rache keine Grenzen. Doch, Laertes,
Wollt Ihr dies tun, so haltet Euch zu Haus;
Kommt Hamlet heim, erfährt er Eure Rückkehr.
Wir lassen Eure Trefflichkeit ihm preisen
Und doppelt überfirnissen den Ruhm,
Den Euch der Franke gab; kurz, bringen Euch zusammen
Und stellen Wetten an auf Eure Köpfe.
Er, achtlos, edel, frei von allem Arg,
Wird die Rapiere nicht genau besehn;
So könnt Ihr leicht mit ein paar kleinen Griffen
Euch eine nicht gestumpfte Klinge wählen
Und ihn mit einem wohlgeführten Stoß
Für Euren Vater lohnen.

LAERTES
Ich wills tun
Und zu dem Endzweck meinen Degen salben.
Ein Scharlatan verkaufte mir ein Mittel,
So tödlich, taucht man nur ein Messer drein,
Wo's Blut zieht, kann kein noch so köstlich Pflaster,
Von allen Kräutern unterm Mond mit Kraft
Gesegnet, das Geschöpf vom Tode retten,
Das nur damit geritzt ist; mit dem Gift
Will ich die Spitze meines Degens netzen,
So daß es, streif ich ihn nur obenhin,
Den Tod ihm bringt.

KÖNIG
Bedenken wir dies ferner,
Was für Begünstigung von Zeit und Mitteln
Zu unserm Ziel kann führen. Schlägt dies fehl
Und blickt durch unsre schlechte Ausführung
Die Absicht, so wärs besser nicht versucht;
Drum muß der Plan noch eine Sichrung haben,
Haltbar und wirksam, wenn sich jener nicht
Bewährt. - Still, laßt mich sehn! - Auf Eure Fechtkunst
Schließen wir feierliche Wetten ab -
Ich habs:
Wenn ihr vom Fechten heiß und durstig seid
- Ihr müßt deshalb die Gänge heftger machen -
Und er zu trinken fordert, soll ein Kelch
Bereitstehn, der, wenn er davon nur nippt,
Entging er etwa Eurem giftgen Stich,
Noch unsern Anschlag sichert. [- Aber still!
Was für ein Lärm?]
Die Königin kommt.
Nun, werte Königin?

KÖNIGIN
Ein Leiden tritt dem andern auf die Fersen,
So schleunig folgen sie:
Laertes, Eure Schwester ist ertrunken.

LAERTES
Ertrunken sagt Ihr? Wo?

KÖNIGIN
Es neigt ein Weidenbaum sich übern Bach
Und zeigt im klaren Strom sein graues Laub,
Mit welchem sie phantastisch Kränze wand
Von Hahnfuß, Nesseln, Maßlieb, Kuckucksblumen,
Die dreiste Schäfer derber wohl benennen,
Doch unsre Mädchen Toten-Mannes-Finger.
Dort, als sie aufklomm, um ihr Laubgewinde
An den gesenkten Ästen aufzuhängen,
Zerbrach ein falscher Zweig, und nieder fielen
Die rankenden Trophäen und sie selbst
Ins weinende Gewässer. Ihre Kleider
Verbreiteten sich weit und trugen sie
Sirenen gleich ein Weilchen noch empor,
Indes sie Stellen alter Weisen sang,
Als ob sie nicht die eigne Not begriffe,
Wie ein Geschöpf, geboren und begabt
Für dieses Element. Doch lange währt' es nicht,
Bis ihre Kleider, die sich schwer getrunken,
Das arme Kind von ihren Melodien
Hinunterzogen in den schlammigen Tod.

LAERTES
Ach, ist sie denn ertrunken?

KÖNIGIN
Ertrunken, ertrunken.

LAERTES
Zu viel des Wassers hast du, arme Schwester,
Drum halt ich meine Tränen auf. Und doch
Ists unsre Art; Natur hält ihre Sitte,
Was Scham auch sagen mag: sind die erst fort,
So ist das Weib heraus. - Lebt wohl, mein Fürst.
Ich habe Flammenworte, welche gern
Auflodern möchten, wenn nur diese Torheit
Sie nicht ertränkte.
Ab.

KÖNIG
Laßt uns folgen, Gertrud!
Wie hatt ich Mühe, seine Wut zu stillen!
Nun, fürcht ich, bricht dies wieder ihre Schranken:
Drum laßt uns folgen.
Beide ab.






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FÜNFTER AKT
ERSTE SZENE

Ein Kirchhof

Zwei Totengräber kommen mit Spaten usw.

ERSTER TOTENGRÄBER
Soll die ein christlich Begräbnis erhalten, die vorsätzlich ihre eigne Seligkeit sucht?

ZWEITER TOTENGRÄBER
Ich sage dir, sie solls, mach also flugs ihr Grab. Der Totenbeschauer hat über sie gesessen und christlich Begräbnis erkannt.

ERSTER TOTENGRÄBER
Wie kann das sein, wenn sie sich nicht defensionsweise ertränkt hat?

ZWEITER TOTENGRÄBER
Nun, es ist so befunden.

ERSTER TOTENGRÄBER
Es muß aber se offendendo geschehn, es kann nicht anders sein. Denn dies ist der Punkt: Wenn ich mich wissentlich ertränke, so beweist es eine Handlung, und eine Handlung hat drei Stücke: sie besteht in Handeln, Tun und Verrichten: Ergel hat sie sich wissentlich ertränkt!

ZWEITER TOTENGRÄBER
Ei, hört doch, Gevatter Schaufler!

ERSTER TOTENGRÄBER
Erlaubt mir! Hier steht das Wasser: gut; hier steht der Mensch: gut! - Wenn der Mensch zu diesem Wasser geht und sich selbst ertränkt, so bleibts dabei, er mag wollen oder nicht, daß er hingeht. Merkt Euch das! Aber wenn das Wasser zu ihm kommt und ihn ertränkt, so ertränkt er sich nicht selbst. Ergel, wer an seinem eignen Tode nicht schuld ist, verkürzt sein eignes Leben nicht.

ZWEITER TOTENGRÄBER
Ist das Rechtens?

ERSTER TOTENGRÄBER
Ei freilich, nach dem Totenbeschauer-Recht.

ZWEITER TOTENGRÄBER
Wollt Ihr die Wahrheit wissen? Wenns kein vornehmes Fräulein gewesen wäre, so wäre sie auch nicht auf geweihtem Boden begraben.

ERSTER TOTENGRÄBER
Ja, da haben wirs. Und es ist doch ein Jammer, daß die großen Leute in dieser Welt mehr Aufmunterung haben, sich zu hängen und zu ersäufen, als ihre Christenbrüder. Komm, den Spaten her! Es gibt keine so alten Edelleute als Gärtner, Grabenmacher und Totengräber: sie pflanzen Adams Profession fort.

ZWEITER TOTENGRÄBER
War der ein Edelmann?

ERSTER TOTENGRÄBER
Er war der erste, der je armiert war.

ZWEITER TOTENGRÄBER
Ei, was wollt er!

ERSTER TOTENGRÄBER
Was? Bist ein Heide? Wie legst du die Schrift aus? Die Schrift sagt: Adam grub. Konnte er ohne Arme graben? Ich will dir noch eine andere Frage vorlegen; wenn du mir nicht gehörig antwortest, so bekenne -

ZWEITER TOTENGRÄBER
Nur zu!

ERSTER TOTENGRÄBER
Wer baut fester als der Maurer, der Schiffsbaumeister oder der Zimmermann?

ZWEITER TOTENGRÄBER
Der Galgenmacher, denn sein Gebäude
überlebt an die tausend Bewohner.

ERSTER TOTENGRÄBER
Dein Witz gefällt mir, meiner Treu. Der Galgen tut gut; aber wie tut er gut? Er tut gut an denen, die übel tun. Nun tust du übel zu sagen, daß der Galgen stärker gebaut ist als die Kirche, also würde der Galgen an dir gut tun. Noch mal dran, frisch!

ZWEITER TOTENGRÄBER
Wer stärker baut als ein Maurer, ein Schiffsbaumeister oder ein Zimmermann?

ERSTER TOTENGRÄBER
Ja, sag mir das, und du sollst Feierabend haben.

ZWEITER TOTENGRÄBER
Mein Seel, nun kann ichs sagen!

ERSTER TOTENGRÄBER
Frisch!

ZWEITER TOTENGRÄBER
Sapperment, ich kanns doch nicht sagen!
Hamlet und Horatio treten in einiger Entfernung auf.

ERSTER TOTENGRÄBER
Zerbrich dir den Kopf nicht weiter darum, der dumme Esel geht doch nicht schneller, wie du ihn auch prügeln magst, und wenn dir jemand das nächste Mal die Frage tut, antworte: der Totengräber. Die Häuser, die er baut, währen bis zum Jüngsten Tage. Geh, mach dich ins Wirtshaus und hole mir einen Schoppen Branntwein.
Zweiter Totengräber ab.

ERSTER TOTENGRÄBER
gräbt und singt.

In jungen Tagen ich lieben tät,
Das dünkte mir so süß.
Die Zeit - oh - zu verbringen - ah - früh und spät,
Behagte mir - ah - nichts wie dies.

HAMLET
Hat dieser Kerl kein Gefühl von seinem Geschäft? Er gräbt ein Grab und singt dazu.

HORATIO
Die Gewohnheit hat es ihm zu einer leichten Sache gemacht.

HAMLET
So pflegt es zu sein; je weniger eine Hand verrichtet, desto zarter ist ihr Gefühl.

ERSTER TOTENGRÄBER
singt.

Doch Alter mit dem schleichenden Tritt
Hat mich gepackt mit der Faust
Und hat mich weg aus dem Lande geschifft,
Als hätt ich da nimmer gehaust.
Wirft einen Schädel auf.
HAMLET
Der Schädel hatte einmal eine Zunge und konnte singen. Wie ihn der Schuft auf den Boden schleudert, als wär es der Kinnbacken Kains, der den ersten Mord beging! Dies mochte der Kopf eines Politikers sein, den dieser Esel nun überlistet; eines, der Gott den Herrn hintergehen wollte, nicht wahr?

HORATIO
Wohl möglich, mein Prinz.

HAMLET
Oder eines Hofmannes, der sagen konnte: Guten Morgen, geliebtester Prinz, wie gehts, bester Prinz! - Dies mochte der gnädige Herr der und der sein, der des gnädigen Herrn des und des Pferd lobte, wenn er es gern zum Geschenk gehabt hätte, nicht wahr?

HORATIO
Wohl möglich, mein Prinz.

HAMLET
Jaja, und nun Junker Wurm, eingefallen und mit einem Totengräberspaten um die Kinnbacken geschlagen. Das ist mir eine schöne Verwandlung; wenn wir nur die Kunst besäßen, sie zu sehen. Haben diese Knochen nicht mehr zu unterhalten gekostet, als daß man Kegel mit ihnen spielt? Meine tun mir weh, wenn ich daran denke.

ERSTER TOTENGRÄBER
singt.

Eine Spitzhack und ein Spaten wohl,
Samt einem Kittel aus Lein
Und oh, eine Grube gar tief und hohl
Für solchen Gast muß sein.
Wirft einen Schädel auf.
HAMLET
Da ist wieder einer. Warum könnte das nicht der Schädel eines Rechtsgelehrten sein? Wo sind nun seine Klauseln, seine Praktiken, seine Fälle und seine Kniffe? Warum leidet er nun, daß dieser grobe Flegel ihn mit einer schmutzigen Schaufel um den Hirnkasten schlägt, und droht nicht, ihn wegen Tätlichkeiten zu belangen? Hum! Dieser Geselle war vielleicht zu seiner Zeit ein großer Käufer von Ländereien, mit seinen Hypotheken, seinen Grundzinsen, seinen Kaufbriefen, seinen Gewährsmännern, seinen gerichtlichen Auflassungen. Ist dies nun der Kauf seiner Käufe und der prächtigste Bodenerwerb, daß er seine prächtige Hirnschale voll prächtigem Dreck hat? Werden ihm seine Gewährsmänner nicht mehr von seinen erkauften Göttern gewähren als die Länge und Breite von ein paar Kontraktsdokumenten? Sogar die Übertragungsurkunden seiner Ländereien könnten kaum in diesem Kasten liegen; und soll der Eigentümer selbst nicht mehr Raum haben? He?

HORATIO
Nicht ein Tüttelchen mehr, mein Prinz.

HAMLET
Wird nicht Pergament aus Schafsfellen gemacht?

HORATIO
Ja, mein Prinz, und aus Kalbsfellen auch.

HAMLET
Schafe und Kälber sind es, die darin ihre Sicherheit suchen. Ich will diesen Burschen anreden. - Wessen Grab ist das? Heda!

ERSTER TOTENGRÄBER
Meines, Herr.
Singt.

Und oh, eine Grube gar tief und hohl
Für solchen Gast muß sein.

HAMLET
Ich glaube wahrhaftig, daß es deines ist, denn du liegst darin.

ERSTER TOTENGRÄBER
Ihr liegt draußen, Herr, und also ists nicht Eures; ich liege nicht darin, und doch ist es meines.

HAMLET
Du lügst darin, weil du darin bist und sagst, daß es deines ist. Es ist aber für die Toten, nicht für die Lebendigen; also lügst du.

ERSTER TOTENGRÄBER
's ist eine lebendige Lüge, Herr, sie will von mir weg, zu Euch zurück.

HAMLET
Für was für einen Mann gräbst du es?

ERSTER TOTENGRÄBER
Für keinen Mann.

HAMLET
Für was für eine Frau denn?

ERSTER TOTENGRÄBER
Auch für keine.

HAMLET
Wer soll denn darin begraben werden?

ERSTER TOTENGRÄBER
Eine gewesene Frau, Herr; aber Gott hab sie selig, sie ist tot.

HAMLET
Wie eigensinnig der Bursch ist! Wir müssen nach der Schnur sprechen, oder er sticht uns mit Silben zu Tode. Wahrhaftig, Horatio, ich habe seit diesen drei Jahren darauf geachtet: das Zeitalter wird so spitzfindig, daß der Bauer dem Hofmann auf die Fersen tritt. - Wie lange bist du schon Totengräber?

ERSTER TOTENGRÄBER
Von allen Tagen im Jahre kam ich just den Tag dazu, da unser voriger König Hamlet den Fortinbras überwand.

HAMLET
Wie lange ist das her?

ERSTER TOTENGRÄBER
Wißt Ihr das nicht? Das weiß jeder Narr. Es war denselben Tag, wo der junge Hamlet geboren ward, der nun toll geworden und nach England geschickt ist.

HAMLET
Ei so! Warum haben sie ihn nach England geschickt?

ERSTER TOTENGRÄBER
Nu, weil er toll war. Er soll seinen Verstand da wiederkriegen; und wenn er ihn nicht wiederkriegt, so tuts da nicht viel.

HAMLET
Warum?

ERSTER TOTENGRÄBER
Man wirds ihm da nicht viel anmerken; die Leute sind da ebenso toll wie er.

HAMLET
Wie wurde er toll?

ERSTER TOTENGRÄBER
Seltsam genug, sagen sie.

HAMLET
Wie, seltsam?

ERSTER TOTENGRÄBER
Mein Seel, just dadurch, daß er den Verstand verlor.

HAMLET
Kennt Ihr den Grund?

ERSTER TOTENGRÄBER
Freilich, dänischer Grund und Boden. Ich bin hier seit dreißig Jahren Totengräber gewesen, in jungen und alten Tagen.

HAMLET
Wie lange liegt wohl einer in der Erde, eh er verfault?

ERSTER TOTENGRÄBER
Mein Treu, wenn er nicht schon vor dem Tode verfault ist, wie wir denn heutzutage viele lustsieche Leichen haben, die kaum bis zum Hineinlegen halten, so dauert er Euch ein acht bis neun Jahr aus; ein Lohgerber neun Jahre.

HAMLET
Warum der länger als ein andrer?

ERSTER TOTENGRÄBER
Ei, Herr, sein Gewerbe gerbt ihm das Fell so, daß es eine lange Zeit das Wasser abhält, und das Wasser richtet so 'ne Blitzleiche verteufelt zugrunde. Hier ist ein Schädel, der Euch dreiundzwanzig Jahre in der Erde gelegen hat.

HAMLET
Wem gehört er?

ERSTER TOTENGRÄBER
Einem unklugen Blitzkerl. Wer denkt Ihr, daß es war?

HAMLET
Ja, ich weiß nicht.

ERSTER TOTENGRÄBER
Das Wetter über den unklugen Schalk! Er goß mir einmal eine Flasche Rheinwein über den Kopf. Dieser Schädel da war Yoricks Schädel, des Königs Spaßmacher.

HAMLET
Dieser?
[Nimmt den Schädel.]

ERSTER TOTENGRÄBER
Ja, ja, eben der.

HAMLET
Laß mich sehen.
Nimmt den Schädel.
Ach armer Yorick! - Ich kannte ihn, Horatio; ein Bursch von unendlichem Humor, voll von den herrlichsten Einfällen. Er hat mich tausendmal auf dem Rücken getragen, und jetzt, wie schaudert meiner Einbildungskraft davor! Mir wird ganz übel. Hier hingen diese Lippen, die ich geküßt habe, ich weiß nicht wie oft. Wo sind nun deine Schwänke? Deine Sprünge? Deine Lieder, deine Blitze von Lustigkeit, wobei die ganze Tafel in Lachen ausbrach? Ist jetzt keiner da, der sich über dein eigenes Grinsen aufhielte? Alles weggeschrumpft? Nun begib dich in die Kammer der gnädigen Frau und sage ihr, wenn sie auch einen Finger dick auflegt: so'n Gesicht muß sie endlich bekommen; mach sie damit lachen! - Sei so gut, Horatio, sage mir dies eine!

HORATIO
Und was, mein Prinz?

HAMLET
Glaubst du, daß Alexander in der Erde solchergestalt aussah?

HORATIO
Geradeso.

HAMLET
Und so roch? Pah!
Wirft den Schädel weg.

HORATIO
Geradeso, mein Prinz.

HAMLET
Zu was für schnöden Bestimmungen wir kommen, Horatio! Warum sollte die Einbildungskraft nicht den edlen Staub Alexanders verfolgen können, bis sie ihn findet, wo er ein Spundloch verstopft?

HORATIO
Die Dinge so betrachten hieße sie allzu genau betrachten.

HAMLET
Nein, wahrhaftig, im geringsten nicht. Man könnte ihm bescheiden genug dahin folgen und sich immer von der Wahrscheinlichkeit führen lassen. Zum Beispiel so: Alexander starb, Alexander ward begraben. Alexander verwandelte sich in Staub; der Staub ist Erde; aus Erde machen wir Lehm; und warum sollte man nicht mit dem Lehm, worein er verwandelt ward, ein Bierfaß stopfen können?

Der große Cäsar, tot und Lehm geworden,
Verstopft ein Loch wohl vor dem rauhen Norden.
O daß die Erde, der die Welt gebebt,
Vor Wind und Wetter eine Wand verklebt!
Doch still, doch still, beiseit! Hier kommt der König!
Priester usw. kommen in Prozession; die Leiche der Ophelia; Laertes und Leidtragende folgen ihr; der König, die Königin, ihr Gefolge usw.
Die Königin, der Hof - wem folgen sie?
Und mit so unvollständgen Feierlichkeiten?
Ein Zeichen, daß die Leiche, der sie folgen,
Verzweiflungsvolle Hand an sich gelegt.
Sie war von Stande; lauern wir ein Weilchen
Und geben acht.
Zieht sich mit Horatio zurück.
LAERTES
Was für Gebräuche sonst?

HAMLET
Das ist Laertes,
Ein edler junger Mann. Gebt acht!

LAERTES
Was für Gebräuche sonst?

ERSTER PRIESTER
Wir dehnten ihr Begräbnis aus, soweit
Die Vollmacht reicht; ihr Tod war zweifelhaft,
Und wenn kein Machtgebot die Ordnung hemmte,
So hätte sie in ungeweihtem Grund
Bis zur Gerichtsdrommete wohnen müssen.
Statt christlicher Gebete sollten Scherben
Und Kieselstein auf sie geworfen werden.
Hier gönnt man ihr doch ihren Mädchenkranz
Und das Bestreun mit jungfräulichen Blumen,
Geläut und Grabstätt.

LAERTES
So darf nichts mehr geschehn?

ERSTER PRIESTER
Nichts mehr geschehn.
Wir würden ja der Toten Dienst entweihn,
Wenn wir ein Requiem und Ruh ihr sängen
Wie fromm verschiednen Seeln.

LAERTES
Legt sie ins Grab.
Und aus der schönen, unbefleckten Hülle
Solln Veilchen wachsen! - Harter Priester, höre:
Ein Engel am Thron wird meine Schwester sein,
Wenn du liegst heulend.

HAMLET
Was? Die schöne Ophelia?

KÖNIGIN
Blumen streuend.
Süßes der Süßen. Lebe wohl! - Ich hoffte,
Du solltest meines Hamlet Gattin sein.
Dein Brautbett, dacht ich, süßes Kind, zu schmücken,
Nicht zu bestreun dein Grab.

LAERTES
O dreifach Wehe
Treff zehnmal dreifach das verfluchte Haupt,
Des Untat deiner sinnigen Vernunft
Dich hat beraubt! - Laßt noch die Erde weg,
Bis ich sie nochmals in die Arme fasse!
Springt in das Grab.
Nun häuft den Staub auf Lebende und Tote,
Bis ihr die Fläche habt zum Berg gemacht,
Hoch über Pelion und das blaue Haupt
Des wolkigen Olymp.

HAMLET
vortretend.
Wer ists, des Gram
So voll Emphase tönt? Des Wehespruch
Der Sterne Lauf beschwört und macht sie stillstehn
Wie schreckbefangne Hörer? - Dies bin ich,
Hamlet der Däne.
Springt in dar Grab.

LAERTES
Dem Teufel deine Seele!
Ringt mit ihm.

HAMLET
Du betest schlecht.
Ich bitt dich, laß die Hand von meiner Gurgel;
Denn ob ich schon nicht jäh und heftig bin,
So ist doch was Gefährliches in mir,
Das ich zu scheun dir rate. Weg die Hand!

KÖNIG
Reißt sie doch voneinander!

KÖNIGIN
Hamlet! Hamlet!

ALLE
Ihr Herren!

HORATIO
Bester Herr, seid ruhig!
Einige vom Gefolge bringen sie auseinander, und sie kommen aus dem Grabe hervor

HAMLET
Ja, diese Sache fecht ich aus mit ihm,
So lang, bis meine Augenlider sinken.

KÖNIGIN
O mein Sohn, welche Sache?

HAMLET
Ich liebt Ophelien, vierzigtausend Brüder
Mit ihrem ganzen Maß von Liebe machten
Nicht meine Summ. - Was willst du für sie tun?

KÖNIG
Er ist verrückt, Laertes.

KÖNIGIN
Um Gottes willen, laßt ihn!

HAMLET
Beim Element, sag, was du tun willst:
Willst weinen? Fechten? Fasten? Dich zerreißen?
Willst Essig trinken? Krokodile essen?
Ich tu's. Kommst du zu winseln her?
Springst, um mir Trotz zu bieten, in ihr Grab?
Laß dich mit ihr begraben, ich wills auch;
Und schwatzest du von Bergen, laß auf uns
Millionen Hufen werfen, bis der Boden,
Die Scheitel an der glühnden Zone sengend,
Den Ossa macht zur Warze. Prahlst du groß,
Ich kanns so gut wie du.

KÖNIGIN
Dies ist bloß Wahnsinn;
So tobt der Anfall eine Weil in ihm,
Doch gleich, geduldig wie das Taubenweibchen,
Wenn sie ihr goldnes Paar hat ausgebrütet,
Senkt seine Ruh die Flügel.

HAMLET
Hört doch, Herr!
Was ist der Grund, daß Ihr mir so begegnet?
Ich liebt Euch immer; doch es macht nichts aus.
Laßt Herkules selbst nach Vermögen tun,
Die Katze maut, der Hund will doch nicht ruhn.
Ab.

KÖNIG
Ich bitte dich, Horatio, geh ihm nach! -
Horatio ab.
Zu Laertes.
Laertes, unser gestriges Gespräch
Muß die Geduld Euch stärken. Wir betreiben
Indessen schnell die Sache. - Gute Gertrud,
Setzt eine Wache über Euren Sohn! -
Dies Grab soll ein lebendig Denkmal haben.
Bald werden wir der Ruhe Stunde sehn,
So lang muß alles mit Geduld geschehn.
Alle ab.






ZWEITE SZENE

Ein Saal im Schlosse

Hamlet und Horatio treten auf.

HAMLET
Hievon genug; nun komm ich auf das andre.
Erinnert Ihr Euch jeden Umstands noch?

HORATIO
Erinnern, gnädiger Herr!

HAMLET
In meiner Brust war eine Art von Kampf,
Der mich nicht schlafen ließ; mich dünkt', ich läge
Noch schlimmer als im Stock die Meutrer. Rasch -
Und dank dem raschen Mute! Laßt uns einsehn,
Daß Unbesonnenheit uns manchmal dient,
Wenn tiefe Pläne scheitern, und das lehr uns,
Daß eine Gottheit unsre Zwecke formt,
Wie wir sie auch entwerfen.

HORATIO
Sehr gewiß.

HAMLET
Aus meinem Schlafgemach,
Den Schiffermantel umgeworfen, tappte
Im Dunkeln ich nach ihnen, fand sie glücklich,
Griff ihr Paket und zog mich schließlich wieder
Zurück in die Kajüte; meine Furcht
Vergaß die Schicklichkeit, und dreist erbrach
Ich ihren höchsten Auftrag. Hier, Horatio,
Fand ich ein königliches Schurkenstück:
Ein streng Geheiß, gespickt mit vielen Gründen,
Betreffend Dänmarks Heil und Englands auch,
Und, heida, solch ein Spuk, wenn ich entkäme,
Daß gleich auf Sicht, ohn alle Zögerung,
Auch nicht so lang, um nur das Beil zu schärfen,
Das Haupt mir abgeschlagen werden sollte.

HORATIO
Ists möglich?

HAMLET
Hier ist der Auftrag; lies ihn nur bei Muße.
Doch willst du hören, wie ich nun verfuhr?

HORATIO
Ja, ich ersuch Euch drum.

HAMLET
So rings umstrickt mit Bübereien, fing,
Eh ich noch den Prolog dazu gehalten,
Mein Kopf das Spiel schon an. Ich setzte mich,
Sann einen Auftrag aus, schrieb ihn ins reine,
Ich hielt es einst wie unsre großen Herrn
Für niedrig, schön zu schreiben, und bemühte
Mich sehr, es zu verlernen; aber jetzt
Tat es mir Ritterdienste. Willst du wissen,
Was meine Schrift enthielt?

HORATIO
Ja, bester Herr.

HAMLET
Die ernstlichste Beschwörung von dem König,
Wofern ihm England treu die Lehnspflicht hielte,
Wofern ihr Bund blühn sollte wie die Palme,
Wofern der Fried in seinem Ährenkranz
Stets beider Freundschaft bindend sollte stehn,
Und manchem wichtigen Wofern der Art,
Wenn er den Inhalt dieser Schrift ersehn,
Möcht er ohn alles fernere Bedenken
Die Überbringer schnell zum Tode fördern,
Selbst ohne Frist zum Beichten.

HORATIO
Und wie versiegelt?

HAMLET
Auch darin war des Himmels Vorsicht wach.
Ich hatt im Beutel meines Vaters Petschaft,
Das dieses dänschen Siegels Muster war.
Ich faltete den Brief dem andern gleich,
Dann unterschrieb ich, drückte drauf das Siegel,
Legt ihn an seinen Ort. Der Wechselbalg
Ward nicht erkannt. Am nächsten Tage nun
War unser Seegefecht, und was dem folgte,
Das weißt du schon.

HORATIO
Und Güldenstern und Rosenkranz gehn drauf.

HAMLET
Ei, Freund, sie buhlten ja um dies Geschäft.
Sie rühren mein Gewissen nicht; ihr Fall
Entspringt aus ihrer eignen Einmischung.
's ist mißlich, wenn die schlechtere Natur
Sich zwischen die entbrannten Degenspitzen
Von mächtigen Gegnern stellt.

HORATIO
Was für ein König!

HAMLET
Was dünkt dir, liegts mir jetzo nah genug?
Der meinen König totschlug, meine Mutter
Zur Hure machte, zwischen die Erwählung
Und meine Hoffnungen sich eingedrängt,
Die Angel warf nach meinem eignen Leben
Mit solcher Hinterlist: ists nicht vollkommen billig,
Mit diesem Arme dem den Lohn zu geben?
Und ist es nicht Verdammnis, diesen Krebs
An unserm Fleisch noch länger nagen lassen?

HORATIO
Ihm muß von England bald gemeldet werden,
Wie dort der Ausgang des Geschäftes ist.

HAMLET
Bald wirds geschehn; die Zwischenzeit ist mein.
Ein Menschenleben ist, als zählt man »eins«.
Doch ich bin sehr bekümmert, Freund Horatio,
Daß mit Laertes ich mich selbst vergaß,
Denn in dem Bilde meiner Sache seh ich
Der seinen Gegenstück. Ich will Versöhnung.
Doch wirklich, seines Schmerzes Prahlerei
Empörte mich zu wilder Leidenschaft.

HORATIO
Still doch! Wer kommt?
Osrick kommt.

OSRICK
Willkommen Eurer Hoheit hier in Dänemark!

HAMLET
Ich dank Euch ergebenst, Herr. - Kennst du diese Mücke?

HORATIO
Nein, bester Herr.

HAMLET
Um so besser ist für dein Heil gesorgt, denn es ist ein Laster, ihn zu kennen. Er besitzt viel und fruchtbares Land; wenn ein Tier Fürst der Tiere ist, so wird seine Krippe neben des Königs Gedeck stehn. Er ist eine Elster, aber, wie ich dir sagte, mit weitläufigen Besitzungen von Kot gesegnet.

OSRICK
Geliebtester Prinz, wenn Eure Hoheit Muße hätte, so wünschte ich Euch etwas von Seiner Majestät mitzuteilen.

HAMLET
Ich will es mit aller Aufmerksamkeit empfangen, Herr. Eure Mütze an ihre Stelle; sie ist für den Kopf.

OSRICK
Ich danke Eurer Hoheit, es ist sehr heiß.

HAMLET
Nein, auf mein Wort, es ist sehr kalt; der Wind ist nördlich.

OSRICK
Es ist ziemlich kalt, in der Tat, mein Prinz.

HAMLET
Aber doch dünkt mich, es ist ungemein schwül und heiß für mein Temperament -

OSRICK
Außerordentlich, gnädiger Herr, es ist sehr schwül - auf gewisse Weise - ich kann nicht sagen wie. Gnädiger Herr, Seine Majestät befahl mir, Euch wissen zu lassen, daß er eine große Wette auf Euren Kopf angestellt hat. Die Sache ist folgende, Herr: -

HAMLET
Ich bitte Euch, vergeßt nicht!
Hamlet nötigt ihn, den Hut aufzusetzen.

OSRICK
Erlaubt mir, wertester Prinz, zu meiner eigenen Bequemlichkeit. Vor kurzem, Herr, ist Laertes hier an den Hof gekommen - auf meine Ehre, ein vollkommner Kavalier, von den vortrefflichsten Auszeichnungen, von einer sehr gefälligen Unterhaltung und glänzendem Äußern. In der Tat, um mit Sinn von ihm zu sprechen, er ist die Musterkarte der feinen Lebensart; denn Ihr werdet in ihm den Inbegriff aller Gaben finden, die ein Kavalier nur wünschen kann zu sehn.

HAMLET
Seine Erörterung, Herr, leidet keinen Verlust in Eurem Munde, ob ich gleich weiß, daß es die Rechenkunst des Gedächtnisses irremachen würde, ein vollständiges Verzeichnis seiner Eigenschaften aufzustellen. Und doch würde es nicht geraden Kurs halten, in Rücksicht seiner behenden Fahrt. Aber im heiligsten Ernste der Lobpreisung, ich halte ihn für einen Geist von großem Umfange und seine innere Begabung so köstlich und selten, daß, um uns wahrhaft über ihn auszudrücken, nur sein Spiegel seinesgleichen ist, und wer sonst seiner Spur nachgehen will, sein Schatten, nichts weiter.

OSRICK
Eure Hoheit spricht ganz untrüglich von ihm.

HAMLET
Der Betreff, Herr? Warum lassen wir den rauhen Atem unsrer Rede über diesen Kavalier gehen?

OSRICK
Prinz?

HORATIO
Ist es nicht möglich, uns in einer andern Sprache zu verständigen? Ihr könnt das gewiß, Herr.

HAMLET
Was bedeutet die Nennung dieses Kavaliers?

OSRICK
Des Laertes?

HORATIO
Sein Beutel ist schon leer; alle seine goldnen Worte sind ausgegeben.

HAMLET
Ja, des nämlichen.

OSRICK
Ich weiß, Ihr seid nicht ununterrichtet -

HAMLET
Ich wollte, Ihr wüßtet es, Herr, ob es mich gleich, bei meiner Ehre, noch nicht sehr empfehlen würde. Nun wohl, Herr!

OSRICK
Ihr seid nicht ununterrichtet, welche Vollkommenheit Laertes besitzt -

HAMLET
Ich darf mich dessen nicht rühmen, um mich nicht mit ihm an Vollkommenheit zu vergleichen; einen andern Mann aus dem Grunde kennen, hieße sich selbst kennen.

OSRICK
Ich meine, Herr, was die Führung der Waffen betrifft; nach der Beimessung, die man ihm erteilt, ist er darin ohnegleichen.

HAMLET
Was ist seine Waffe?

OSRICK
Degen und Stoßklinge.

HAMLET
Das wären dann zweierlei Waffen; doch weiter.

OSRICK
Der König, Herr, hat mit ihm sechs Berberhengste gewettet, wogegen er, wie ich höre, sechs französische Degen samt Zubehör, als Gürtel, Gehenke und so weiter, verpfändet hat. Drei von den Gestellen sind in der Tat dem Auge sehr gefällig, den Gefäßen sehr angemessen, unendlich zierliche Gestelle und von sehr geschmackvoller Erfindung.

HAMLET
Was nennt Ihr die Gestelle?

HORATIO
Ich wußte, Ihr würdet Euch noch an seinen Randglossen erbauen müssen, ehe das Gespräch zu Ende wäre.

OSRICK
Die Gestelle sind die Gehenke.

HAMLET
Der Ausdruck würde schicklicher für die Sache sein, wenn wir eine Kanone an der Seite führen könnten; bis dahin laßt es immer Gehenke bleiben. Aber weiter: sechs Berberhengste gegen sechs französische Degen, ihr Zubehör, und drei geschmackvoll erfundene Gestelle: das ist eine französische Wette gegen eine dänische. Weswegen haben sie dies verpfändet, wie Ihrs nennt?

OSRICK
Der König, Herr, hat gewettet, daß Laertes in zwölf Stößen von beiden Seiten nicht über drei vor Euch voraushaben soll; er hat auf zwölf gegen neun gewettet; und es würde sogleich zum Versuch kommen, wenn Eure Hoheit zu der Erwiderung geneigt wäre.

HAMLET
Wenn ich nun erwidre: nein?

OSRICK
Ich meine, gnädiger Herr, die Stellung Eurer Person zu dem Versuche.

HAMLET
Ich will hier im Saale auf und ab gehen; wenn es Seiner Majestät gefällt: es ist jetzt bei mir die Stunde, frische Luft zu schöpfen. Laßt die Rapiere bringen; hat Laertes Lust und bleibt der König bei seinem Vorsatze, so will ich für ihn gewinnen, wenn ich kann; wo nicht, so werde ich nichts als die Schande und die überzähligen Stöße davontragen.

OSRICK
Soll ich Eure Meinung so erklären?

HAMLET
In diesem Sinne, Herr, mit Ausschmückungen nach Eurem Geschmack.

OSRlCK
Ich empfehle Eurer Hoheit meine Ergebenheit.
[Ab.]

HAMLET
Der Eurige. -
Osrick geht ab.
Er tut wohl daran, sie selbst zu empfehlen; es möchte ihm sonst kein Mund zu Gebote stehn.

HORATIO
Dieser Kiebitz ist mit der halben Eierschale auf dem Kopfe aus dem Nest gelaufen.

HAMLET
Er machte Umstände mit seiner Mutter Brust, ehe er daran sog. Auf diese Art hat er, und viele andere von demselben Schlage, in die das schale Zeitalter verliebt ist, nur den Ton der Mode und den äußerlichen Schein der Unterhaltung erhascht, eine Art von Schaumansammlung, die sie weiterträgt, und zwar durch die tiefsten und gesiebtesten Beurteilungen hindurch; aber man puste sie nur zu näherer Prüfung an, und die Blasen platzen.
Ein Edelmann kommt.

EDELMANN
Gnädiger Herr, Seine Majestät hat sich Euch durch den jungen Osrick empfehlen lassen, der ihm meldet, daß Ihr ihn im Saale erwarten wollt. Er schickt mich, um zu fragen, ob Eure Lust, mit Laertes zu fechten, fortdauert, oder ob Ihr längern Aufschub dazu verlangt.

HAMLET
Ich bleibe meinen Vorsätzen treu, sie richten sich nach des Königs Wunsche. Wenn es ihm gelegen ist, bin ich bereit, jetzt oder zu jeder andern Zeit; vorausgesetzt, daß ich so gut imstande bin wie jetzt.

EDELMANN
Der König, die Königin und alle sind auf dem Wege hierher.

HAMLET
In Gottes Namen.

EDELMANN
Die Königin wünscht, Ihr möchtet den Laertes freundschaftlich anreden, ehe Ihr anfangt zu fechten.

HAMLET
Ihr Rat ist gut.
Der Edelmann ab.

HORATIO
Ihr werdet diese Wette verlieren, mein Prinz.

HAMLET
Ich denke nicht. Seit er nach Frankreich ging, bin ich in beständiger Übung geblieben; ich werde bei der ungleichen Wette gewinnen. Aber du kannst dir nicht vorstellen, wie übel es mir hier ums Herz ist. Doch es tut nichts.

HORATIO
Nein, bester Herr -

HAMLET
Es ist nur Torheit; aber es ist eine Art von schlimmer Ahnung, die vielleicht ein Weib ängstigen würde.

HORATIO
Wenn Eurem Gemüt irgend etwas widersteht, so gehorcht ihm; ich will ihrer Ankunft zuvorkommen und sagen, daß Ihr nicht aufgelegt seid.

HAMLET
Nein, ja nicht! Ich trotze allen Vorbedeutungen; es waltet eine besondere Vorsehung über den Fall eines Sperlings. Geschieht es jetzt, so geschieht es nicht in Zukunft; geschieht es nicht in Zukunft, so geschieht es jetzt; geschieht es jetzt nicht, so geschieht es doch einmal in Zukunft. In Bereitschaft sein ist alles. Da kein Mensch besitzt, was er verläßt, was kommts darauf an, frühzeitig zu verlassen? Mags sein!
Der König, die Königin, Laertes, Herren vom Hofe, Osrick und anderes Gefolge mit Rapieren usw.

KÖNIG
Kommt, Hamlet, kommt! Nehmt diese Hand von mir!
Der König legt die Hand des Laertes in die des Hamlet.

HAMLET
Gewährt Verzeihung, Herr! Ich tat Euch unrecht;
Allein verzeiht um Eurer Ehre willen!
Der Kreis hier weiß, Ihr hörtets auch gewiß,
Wie ich mit schwerem Trübsinn bin geplagt.
Was ich getan,
Das die Natur in Euch, die Ehr und Sitte
Hart aufgeregt, erklär ich hier für Wahnsinn.
Wars Hamlet, der Laertes kränkte? Nein!
Wenn Hamlet von sich selbst geschieden ist
Und, weil er nicht er selbst, Laertes kränkt,
Dann tut es Hamlet nicht; Hamlet verleugnets.
Wer tut es denn? Sein Wahnsinn. Ist es so,
So ist er ja auf der gekränkten Seite:
Sein Wahnsinn ist des armen Hamlets Feind.
Vor diesen Zeugen, Herr,
Laßt mein Verleugnen aller schlimmen Absicht
So weit vor Eurer Großmut frei mich sprechen,
Als ich den Pfeil nur sandte übers Haus
Und meinen Bruder traf.

LAERTES
Mir ist genug geschehn für die Natur,
Die mich in diesem Fall am stärksten sollte
Zur Rache treiben. Doch nach Ehrenrechten
Halt ich mich fein und weiß nichts von Versöhnung,
Bis ältre Meister von geprüfter Ehre
Zum Frieden ihren Rat und Spruch verleihn
Für meines Namens Rettung. Bis dahin
Empfang ich Eure dargebotne Liebe
Als Lieb und will ihr nicht zu nahe tun.

HAMLET
Gern tret ich bei und will mit Zuversicht
Um diese brüderliche Wette fechten. -
Gebt uns Rapiere, kommt!

LAERTES
Kommt, eines mir!

HAMLET
Ich werd zur Zierde Eures Ruhms, Laertes;
Mein Ungeschick läßt Eure Kunst erglänzen
Wie tiefste Nacht die Sterne.

LAERTES
Ihr treibt Spott!

HAMLET
Wahrhaftig nicht!

KÖNIG
Gebt ihnen die Rapiere, junger Osrick. -
Ihr wißt doch, Vetter Hamlet, unsre Wette?

HAMLET
Vollkommen: Eure Hoheit hat den Ausschlag
Des Preises auf die schwächre Hand gelegt.

KÖNIG
Ich fürcht es nicht, ich sah euch beide sonst;
Er lernte zu, drum gibt man uns voraus.

LAERTES
Das ist zu schwer, laßt mich ein andres sehn!

HAMLET
Das steht mir an. Sind alle gleicher Länge?
Sie bereiten sich zum Fechten.

OSRICK
Ja, bester Herr!

KÖNIG
Setzt mir die Flaschen Wein auf diesen Tisch!
Wenn Hamlet trifft zum ersten oder zweiten,
Wenn er beim dritten Tausch den Stoß erwidert,
Laßt das Geschütz von allen Zinnen feuern,
Der König trinkt auf Hamlets Wohlsein dann,
Und eine Perle wirft er in den Kelch,
Mehr wert, als die vier Könige nacheinander
In Dänmarks Krone trugen. Gebt die Kelche!
Laßt die Trompete zu der Pauke sprechen,
Die Pauke zu dem Kanonier hinaus,
Zum Himmel das Geschütz, den Himmel zur Erde!
Jetzt trinkt der König Hamlet zu! - Fangt an,
Und ihr, ihr Richter, habt ein achtsam Auge!

HAMLET
Kommt, Herr!

LAERTES
Wohlan, mein Prinz!
Sie fechten.

HAMLET
Eins!

LAERTES
Nein.

HAMLET
Richterspruch!

OSRICK
Getroffen, offenbar getroffen!

LAERTES
Gut, noch einmal!

KÖNIG
Halt! Wein her! - Hamlet, diese Perl ist dein,
Hier auf dein Wohl!
Trompetenstoß und Kanonenschuß hinter der Szene.
Gebt ihm den Kelch!
[Trompetenstoß und Kanonenschüsse hinter der Szene.]

HAMLET
Ich fecht erst diesen Gang, setzt ihn beiseit! -
Kommt!
Sie fechten.
Wiederum getroffen; was sagt Ihr?

LAERTES
Berührt, berührt! Ich geb es zu.

KÖNIG
Unser Sohn gewinnt.

KÖNIGIN
Er ist in Schweiß und außer Atem. -
Hier Hamlet, nimm mein Tuch, reib dir die Stirn!
Die Königin trinkt auf dein Glück, mein Hamlet.

HAMLET
Gnädige Mutter -

KÖNIG
Gertrud, trink nicht!

KÖNIGIN
Ich will es, mein Gemahl; ich bitt, erlaubt mir.

KÖNIG
beiseit.
Es ist der giftge Kelch! Es ist zu spät!

HAMLET
Ich darf jetzt noch nicht trinken, gnädge Frau;
Sogleich.

KÖNIGIN
Komm, laß mich dein Gesicht abtrocknen.

LAERTES
Mein Fürst, jetzt treff ich ihn.

KÖNIG
Ich glaub es nicht.

LAERTES
beiseit.
Und doch, beinah ists gegen mein Gewissen.

HAMLET
Laertes, kommt zum Dritten nun! Ihr tändelt;
Ich bitt Euch, stoßt mit Eurer ganzen Kraft!
Ich fürchte, daß Ihr mich zum besten habt.

LAERTES
Meint Ihr? Wohlan!
Sie fechten.

OSRICK
Auf beiden Seiten nichts.

LAERTES
Jetzt seht Euch vor!
Laertes verwundet den Hamlet, drauf wechseln sie in der Hitze des Gefechts die Rapiere, und Hamlet verwundet den Laertes.

KÖNIG
Trennt sie, sie sind erhitzt!

HAMLET
Nein, noch einmal!
Die Königin sinkt um.

OSRICK
Seht nach der Königin!

HORATIO
Sie bluten beiderseits. - Wie stehts, mein Prinz?

OSRICK
Wie stehts, Laertes?

LAERTES
Gefangen in der eignen Schlinge, Osrick!
Mich fällt gerechterweise mein Verrat.

HAMLET
Was ist der Königin?

KÖNIG
Sie fällt in Ohnmacht, weil sie bluten sieht.

KÖNIGIN
Nein, nein! Der Trank, der Trank! - O lieber Hamlet!
Der Trank, der Trank! - Ich bin vergiftet.
Sie stirbt.

HAMLET
O Büberei! - Ha! Laßt die Türen schließen!
Verrat! Sucht, wo er steckt!
Laertes fällt.

LAERTES
Hier, Hamlet! Hamlet, du bist umgebracht;
Kein Mittel in der Welt errettet dich,
In dir ist keine halbe Stunde Leben.
Des Frevels Werkzeug ist in deiner Hand,
Unabgestumpft, vergiftet; meine Arglist
Hat sich auf mich gewendet: sieh, hier lieg ich,
Nie aufzustehn - vergiftet deine Mutter -
Ich kann nicht mehr - des Königs Schuld, des Königs!

HAMLET
Die Spitze auch vergiftet?
So tu denn, Gift, dein Werk.
Er ersticht den König.

OSRICK und Herren vom Hofe.
Verrat! Verrat!

KÖNIG
Noch helft mir, Freunde! Ich bin nur verwundet.

HAMLET
Hier, mördrischer, blutschändrischer, verruchter Däne!
Trink diesen Trank aus! - Ist die Perle hier?
Folg meiner Mutter!
Der König stirbt.

LAERTES
Ihm geschieht sein Recht;
Es ist ein Gift von seiner Hand gemischt.
Laß uns Vergebung wechseln, edler Hamlet!
Mein Tod und meines Vaters komm nicht über dich,
Noch deiner über mich!
Er stirbt.

HAMLET
Der Himmel mache
Dich frei davon! Ich folge dir. - Horatio,
Ich sterbe. - Arme Königin, fahr wohl! -
Ihr, die erblaßt und bebt bei diesem Fall
Und seid nur stumme Hörer dieser Handlung,
Hätt ich nur Zeit - der grause Scherge Tod
Verhaftet schleunig -, o ich könnt euch sagen!
Doch sei es drum. - Horatio, ich bin hin;
Du lebst: erkläre mich und meine Sache
Den Unbefriedigten.

HORATIO
Nein, glaub das nicht.
Ich bin ein alter Römer, nicht ein Däne:
Hier ist noch Trank zurück.

HAMLET
Wo du ein Mann bist,
Gib mir den Kelch! Beim Himmel, laß! Ich will ihn!
O Gott! - Welch ein verletzter Name, Freund,
Bleibt alles so verhüllt, wird nach mir leben!
Wenn du mich je in deinem Herzen trugst,
Verbanne noch dich von der Seligkeit
Und atm in dieser herben Welt mit Müh,
Um mein Geschick zu melden. -
Marsch in der Ferne, Schüsse hinter der Szene.
Welch kriegerischer Lärm?

OSRICK
Der junge Fortinbras, der siegreich eben
Zurück aus Polen kehrt, gibt den Gesandten
Von England diesen kriegerischen Gruß.

HAMLET
O ich sterbe, Horatio!
Das starke Gift bewältigt meinen Geist;
Ich kann von England nicht die Zeitung hören,
Doch prophezei ich: Die Erwählung fällt
Auf Fortinbras; er hat mein sterbend Wort!
Das sagt ihm, samt den Fügungen des Zufalls,
Die es dahin gebracht. - Der Rest ist Schweigen.
Er stirbt.

HORATIO
Da bricht ein edles Herz. - Gute Nacht, mein Fürst!
Und Engelscharen singen dich zur Ruh! -
Weswegen naht die Trommel?
Marsch hinter der Szene. Fortinbras, die englischen Gesandten und andre kommen.

FORTINBRAS
Wo ist dies Schauspiel?

HORATIO
Was ists, das Ihr zu sehn begehrt? Wenn irgend
Weh oder Wunder, laßt vom Suchen ab!

FORTINBRAS
Dies grausige Bild schreit Mord. - O stolzer Tod,
Welch Fest geht vor in deiner ewgen Zelle,
Daß du auf einen Schlag so viele Fürsten
So blutig trafst?

ERSTER GESANDTER
Der Anblick ist entsetzlich.
Und das Geschäft von England kommt zu spät.
Taub sind die Ohren, die Gehör uns sollten
Verleihen, sein Befehl sei ausgeführt
Und Rosenkranz und Güldenstern sei'n tot.
Wo wird uns Dank?

HORATIO
Aus seinem Munde nicht,
Hätt er dazu die Lebensregung auch;
Er gab zu ihrem Tode nie Befehl.
Doch weil so schnell nach diesem blutgen Schlage
Ihr von dem Zug nach Polen, ihr aus England
Hiehergekommen seid, so ordnet an,
Daß diese Leichen hoch auf einer Bühne
Vor aller Augen werden ausgestellt,
Und laßt der Welt, die noch nicht weiß, mich sagen,
Wie alles dies geschah; so sollt Ihr hören
Von Taten, fleischlich, blutig, unnatürlich,
Zufälligen Gerichten, blindem Mord;
Von Toden, durch Gewalt und List bewirkt,
Und Plänen, die verfehlt zurückgefallen
Auf der Erfinder Haupt: dies alles kann ich
Mit Wahrheit melden.

FORTINBRAS
Eilen wir zu hören,
Und ruft die Edelsten zu der Versammlung.
Was mich betrifft, mein Glück umfang ich trauernd;
Ich habe alte Recht' an dieses Reich,
Die anzusprechen mich mein Vorteil heißt.

HORATIO
Auch hievon werd ich Grund zu reden haben,
Und zwar aus dessen Mund, des Stimme mehre
Wird nach sich ziehen. Aber laßt uns dies
Sogleich verrichten, da noch die Gemüter
Der Menschen wild sind, daß kein Unheil mehr
Aus Ränken und Verwirrung mög entstehen.

FORTINBRAS
Laßt vier Hauptleute Hamlet auf die Bühne
Gleich einem Krieger tragen; denn er hätte,
Wär er hinaufgelangt, unfehlbar sich
Höchst königlich bewährt! Und bei dem Zug
Laßt Feldmusik und alle Kriegsgebräuche
Laut für ihn sprechen!
Nehmt auf die Leichen! - Was wir sehen dort,
Dem Schlachtfeld ziemend, schändet diesen Ort.
Geht, heißt die Truppen feuern!
Ein Totenmarsch. Sie gehen ab, indem sie die Leichen wegtragen; hierauf wird eine Artilleriesalve abgefeuert.




Richie schrieb am 12.5. 2001 um 00:13:56 Uhr zu

Hamlet

Bewertung: 4 Punkt(e)

Hamletmaschine.

Sprecher: Bildschirme schwarz, Blut aus dem Kühlschrank, drei nackte Frauen, Marx, Lenin, Mao, sprechen jeder gleichzeitig in seiner Sprache den Text: es gilt alle Verhältnisse umzuwerten, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist Hamletdarsteller legt Kostüm und Maske an.
Hamlet, der Däne, Prinz und Wurmfraß, stolpert, von Loch zu Loch aufs letzte Loch zu, lustlos. Im Rücken das Gespenst, das ihn gemacht hat. Grün, wie Ophelias Fleisch im Wochenbett und knapp vorm dritten Hahnenschrei zerreißt ein Narr das Schellenkleid des Philosophen. Kriecht ein beleibter Bluthund in den Panzer.
Tritt in die Rüstung, spaltet mit dem Beil die Köpfe von Marx, Lenin, Mao. Schnee - Eiszeit.


5. Weltharrend in der furchtbaren Rüstung
Jahrtausender

Sprecher: Tiefsee, Ophelia im Rollstuhl. Fische, Trümmer, Leichen und Leichenteile treiben vorbei, während zwei Männer in Arztkitteln sie von unten nach oben in Mullbinden schnüren:
Ophelia: Hier spricht Elektra. Im Herzen der Finsternis. Unter der Sonne der Folter. An die Metropolen der Welt. Im Namen der Opfer.
Ich stoße allen Samen aus, den ich empfangen habe. Ich verwandle die Milch meiner Brüste in tödliches Gift. Ich nehme die Welt zurück, die ich geboren habe. Ich ersticke die Welt, die ich geboren habe, zwischen meinen Schenkeln. Ich vergrabe sie in meiner Scham.
Nieder mit dem Glück der Unterwerfung. Es lebe der Haß, die Verachtung, der Aufstand, der Tod. Wenn sie mit Fleischermessern durch euere Schlafzimer gehen, werdet ihr die Wahrheit wissen.
Sprecher: Männer ab. Ophelia bleibt auf der Bühne, reglos in der weißen Verpackung.

(einstürzende Neubauten)

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