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Bettina Beispiel schrieb am 2.10. 2007 um 08:42:12 Uhr über

Geschlechtswechsel

Natur und Geschlechtswechsel - Von der Daphnia zur Luftgängerin

Eine kritisch-informative Abhandlung
über die Variation der Geschlechtlichkeit
von
Johanna Kamermans, Berlin

Bevor wir uns in die unendliche Vielfalt geschlechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten in der Natur vertiefen, müssen wir uns zuerst einer uralten Botschaft der Indianer wieder bewusst werden: »Die Menschen sind Teil, nicht Herr (!) der Natur«. Es ist dies eine archaische, naturgeschichtliche Wahrheit, die - als Folge der christlich-patriarchalisch initiierten Ausrottung der indianischen Urkulturen - nur noch im Verborgenen erhalten geblieben ist. Die Botschaft der Indianer tauchte wieder auf, als die US-Amerikaner ihre indianische Vergangenheit neu entdeckten, zuletzt im siebenfach Oscar - gekrönten Kinofilm Kevin Costners »Der mit dem Wolf tanzt« (1990). Das damit verbundene, erforderliche Umdenken im gesellschaftlichen Sinne geht allerdings unendlich langsam vor sich und ist noch lange nicht zum Allgemeingut geworden: zutiefst ist die biblische Vorgabe »Mehret euch und macht euch die Erde untertan« (1. Mose 1,28) in die Köpfe der Menschen eingraviert. Und wenn auch die uralte indianische Sicht der Natur wieder allmählich in den Mittelpunkt des Interesses rückt, so darf nicht vergessen werden, dass mehr als 1500 Jahre amerikanische Indianergeschichte von diesem Revival-Prozess betroffen sind: von den alten Indianerkulturen Mexikos - zurückgehend auf die indianischen Frühkulturen der Mayas und Azteken - über die legendären Indianerkriege (zuletzt Wounded Knee 1890) bis hin zur schmachvollen Zurückdrängung in die Zuweisungs-Reservate. In einem kürzlich auf dem Flohmarkt erstandenen Fotobuch mit dem (berührenden) Titel »Indianische Hoffnungen: vielleicht sind wir doch Brüder« war die aufrüttelnde Widmung vermerkt: »Wo die Natur aufhört, fängt der Irrsinn an«! Wie wahr: es dürfte wirklich an der Zeit sein für ein Umdenken in Richtung »back to the roots«, nicht zuletzt auch auf dem Gebiete des (transsexuellen) Geschlechtswechsels - da droht als Folge der männlich-patriarchalischen »illusio virilis« -Hybris doch einiges schief zu laufen.

Aber bis wir uns dieser Thematik widmen können, werden wir zuerst versuchen, gewisse Begriffsbestimmungen vorzunehmen, damit die Intention der vorliegenden Abhandlung besser verstanden werden kann. Oder anders gesagt zu lernen, diese Welt - statt mit Tunnelblick - wieder mit Panorama-Blick wahrzunehmen und auf diese Weise die Natur um uns herum, bzw.uns selber, besser zu verstehen. Frei nach dem Urfaust-Motto »Da steh ich nun, ich armer Tor«, werden wir in der Folge uns daran machen, die Begriffe Natur und Geschlecht in (relativ) wenigen Worten allgemeinverständlich darzustellen und derart eine Überleitung zu finden zu den überaus vielen interessanten und wissenswerten Gegebenheiten in der unendlichen, geschlechtlichen Ausgestaltungskraft der Natur (zu der, wie wir inzwischen verstanden haben, auch der Mensch gehört).

Fest dürfte hierbei stehen, dass die Menschen vor uns - bis in die tiefste Steinzeit zurückgehend - sich immer nach den Vorgängen in der Natur bzw. im Kosmos gerichtet haben - Mensch und Natur waren in frühen Zeiten immer eins. Welche Vorstellungen sich die Menschen allerdings ursprünglich über sich selbst und ihre Entstehung bzw. ihren Werdegang gemacht haben, können wir nur noch an den wenigen Gegenständen und Symboliken ablesen, die sie uns vereinzelt hinterlassen haben und an dem, was isoliert lebende primitive Stammesgesellschaften heute noch glauben bzw. geglaubt haben, bis Kolonialismus und Mission ihre Ursprünglichkeit - ob nun in Afrika, Brasilien, Borneo oder Neuguinea beheimatet - weitgehend zerstört haben. Nicht zuletzt legen jedoch auch die uns überlieferten mythologischen Vorstellungen (denken wir nur an die unerschöpflichen Mythen, Legenden und Sagen der vorderasiatischen, griechischen oder indianischen Urkulturen) Zeugnis ab von der damaligen Naturverbundenheit - wir finden diese in unzähligen Schriften der Vergangenheit, aber nicht zuletzt auch der Gegenwart, in aller Ausführlichkeit aufgearbeitet: die Bibliotheken sind randvoll gefüllt. In den Sachbüchern »Mythos Geschlechtswandel« (1992) und »Künstliche Geschlechter« (1995) hat die Autorin selber versucht, diese unendliche Vielfalt an Fakten, Informationen und Schlußfolgerungen für ihre Geschlechtswandel-Intentionen zu verwerten.

Wir haben somit absolut kein Recht, auf die Menschen der Vorzeit und deren Naturverständnis herabzuschauen: ihre Lebenserfahrungen bilden die Grundlagen, auf welchen die heutigen Gesellschaften der modernen Welt gebaut sind. Denn unser Verstand ist in Hunderttausenden von Jahren nicht schärfer geworden
(denken wir nur an die Philosophen der Antike) sondern was die Menschheit weitergebracht hat, waren Mitteilung, Überlegung und Überlieferung, d.h. das Weitergeben von Erfahrungen und Erkenntnissen von einer Generation zur nächsten (über Meme = kulturelle Gene).

Aber auch Kinder erfahren erst durch Belehrung bzw. Aufklärung, wie sie entstanden und auf die Welt gekommen sind, denn das Verstehen des Geschlechtlichen ist nicht angeboren (mag es der Geschlechtstrieb auch sein): die Mär vom Storch ist der beste Beweis dafür, wie bequem es sich der heutige (westliche) Mensch gemacht hat. In diesem Sinne ist die Tatsache, dass der Geburt eines Kindes stets eine körperliche Vereinigung vorausgeht, ja, dass sie nur nach einem solchen Akt stattfinden kann, auch heute noch vielen Naturvölkern nur unvollkommen bekannt oder auch gänzlich fremd ist, nicht weiter verwunderlich. Der Mensch der Vorzeit war dem Unbekannten in der Natur und Kosmos um ihn herum in viel grösserem Ausmass ausgeliefert als wir es heutzutage sind (obwohl die täglichen Katastrophenmeldungen und deren Folgen dies bezweifeln lassen....). Und solange er zwischen der geschlechtlichen Vereinigung und der Geburt von Nachkommen keinen Zusammenhang herstellen konnte - weder beim Menschen, noch beim Tier -, ist es deshalb verständlich, dass er sich vom Ursprung neugeborenen Lebens überaus phantastische und oftmals auch erschreckende Vorstellungen gemacht hat (siehe hierzu auch die Abhandlung »Mythos Kastration«). Fest dürfte jedenfalls stehen, dass die Menschen sich seit undenklichen Zeiten Gedanken gemacht haben, um die sie (und auch uns immer noch) bedrängenden Rätsel des Lebens bzw. des Todes zu ergründen: die meisten Antworten darauf sind wahrhaft seltsam (gewesen?). Eine gewisse Vorstellung von dem, woran wir alle einmal geglaubt haben, d.h. der Zustand der Unwissenheit und Verwirrung eines kleinen Kindes bzw. der frühen Menschheit, können wir - wie bereits gesagt - noch heute bei isoliert lebenden Naturvölkern beobachten, beispielsweise bei diversen Stämmen der australischen Ureinwohner oder bei den Steinzeitmenschen Neu-Guineas.

Für unser Verständnis von Natur und Geschlecht wollen wir uns an die Geschichte vom Küken und vom Ei erinnern - wer war zuerst da? Eine Frage, wohl so alt wie wir selbst, denn dass Vögel Eier legen und aus ihnen »Nestlinge« ausschlüpfen, konnte wohl zu keinen Zeiten übersehen werden. Die Eier vieler anderer Tiere - und speziell die der Säugetiere - sind aber zu klein, als dass man sie so einfach sehen könnte, und so war auch der Beginn menschlichen Lebens eines der grössten Geheimnisse, die die Menschheit je gepeinigt haben - bis im 17. Jahrhundert das Mikroskop (u.a. von Anthonie van Leeuwenhoeck in den Niederlanden) erfunden wurde. Denn nicht nur dass Befruchtung und auch Wachstum sich verborgen in der Tiefe des weiblichen Körpers - ob nun Mensch oder Tier - abspielen, auch der Akt der sexuellen Vereinigung (Begattung) und die ersten Anzeichen, dass sich Nachkommenschaft entwickelt (Schwangerschaft), sind nur schwer in Zusammenhang zu bringen - die Zeitspanne, die zwischen beiden Vorgängen liegt, ist einfach zu gross: die Natur kennt den heutigen »Sofortismus« - Begriff im Geschlechtlichen nicht. Der Faktor Zeit spielt deshalb eine überaus grosse Rolle und nicht zuletzt das Verständnis des Begriffes »Zeit«: der erste Mensch hat - wie zu vermuten ist - die Zeit überhaupt nur von Sonnenaufgang zu Sonnenuntergang gemessen (Sonnenuhr), und es war schon ein grosser Schritt vorwärts, als man/frau anfing, sie nach dem Zunehmen und Abnehmen des Mondes (Mondkalender) zu berechnen. Die Paarung zwischen Mann und Frau konnte deshalb in diesem frühen Naturverständnis ein Kind hervorbringen, ebensogut aber auch nicht, und es gibt - wie bereits gesagt - noch immer Völkerstämme, die diese beiden Ereignisse bis heute nicht in Zusammenhang bringen. Die Ureinwohner Australiens datieren die Empfängnis von dem Augenblick an, in dem die Frau die ersten Regungen des Kindes bei sich entdeckt, und bei gewissen Stämmen in Borneo ist nur das Anschwellen des weiblichen Körpers (das was man sieht!) der Anfang alles Weiteren. Derart wird Schwangerschaft zum Mysterium und meist übernatürlichen Kräften zugeschrieben, die in den verschiedensten Ausgestaltungen wirksam werden. Im Osten Australiens glaubt man, weibliche Kinder würden vom Mond, männliche dagegen von der Waldeidechse gezeugt und in Queensland macht der Donnergott die kleinen Kinder aus Schlamm (babylonische Ninhursag-Legende!) und versenkt sie in den Körper der Frau. Oder auch eine Frau empfängt, weil sie über einem Feuer sass, an dem eine besondere Art Fische gebraten wurde oder weil sie eine besondere Froschart gejagt und gefangen hatte oder der Geist eines sterbenden Känguruhs sei von einem Mann - aber nicht dem eigenen - befohlen worden, in sie zu fahren. Diese Geisterkinder seien nicht grösser als Sandkörner und würden durch die Nabel eindringen usw. usw. - der Glaube an die Magie ist dabei grenzenlos, genauso wie dies für den modernen Menschen - jetzt allerdings anders gelagert - auch wieder im zunehmendem Masse der Fall ist. Aber auch in früheren Zeiten und in anderen Kulturen sind die Menschen nicht weniger phantasievoll gewesen, und alle haben versucht, das Rätsel des Lebens zu lösen. Bei den Azteken glaubte das Volk, ein Mädchen, das von einem heftigen Sommerregen schwanger geworden sei, habe die Gottheit Montezuma geboren, und bei den Griechen entstammte die Göttin Aphrodite dem Schaum der Meere (wie dann auch entstanden....: siehe Abhandlung »Mythos Kastration«). Die Kelten glaubten, ihr Heiliger Maedoc wurde von einem Stern gezeugt, der seiner schlafenden Mutter in den Mund gefallen sei, und der Begründer der chinesischen Mandschu-Dynastie wäre von einem Mädchen geboren geworden, nachdem dieses eine rote Frucht gegessen hatte, die ihr eine Elster auf den Rock gelegt hatte. Oder denken wir an die jungfräuliche Geburt des Attis, indem sich die Nymphe Nana (als die irdische Verkörperung der Grossen Göttin Kybele) einen roten Granatapfel in den Busen bzw. in den Mund gesteckt hatte, von der christlichen Auffassung der Geburt Jesus Christus` aus der Jungfrau Maria durch den Heiligen Geist (Vorgang der sogenannten Parthenogenese) ganz zu schweigen. Die Druiden, die Priester der Kelten, glaubten, es sei die Kraft der Mistel, die die Frauen befruchte: Der Kuss unter dem Mistelzweig - welcher heute als Fruchtbarkeitsbrauch noch immer aktuell ist - geht auf diese uralte Symbolik zurück. Und der Sprung über die Flamme ist gleichfalls zum weiterverbreiteten Ritual geworden, der das Heiraten fördern und kinderlosen Ehepaaren zu Nachkommen verhelfen soll - allerdings wird dabei nicht das Feuer selbst für die befruchtende Kraft gehalten, sondern es wird ihm die Macht zugeschrieben, Hindernisse zu beseitigen, die etwa ein Zauberspruch von Hexen oder Hexenmeistern den Frauen (und Männern) in den Weg gelegt hätte (Magie des flackernden Herdfeuers!)

Mehr als eine halbe Million Jahre war sodann der Mensch nur Jäger und Sammler, bevor er sich Tiere zähmte und nach und nach sesshaft wurde, um seine Felder zu bestellen (Domestizierungsvorgang). Als jedoch die Bestellung der Äcker und die damit einhergehende Besiedelung sich ständig weiter entwickelten, ergriff der Wechsel des Säens und des Reifens immer stärker Besitz von seiner Vorstellungswelt: männlich und weiblich waren nicht nur Eigenschaften von Männern und Frauen, sondern aller Dinge, der Sonne, des Mondes, der Bäume, der Blumen usw. - ja, die geschlechtliche Vereinigung und die sichtbare Schwangerschaft wurden mit der Fruchtbarkeit der Pflanzen und der Tiere überaus munter vermischt und verwechselt: es entstanden die kuriosesten Symboliken. In der Vorstellung der damaligen Menschen waren beispielsweise die Bäume beseelt, und aus der Baumseele wurde ein Waldgott, der die Ernte wachsen, die Sonne scheinen und den Regen fallen lassen konnte, ja sogar auch, dass sich die Schaf- und Rinderherden vermehrten und die Frauen leichter gebären konnten - Mensch und Natur waren eins. Im Rahmen dieser Magie haben die Menschen der Frühzeit zudem versucht, nach diesem (geheimnisvollen) Prinzip der Imitation, das Wachstum der Natur noch zu beschleunigen: die Hochzeit der Wald- oder Feldgötter wurde dazu in einer symbolischen »Heiligen Hochzeit« (hieros gamos) nachgestellt, wobei die wahllose geschlechtliche Vermischung von sonst monogam lebenden Männern und Frauen selbstverständlich war. Allerdings konnte dabei von ausschweifender Zügellosigkeit nach heutigem Verständnis (Karnevalsgrundlage....) keine Rede sein - die Zeremonien wurden vielmehr feierlich begangen, um die Fruchtbarkeit der Erde und das davon abhängende Wohlergehen der Menschen zu fördern bzw. sicherzustellen.

Die verschiedenen weltlichen Religionen haben dann im Laufe der Zeit früher oder später, bzw. geographisch unterschiedlich, die ältere Magie und den damit zusammenhängenden Schamanismus ersetzt: In Osiris, Tammuz, Adonis (Adonai) und Attis haben die Völker Ägyptens und Vorderasiens das Verblühen und Wiedererwachen des Lebens - speziell in der Vegetation - in der Gestalt einer Gottheit verkörpert, der alljährlich stirbt und wieder zum Leben erwacht (siehe auch Abhandlung »Mythos Kastration«). In der babylonischen Mythologie erscheint dabei Tammuz (Thomas in der Christianisierung) als der jugendliche Liebhaber der Ischtar, der Grossen Göttin der Fruchtbarkeit. Nach der Überlieferung starb Tammuz jedes Jahr, d.h. er verliess die gastliche Erde und stieg in die finstere Unterwelt hinab, und jedes Jahr machte sich eine göttliche Geliebte auf die Suche nach ihm. Während ihrer Abwesenheit schwieg die Liebe und weder Menschen noch Tieren kam es in den Sinn, sich fortzupflanzen, so dass alles Leben zugrunde zu gehen drohte: die Jahreszeiten spiegelten Gegenwart oder Abwesenheit der Grossen Göttin und ihres Geliebten, ohne sie gab es in der Welt der Lebendigen weder Geschlecht noch Fortpflanzung - dies kam alles erst im Frühjahr nach der Auferstehung (Ostern) wieder zum Tragen.

Tammuz wurde von den semitischen Völkern sowohl Babylons wie Syriens verehrt, aber bereits etwa 600 v. Chr. übernahmen die Griechen den Kult. Sie hielten allerdings seinen Titel Adonai für seinen Namen und nannten ihn fortan Adonis: der schöne Jüngling, geliebt sowohl von Aphrodite (die »Schaumgeborene«), der Göttin der Liebe, als auch von Persephone, der Königin der Unterwelt. Und der Streit zwischen den beiden Frauen wurde erst vom Göttervater Zeus geschlichtet, der entschied, dass Adonis einen Teil des Jahres bei Persephone und den anderen Teil bei Aphrodite zu verbringen hatte. D.h. die Zeit des Winters - und damit des Sterbens - sowie jene des fruchtbaren Sommers wird hier bereits von einer übernatürlichen (männlichen) Gottheit inszeniert bzw. verkörpert.

Aber auch im neunten Jahrhundert v. Chr., lange davor, wurde bereits im Lande Kanaan niedergeschrieben (Altes Testament):

»Da sprach Gott zu Noah.... du sollst in den Kasten tun allerlei Tiere von allem Fleisch, je ein Paar, Männlein und Weiblein, dass sie lebendig bleiben bei dir. Von den Vögeln nach ihrer Art, von dem Vieh nach seiner Art und von allerlei Gewürm auf Erden nach seiner Art: von den allen soll je ein Paar zu dir hineingehen, dass sie lebenbleiben.... auf das Same lebendig bleibe auf dem ganzen Erdboden«.

Das Einfügen des Geschlechtlichen in die Ordnung alles Lebendigen war in jenen frühen Zeiten somit immer präsent, allerdings jeweils von Volksstamm zu Volksstamm verschiedenartig interpretiert. Kurz gesagt, in alledem dämmerte allmählich eine Einsicht in die Zusammenhänge der Geschlechtlichkeit und der Fortpflanzung - bis zum eigentlichen Verstehen war jedoch noch ein weiter Weg: die Erkenntnisse kamen langsam, dafür in Wellen, und es war oft schwer - bei Untergang der betreffenden Kulturen - daran festzuhalten. Denn Wissen kann ebensogut verloren gehen, wie es gewonnen wird - Unwissenheit und Aberglauben gedeihen oft Seite an Seite mit Erkenntnis und Einsicht. So wird in den heiligen indischen Schriften (Weden) etwa 600 v. Chr. der Ursprung allen Lebens in drei Gruppen eingeteilt: »Das von einem Ei entspringt, das von einem lebenden Wesen entspringt und das von einem Samen entspringt«. Aber ebenso waren die Hindu-Verfasser der Mei-nung, Empfängnis sei die Folge einer Vermischung von Samen und Menstrualblut - eine der ältesten Vorstellungen des Lebens, der auch die griechischen Völker anhingen. Diese Auffassung stammte aus der Beobachtung, dass eine Schwangerschaft die Menstruation unterbricht. Ebenso waren die Griechen davon überzeugt, dass die Seele im siebenten Monat - dem Zeitpunkt, von dem an eine damalige Frühgeburt die Chance hatte, am Leben zu bleiben - in den Körper eindrang, was allerdings nach Aristoteles (384-322 v. Chr.) nur eine hoch entwickelte Seele tat....

Über das Geschlecht sagten die Griechen, männliche Wesen würden in der linken Hälfte der Mutter, weibliche in der rechten Hälfte entstehen, während - wieder nach Aristoteles - Hitze und Kälte die Ursachen für das männliche und das weibliche Geschlecht bei Fischen und Schlangen seien - auch würden beim Menschen mehr Knaben geboren werden, wenn der Wind zur Zeit der Begattung mehr von Norden als von Süden wehte. Aristoteles war es allerdings auch, der gesagt hat: »Der die Dinge sieht von ihrem Beginn, der sieht sie am besten«.

Danach - und wir stehen noch immer fassungslos vor dieser Tatsache - erlosch die griechische Flamme, und es wurde still für bald anderthalbtausend Jahre - der Geist der Menschen läuft nur noch im Kreise, alle Unmittelbarkeit des Wissens schwindet, der absolute Glaube steht im Mittelpunkt, und was von früheren Zeiten übrig geblieben ist, ist entstellt, steril und abergläubisch: der Anreiz zum Denken fehlt völlig. Aristoteles hatte gesagt, die Eier kämen aus dem Mutterleib - und dieser konnte nichts Falsches gesagt haben. Zeigte sich, dass es sich in der Natur anders verhielt, so lag der Fehler bei der Natur: vorweg die christliche »illusio virilis« - Hybris einer gnadenlosen Umkehrung der natürlichen Tatsachen. Der Aberglaube blühte und während des ganzen (dunklen) Mittelalters glaubte man (Mann!), Würmer, Fliegen und andere Insekten seien die Brut feuchter, modriger Substanzen (Alchemie), Schlangen würden Frauenhaar (!), das ins Wasser gefallen war, entstammen und Mäuse würden entstehen, wenn man Weizen einundzwanzig Tage lang in Wasser gären liesse - kurzum der Stillstand in der Natur des Denkens war vollkommen (Kloster-Diktatur des Wissens). Kein Wunder, dass die Menschen, als in der Renaissance das finstere Mittelalter allmählich zu Ende ging, mit wachen Augen sich umzusehen begannen und mühsam versuchten, ihren glaubensbeladenen Geist von all den seltsamen und phantastischen Dingen freizumachen, die sich in den anderthalbtausend Jahren dort festgesetzt hatten - schwere religiöse und gesellschaftliche Verwerfungen waren die Folgen.

Gegen Ende des sechzehnten Jahrhunderts waren die Menschen dann - im Zeitalter der Aufklärung - bereit, unmittelbar zu beobachten und die Dinge (wieder) um ihrer selbst zu beschreiben - und obwohl das Naheliegende - wie schon immer - schwer zu erkennen war, begann das Zeitalter der Erkenntnis zu dämmern. Beispielsweise wusste man, dass das Küken aus dem Ei kam, aber jetzt fragte man, woher kommt das Ei - der Eierstock wurde sozusagen »erfunden«. Es war eine Zeit der ersten Schritte, der Erkundungsfahrten in die Natur des menschlichen Körpers (Anatomie) und in die Natur überhaupt. Die Suche nach dem Ursprung der Dinge kam schnell voran, und gegen Ende des siebzehnten Jahrhunderts finden wir stürmische Anteilnahme und Begeisterung für die aus den Klöstern auferstandene, jetzt freie Wissenschaft des Geistes, je weiter die Spur des Lebens bis zu seinem Ursprung zurückverfolgt wurde. Der Niederländer De Graaf beschrieb den Eierstock der Säugetiere und verglich ihn mit dem der Vögel. Dabei fand er in »seinen« Eierstöcken Bläschen von etwa zwölf Millimeter Durchmesser, die Follikel, übersah allerdings die winzigen Eizellen innerhalb der Bläschen und glaubte, der Embryo entwickle sich durch die geheimnisvolle Einwirkung des männlichen Samens auf die Follikel im Eierstock. Er war natürlich der Wahrheit sehr nahe, doch noch gab es kein Mikroskop, um das Unsichtbare sichtbar zu machen, keine Möglichkeit, die Spermatozoen in der Samenflüssigkeit oder eine Eizelle von der Grösse eines Stecknadelkopfes zu sehen - aber immerhin. Die nachgewiesene Existenz der Follikel führte dann zur sogenannten Schachteltheorie - eine überaus logische und faszinierende Schlussfolgerung für jene Zeit -, in der es hiess, jedes Ei, aus dem noch ungeborene Generationen erwachsen sollten, habe bereits, eines sorgfältig in das andere geschachtelt, im Eierstock Evas gelegen. Jede weibliche Generation hätte dann also ein Ei weniger als die vorhergehende. Daran war die (gewagte) Prophezeiung geknüpft, nach zweihundert Millionen (!), Generationen werde alles menschliche Leben aufhören - weil dann keine Eier mehr da seien. Die Macht der Gedanken schafft sich ihre eigene Realität - ein »Spiel«, dass wir bei der »transsexuellen Idee« heutiger Tageim falschen Körper«!) gnadenlos wiederfinden.

Kaum hatte jedoch die Entdeckung der Graafschen Follikel die Eizelle (das Ei) als den einzigen Ursprungsort des Embryos fest begründet, da warf ein anderer Holländer, van Leeuwenhoeck, das Ganze wieder um. Er erfand das Mikroskop und stellte im Laufe seines Lebens insgesamt fast 250 Stück her. Dabei sah er als erster Dinge, die man (Mann!) mit »unbewaffnetem« Auge nicht sehen konnte und studierte in der Folge auch den menschlichen Samen - er entdeckte die unendliche Vielfalt der Spermatozoen (»mikroskopische Tierchen« nannte er sie). Gleichzeitig schloss er, diese seien nunmehr der einzige Ursprung des Embryos, womit wiederum die alte ägyptisch-griechische These gestützt war, nach der die Mutter »lediglich das Feld sei, in dem der Same wachse« - eine Vorstellung die sich noch im siebzehnten Jahrhundert in den englischen Erbschaftsgesetzen manifestierte (»blaues Blut« als Adelsnachweis).

Hatte das Mikroskop eine neue Sicht der Dinge gebracht, von der (richtigen) Einsicht war jedoch nicht im Entferntesten die Rede, denn nun plötzlich erblickten die neuen Aufklärungs-Apologeten im Kopf der Spermatozoen das menschliche Antlitz und im Schwanz die zusammengepressten Gliedmassen und den Körper - die Samenzelle enthielt mit einem Wort den vollständigen Organismus eines menschlichen Wesens in Kleinstformat. Aber nicht nur das: die Schachteltheorie war zu schön, als dass man (Mann!) sie ohne weiteres hätte aufgeben mögen - jeder der kleinen Homunculi umschloss nun einen noch kleineren und sofort, bis ins Unendliche, bis zu Adam, der ja schliesslich (immer nach dem christlichen Glaubensdogma) vor Eva rangierte - man (Mann!) war sich noch immer zu nichts zu schade bei der Verdrehung der (natürlichen) Gegebenheiten.....

Aus all den neugewonnenen Erkenntnissen entwickelte sich ein massiver Gelehrtenstreit, denn eine solche Auseinandersetzung zwischen (wissenschaftlichen) Lagern wird immer dann besonders hitzig geführt, wenn beide Seiten einen Teil der Wahrheit in der Hand halten und ihn fälschlicherweise für die ganze Wahrheit reklamieren (TS-Analogie offensichtlich). Denn die Ei-Freunde hielten die Spermatozoen für nichts als »parasitäre Würmer«, und jede Ähnlichkeit, die ein Kind etwa mit seinem Vater hätte, wäre nur ein Fall vorgeburtlicher Beeinflussung.... Die Sperma-Apologeten dagegen waren nicht weniger davon überzeugt, dass das Ei lediglich der »Zufluchtsort« war, wo das Samentierchen das gefährliche Stadium seines Wachstums überstehen könne - jede Ähnlichkeit des Kindes mit der Mutter sei nach dieser »Logik« nur die Folge der mütterlichen Ernährung....Aus Bruchstücken wird jedoch selten eine wahre Geschichte, und nur die heutige, aufgeklärte Generation weiss, dass die Eizelle und die Samenzelle sich miteinander vereinen und durch die Verschmelzung der Kerne und deren Chromosomen das Embryo hervorbringen. Der Kampf zwischen zwei derart unterschiedlichen (wissenschaftlichen) Ansichten endete somit unentschieden - allerdings erst endgültig nach der Erfindung des Elektronenmikroskops in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts.

Wir haben diese vorgehenden Ausschweifungen in längst vergangenen Zeiten und den Hinweis auf jenen (wissenschaftlichen) heftigen Lagerstreit nicht zuletzt jedoch gemacht, um aufzuzeigen, wie sehr Glaube und Magie das (geschlechtliche) Denken der Menschen beeinflussen können - offensichtlich erst wenn es absolut nicht mehr anders geht, ist man/frau bereit, vom einmal eingenommenen Standpunkt abzurücken. So beherrschen auch heute manchmal noch überaus abstruse, archaische Vorstellungswelten der männlichen bzw. weiblichen Geschlechtlichkeit die Köpfe der Menschen - wie auch im Falle der (angeblichen) Auswechselbarkeit der Geschlechter und der damit verbundenen »Geschlechtsumwandlungs«-Gläubigkeit, getopt im unsäglichen »Im falschen Körper«-Klischee vieler Medien und Betroffnen. Unentwegt wird vorgekaut, was es vorzukauen gibt - wahre Horrorszenarien werden vorgeführt, und am Ende bleibt nur Ratlosigkeit über soviel Dummheit und Borniertheit, nicht zuletzt im Rahmen der überaus fanatischen TS-Selbsthilfeorganisationen und deren Gurus. Von einer sachlichen und vor allem auch historischen Aufarbeitung der Materie und Akzeptanz anderer Ansichten ist man/frau - zumindest hier in deutschen Gefilden - noch weit entfernt.

Aber wir wollen uns nicht weiter diesbezüglich ereifern und uns konzentrieren auf die Geschlechtswechselvorkommnisse in der Natur. Und um das Phänomen der Zwischengeschlechtlichkeit und der Geschlechterfunktionen überhaupt noch besser verstehen zu können, müssen wir hierzu auf gewisse Vorstufen der biologischen Evolution zurückgreifen. Anhand dieser Erkenntnisse aus dem Pflanzen- und Tierreich soll dann aufgezeigt werden, mit welcher enormen Vielfalt, ja Genialität die Natur im Laufe der bisherigen Evolutionsetappen die Probleme der (Ur-)Geschlecht-lichkeit gemeistert hat. Insbesondere wird uns hierbei bewusst werden, dass in dieser Natur nichts unmöglich ist und für die Fortpflanzungsfunktionen der Geschlechter die interessantesten Abläufe, ob nun im Pflanzen- oder im Tierreich, in Szene gesetzt werden. Zwittertum und vor allem Geschlechtswechsel in den vielfältigsten Variationen sind dabei ganz normale Vorkommnisse - und es bleibt dem Betrachter nichts anderes übrig als, nur noch zu staunen.

Hierzu müssen wir uns bewusst sein, dass sich in der Natur viele Pflanzen und Tiere fortpflanzen können, ohne dass irgendwelche Geschlechtszellen oder zwei Geschlechter oder überhaupt etwas Geschlechtliches dabei mitwirken. Die Fortpflanzung als solche ist ein viel ursprünglicherer Lebenstrieb und kann, muss aber durchaus nicht nur von weiblicher Eizelle und männlichem Spermium abhängen. Es gibt viele Organismen, die zwei verschiedene Möglichkeiten besitzen, sich fortzupflanzen. Einmal bringen sie in der üblichen Weise Eier und Samen hervor, und zum zweiten stossen sie kleine Gewebestückchen ab (Knospung), die sich zu vollständig neuen Organismen entwickeln, ohne dass irgendwelche Geschlechtszellen damit etwas zu tun haben.

Beispiele hierfür sind die Seescheiden, die Quallen und die Würmer. Letztere, welche in gewissen Jahreszeiten Eier und Sperma produzieren, zerfallen zu anderen Zeiten in viele kleine Teilchen, von denen jedes sich in einen neuen Wurm verwandelt (ist auch künstlich durch Zerschneiden möglich). Von den; australischen Zwitter-Plattwürmern (Pseudocerus bifurcus), welche sowohl Spermen als auch Eizellen produzieren, ist bekannt, dass diese ihre (Penis-)Geschlechtsteile wie Waffen benützen, d. h. beim »Koitus« versucht jeder Wurm, dem »Partner« Spermien unter die Haut zu stechen, eine eigene Besamung jedoch zu verhindern. Plattwürmer paaren sich besonders häufig, und deshalb versucht jedes Tier, möglichst wenig Spermien zu bekommen und möglichst viel mit seinem spitzen Penis zu übertragen - das Paarungsverhalten ist durch Gewalt geprägt (von naheliegenden Assoziationen wird an dieser Stelle bewusst Abstand genommen...!)

Aber auch die Quallen bieten interessantes Anschauungsmaterial. Dieselben produzieren Eier und Samen so reichlich wie irgendein anderes Tier und entleeren sie ohne weiteres ins Meer, damit diese dort zueinander finden können bzw. sich anschliessend entwickeln können, so gut es geht - ein verschwenderisches Verfahren auf alle Fälle. Solange das Wasser jedoch kalt bleibt, geschieht alle Fortpflanzung durch Knospung, und Geschlechtszellen fehlen völlig. Bei einigen Sorten wachsen die Knospen - als winzige Ebenbilder ihrer selbst (griechische Männerphantasie, ich höre dich trapsen!) - an dem im Wasser schwingenden Mund in der Mitte und bei anderen in unregelmässigem Abstand am Schirmrand: das ganze Wasser kann mit solchen riesigen Schwärmen gefüllt sein. Erst wenn das Wasser wärmer wird, enden diese Knospungsvorgänge, und die Fortpflanzung wechselt - quasi über Nacht - auf Eier und Samen über. An einem Tag nur Quallen mit Knospen, am anderen Tag bereits mit Ovarien oder Hoden und ohne Knospen. Und wieder etwas später, wenn Eier und Sperma ausgestossen sind, sterben die Eltern, und nur die befruchteten Eier treiben als einzige Repräsentanten ihrer Gattung im Meer - bis zum nächsten »Durchlauf«. Jede Fortpflanzungsform hat jedoch ihre eigene spezifische Bedeutung. Denn eine Qualle, die an ihrem Schirmrand ständig neue (Mini-)Quallen hervorbringt und ein Wurm, der in hundert kleine Teilchen zerfällt, reproduzieren ihre Gattung im eigentlichen Sinne des Wortes und zwar fix und fertig. Es ist so gut wie ausgeschlossen, dass einzelne ihrer Nachkommen sich von ihnen selbst im geringsten unterscheiden. Jeder ist vielmehr ein vollständiger Abklatsch des andern, was zwar zu riesigen Zahlen, aber ansonsten zu Einförmigkeit ohne Varianten führt. Die Eier - wie auch die Spermatozoen - unterscheiden sich jedoch stets durch kleine Unterschiede von einander. Und so passiert es, dass Lebewesen, die als Knospen zur Welt kommen, einander wie eineiige Zwillinge gleichen, während diejenigen, die aus Eiern stammen, stets ein wenig voneinander verschieden sind, selbst dann, wenn sich die Eier selbständig, also ohne die Hilfe von Sperma, weiterentwickelt haben. Am grössten sind die Variationen allerdings, wenn die Eier von Spermatozoen befruchtet werden, insbesondere dann wenn Eier und Sperma von verschiedenen Eltern stammen. In diesem Sinne sind Eier um nichts besser als Knospen. Beide, Eier wie Knospen, sind Fortpflanzungseinheiten, und beide veranschaulichen die Tatsache, dass in einem Stückchen lebenden Gewebes die Fähigkeit steckt, das Ganze neu hervorzubringen - aber nur die Eier haben die Fähigkeit, neue Spielarten zu schaffen. Die besondere Aufgabe von Ei- und Samenzellen ist somit die Weiterentwicklung der Gattung, die Anpassung an veränderte Lebensbedingungen, die Besiedlung neuer, entlegener Gebiete, in denen die Lebensbedingungen wieder verschieden sind, durch Hervorbringen neuer Formen - mögen sie nun besser sein als ihre Vorfahren oder nicht. Die ganze Mannigfaltigkeit der menschlichen Rasse, ob nun lang, gedrungen, dick, dünn, rothaarig, braunhaarig, blond, blauäugig, reizbar oder gelassen, kurzum alles, was den Menschen voneinander unterscheidet, entspringt einzig und allein der Tatsache, dass kein Ei und kein Same wie der andere ist - die Variation ist oberstes Gebot. Und dies ist bei allen anderen (Säuge-)Tieren genauso. Diese Ungleichheit erstreckt sich auf alles und jedes und jedes Lebewesen steht im Grunde nur für sich. Aber nicht nur, dass wir alle verschieden aussehen, auch die chemische Zusammensetzung ist verschieden (wg. genetischer Eiweisssynthese) - deshalb ist eine Haut- oder Organtransplantation auch derart medizinisch kompliziert und vor allem im zeitlichen Sinne nicht voraussehbar. Was zur Zeit in der Gentechnik sich an neuen Möglichkeiten ergibt, ist atemberaubend, teils abstrus (sogar Artensprünge sind möglich), wird jedoch für diese Abhandlung nicht verwertet - wir wollen bei natürlichen Vorgängen bleiben.

Kurz zusammengefasst kann also gesagt werden, dass die geschlechtliche Fortpflanzung ein Kunstgriff der Natur ist, um einen zweifachen Effekt zu erzielen. Sie sorgt für den erforderlichen Nachwuchs und erreicht gleichzeitig, dass die Nachkommen jedes Elternpaares wieder unter sich verschieden sind. Eine Generation bringt die nächste hervor, und jedesmal zeigen sich neue Eigenschaften und Eigenheiten. Darin liegt die doppelte Aufgabe, die die Geschlechtszellen zu erfüllen haben, und alle übrigen Kennzeichen der Geschlechtlichkeit sind in diesem Sinne zu verstehen: Die Variation und deren Weitergabe ist das oberste Ziel aller geschlechtlichen Vorgänge und Stadien.
Diesbezüglich können wir bei der Verschiedenheit der Geschlechtszellen weiter feststellen, dass dieselbe sich nicht nur in der ungleichen Bauart und Grösse
äussert, sondern auch in der Zahl beider Arten. Zur Erklärung kann die Arbeitsteilung zwischen Eizelle und Samenzelle herbeigezogen werden. Die Eizelle speichert die Substanz, ist relativ unbeweglich, während die Samenzelle beweglich ist, nur mit einem langen Schwanz zum Schwimmen ausgestattet; alles andere ist auf ein Minimum reduziert. Für das Kriterium der Geschlechtszellengrösse muss deswegen auch noch die Zahl hinzugenommen werden. Gilt für die Samenzelle der Grundsatz: Grösstmögliche Zahl und deshalb kleinstmöglicher Umfang, so stellt sich das Problem bei der Eizelle ganz anders. Denn jedes (Säuge-)Tier und jede Pflanze kann nur eine bestimmte Menge an Material zur Verfügung stellen, um Geschlechtszellen zu erzeugen. Andererseits gilt, dass je grösser ein einzelnes Ei wird, um so weiter kann es sich entwickeln, ehe es als (relativ) selbständiger Organismus hinaus ins Leben tritt. Grössere Eier heisst also gleichzeitig weniger Eier, während wiederum eine grössere Zahl von Eiern die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass einige am Leben bleiben, um die Gattung fortzuführen. Auf den Menschen bezogen dürften hierbei die nachfolgenden Angaben interessieren: Neugeborenes Mädchen ca. zwei Millionen Follikel, in der Pubertät noch ca. 300 - 400.000 davon übrig, im menstruellen Zyklus werden davon normalerweise je einer dieser Follikel, bzw. die Eizelle darin, freigegeben, in der ganzen Zeit der Fruchtbarkeit etwa 400 mal, Durchmesser ca. 120 - 150 nm. Und für den Mann: Samenproduktion erst in der Pubertät, bei jeder Ejakulation (ca. 20.000 Mal!) ca. 200 - 400 Millionen Samenzellen, Gesamtlänge einer Samenzelle ca. 50 - 70 nm, Kopfteil ca. 4 - 6 nm Durchmesser.

Evolution und Natur haben in der Folge für die Reproduktion des Lebens eine unglaubliche Vielfalt an Lösungen und Entwicklungsstufen hervorgebracht - jedenfalls liegt hier bereits auch eine der Ursachen für die Verschiedenheit der (natürlichen) Geschlechter als solche (Mann und Frau sind eben völlig verschieden voneinander: nicht gleich, sondern gleichwertig!) Dieselbe wird uns noch bewusster, wenn für die Ei- und Samenzellen nicht nur die unterschiedliche Grösse und Beweglichkeit als Kriterien genommen werden, sondern auch die Funktion. Und hier kommen die männlichen Samenzellen gar nicht so gut weg, ja es geht manchmal auch völlig ohne sie: die Parthenogenese (Jungfernzeugung) erscheint auf dem Plan. Interessant ist dies nicht zuletzt zu beobachten bei Seesternen und bei Fröschen. Seesterneier entwickeln sich beispielsweise lediglich durch Hinzufügung von organischer Säure in ihrem Lebensraum - es ist nur noch ein kleiner Anstoss dazu nötig. Und bei Froscheiern kann durch vorsichtiges Anstechen mit einer feinen Nadel eine Teilung und eine Entwicklung zu Kaulquappen erreicht werden, d. h. die Eier können also ohne die Mitwirkung von Spermatozoen veranlasst werden, sich zu entwickeln. Dabei gibt es ausschliesslich Weibchen, es entstehen nur Individuen mit X-Chromosomen. Der gleiche Effekt kann auch mit einer Erhöhung der Wassertemperatur erreicht werden: männliches Zutun ist nicht erforderlich.

Aber auch bei höher entwickelten Gattungen, beispielsweise bei Säugetieren, kann eine solche Parthenogenese hervorgerufen werden. Diesbezügliche Versuche wurden vom Vater der Pille für die Frau, Dr. Gregory Pincus, bei Kaninchen durchgeführt - dabei gelang es ihm - allerdings nicht im normalen natürlichen Entwicklungsablauf - aus reifen, unbefruchteten Kanincheneiern normale, allerdings ausschliesslich weibliche Kaninchen zu züchten - es hängt dies vom Reifeteilungsprozess der Eizellen ab. Manchmal wird eine der Reifeteilungen unterdrückt, und das Ei entwickelt sich - ohne Befruchtung durch eine männliche Samenzelle - gleichfalls zum (weiblichen) Embryo. Wenn es gelingen würde - und die Klontechnik ist diesbezüglich bereits sehr weit fortgeschritten - beim weiblichen Menschen die Eizellen zur spontanen Entwicklung zu bringen, könnte eine solche Menschenrasse aus nur weiblichen Individuen durchaus zum möglichen Future-Szenario gehören - Orwell und Huxley lassen grüssen..... Männliche Hilfe wäre somit nicht mehr erforderlich - frau könnte unter sich bleiben (und der Feminismus jubeln), genauso wie dies bei etlichen Insektenvölkern der Fall ist.

Aus diesem Blickwinkel sind dann auch die vielfältigen Komplikationen bei der menschlichen biologischen Intersexualität (Hermaphroditismus) zu sehen, d. h. wenn der männliche Impuls in die weibliche Prozessstruktur der Reproduktion eingepasst werden soll. Hierbei kann es dann zu überaus zahlreichen intersexuellen Variationen kommen, auf die wir an späterer Stelle noch näher eingehen. Vorerst kann jedoch postuliert werden, dass die Natur in vielen Fällen auch ohne den männlichen Impuls gut klar kommt. Und mit den vorgenannten Kenntnissen der Fortpflanzung dürfte dann auch die biblische Überlieferung der jungfräulichen Zeugung Jesus Christus´ aus dem Schoss seiner Mutter Maria in einem etwas anderen - und wohl auch unerwarteten - Licht gesehen werden. Denn nach den Gesetzen der Natur hätte Jesus in einem solchen Falle ja dann automatisch weiblichen Geschlechts sein müssen. Dies ist zugleich ein interessanter weiterer Aspekt hinsichtlich der von etlichen Bibelforschern vermuteten Mannweiblichkeit Jesu (wie bei Paracelsus (AGS-Syndrom))

Die Natur hat aber noch viel mehr auf Lager, wie beispielsweise das Verfahren »Männchen nach Bedarf«. Dieses Spektakel treffen wir u. a. bei den Wasserflöhen an, insbesondere bei der Daphnia, die zur Art der Kleinkrebse gehört. Hier ist Parthenogenese die Regel, von der auch bei idealen Verhältnissen nicht abgewichen wird: alle Daphnia-Nachkommen sind weiblich. Wird jedoch die Nahrung knapp oder ändern sich die Umweltbedingungen im ungünstigen Sinne, beispielsweise temperaturmässig, so fängt plötzlich ein Teil der Weibchen an, männliche Nachkommen zu produzieren, die etwas kleiner, röter und aktiver sind als die weiblichen. Hierbei zeigt sich, dass auch die Eier, die zu Männchen werden, dem gleichen Reifeteilungsprozess wie bei den Weibchen unterliegen - es sind also nur die Umweltbedingungen, die diese Umstellung bewerkstelligen. Und wenn sich diese »männliche Produktion« als falscher Alarm herausstellt, beispielsweise wenn es doch nicht so schlimm wird, ja dann werden diese Männchen einfach auf Eis gelegt, damit sie sich in die Fortpflanzung nicht (mehr) einmischen können. Die Weibchen fahren fort, in ihrem Paradies der Jungfrauen weiter ohne jegliche männliche Hilfe weibliche Nachkommen zu produzieren. Verschlechtern sich dagegen die Lebensbedingungen der Daphnia-Gemeinschaft wieder, so wächst in jedem Daphnia-Ovarium eine Eizelle heran, die grösser ist als sonst. Diese macht den doppelten Reifeteilungsprozess durch und kann sich jetzt nicht mehr spontan entwickeln: das geht nur noch durch direkte Befruchtung seitens der bereits vorhandenen Männchen. Diese sogenannten Wintereier mit fester äusserer Schale bringen dann im Frühjahr - wenn die Hülle durch abwechselndes Gefrieren und Auftauen gesprengt wird - wieder nur Weibchen (und niemals Männchen) hervor - der vorbeschriebene (jungfräuliche) Kreislauf kann von neuem beginnen.

Mit diesem Stande unseres Wissens über die verschiedenen geschlechtlichen Vorgänge in der Natur, können wir nun unsere Aufmerksamkeit auf die Geschlechter und ihre Geschlechtszellen richten. Hierzu ist bezüglich der männlichen Samenzellen festzustellen, dass diese für viele Gattungen des Tierreiches grosse Ähnlichkeit aufweisen: so sehen die Samen von Schwämmen, Quallen, Würmern, Schnecken, Vögeln, Säugetieren und auch des Menschen nahezu gleich aus. Dieselben haben im Grunde die gleiche Struktur und Wirkungsweise, die gleiche beschränkte Lebensdauer und wohl auch die gleiche Aufgabenstellung - zudem reifen sie auf die gleiche Weise. Ebenso sind auch im Pflanzenreich solche Regelmässigkeiten hinsichtlich der männlichen Fortpflanzungseinheiten vorhanden.

Diese grundsätzliche Spezialisierung der Geschlechtszellen nach Grösse, Form und Zahl finden wir demnach in der ganzen Natur - das Prinzip ist immer das gleiche. Solches gilt gleicherweise auch für die daraus hervorgegangenen »Grosseinheiten« der Geschlechter (»Rüstungen«, wie der Evolutionsbiologe John Dawkins diese benennt): Wir finden hier die genauso deutlichen geschlechtlichen Spezifizierungen, nur in wesentlich differenzierterer Form. Hierbei heisst es allerdings noch nicht, dass die beiden Geschlechter auch auf bereits verschiedene Individuen verteilt sein müssen. Es gibt auch Lebewesen, wie beispielsweise die bereits erwähnten Seescheiden, die keine spezifischen Geschlechter kennen und wo jedes Individuum, gleich welcher Art, zugleich männlich und weiblich ist: echtes Hermaphroditentum somit.

Bei den genannten Seescheiden beispielsweise reifen Ovarien und Hoden gleichzeitig, und Eileiter und Samenstränge sind immer prall gefüllt mit Eiern und Spermien. Allerdings ist bereits festzustellen, dass die Eier sich leichter vom fremden Samen befruchten lassen als vom eigenen Produkt - der direkte Weg wird jedoch auch ohne besondere Mühe gefunden. Und wenn bei sämtlichen Gruppen der Tierwelt im Laufe der Evolution auch die Geschlechter auf zwei Arten von Individuen verteilt wurden, so kann doch ohne weiteres behauptet werden, dass am Anfang von allem der »Hermaphroditus verus«, der echte Hermaphrodit, stand. Diesbezüglich dürfte es für viele Menschen eine neue Erkenntnis sein, dass die Welt um sie herum mit wahrhaft hermaphroditischen Geschöpfen nur so gefüllt ist. Hierbei denken wir nicht zuletzt auch an die vielen diesbezüglichen Landtiere (die nicht wie die Seescheide ihre Eier und ihr Sperma einfach ungehemmt ins Wasser fliessen lassen können), beispielsweise die Regenwürmer, die Blutegel, die Nachtschnecken, die behausten Wald- und Feldschnecken usw., die in sich ausgeglichene, einander gleichende Hermaphroditen sind, d. h. beide Geschlechter nebeneinander im gleichen Individuum - zeitgleich funktionierend - aufweisen. Bei diesen hermaphroditischen Tieren müssen die Eier somit zuerst befruchtet werden, bevor sie gelegt werden können, und beide Partner müssen sich innig vereinen, damit der Samen von jedem in den Körper des anderen übergeht - um die dort gelagerten Eier zu erreichen, bevor sie gelegt werden. Der Samen wird also paarweise ausgetauscht, d. h. in der Folge findet eine doppelte Befruchtung und dadurch auch ein doppelter Austausch an Informationen statt - langsam zwar aber dafür doppelt.

Die Trennung der Geschlechter auf verschiedene Individuen im Laufe der Evolution ist sodann über den Prozess der Arbeitsteilung in einer weiteren Stufe erfolgt: getrennt lässt sich für das alles überragende Kollektiv mehr vollbringen, als wenn beide Geschlechter in einem vereinigt wären. Insofern ist der weitverbreitete Hermaphroditos-Kult in der griechischen Antike (»androgynische Idee des Lebens«) wohl eher sehnsüchtig im ideellen als im praktischen Sinne begründet - jedenfalls im Rückblick. Dass dieses antike, vielgepriesene Androgyn-Ideal (siehe hierzu auch Kapitel »Mythen der Antike« im Sachbuch »Mythos Geschlechtswandel« (1992)) in der Natur jedoch übermässig vielfältig vertreten ist, macht die Gedankengänge jener Tage noch erstaunlicher - und den (gedanklichen) Stillstand während anderthalbtausend Jahren Mittelalter noch weniger verständlich.
Bei der erwähnten Verteilung der Geschlechter auf verschiedenartige Individuen hat die Natur wiederum gleichfalls tief in die Zauberkiste gegriffen - die Beispiele sind legion. Und auch der Mensch hat sich im Laufe der Zeit vielerlei Gedanken über die Entstehung der Geschlechter gemacht. Im berühmten »Gastmahl des Aristophanes« des griechischen Philosophen Platon (427-347 v. Chr.) wird die nachfolgende Geschichte erzählt: Am Anfang von Allem gab es drei Geschlechter. Als dann diese kugelförmigen Rundwesen allzu übermütig wurden, zürnten ihnen die Götter, und sie wurden kurzerhand halbiert. Aus den Doppelwesen dreierlei Art - nämlich Mann-Mann, Frau-Frau und Mann-Frau - wurden nur noch unvollkommene Geschöpfe, jeder in Sehnsucht nach seiner ehemaligen Hälfte auf der Suche. So sollte wohl auch der im alten Griechenland so weitverbreitete gleichgeschlechtliche Eros begründet werden. Und im Christentum wurden die natürlichen Vorgänge - gipfelnd im »Eva aus Adam«-Mythos - einfach umgekehrt - von da an regierte die (künstliche) Kultur über die (reale) Natur, die »illusio virilis«-Hybris des Patriarchats schuf eine neue, völlig abgehobene Welt des Glaubens und nicht mehr des Wissens.

Aber wie gesagt, die Natur weiss es jedoch besser, und deshalb sind alle ihre Geschlechterformen und Ausgestaltungen eine wahre Fundgrube um das Wesen der (menschlichen) Geschlechtlichkeit besser zu verstehen. Dies ist beispielsweise der Fall bei einer Garnelenart, die an der atlantischen Küste Nordamerikas heimisch ist. Hier stellen wir fest, dass zwar zwei getrennte Geschlechter vorhanden sind, diese jedoch nacheinander im gleichen Individuum angelegt werden - die perfekte Geschlechtsumwandlung somit. Diese Lebewesen sind im Laufe ihrer Existenz zuerst männlich und danach weiblich und das jeweils mit völlig getrennten Geschlechtern. Diese Garnelen, die also Zwitter im besten Sinne des Wortes sind, verhalten sich jedoch so, als wären sie keine. Sie wachsen als Männchen heran und sind nur halb so groß wie die Weibchen. Wenn sie aufhören zu wachsen, bleiben sie auch Männchen - wachsen sie jedoch weiter, dann tritt bei der nächsten Laichzeit ein erstaunlicher Vorgang auf: Die Männlichkeit verschwindet, die Hoden schrumpfen, und es werden keine Samenzellen mehr produziert. Daneben, also an anderer Stelle (und nicht aus der noch verbleibenden männlichen Geschlechtssubstanz wie beispielsweise bei der chirurgischen Geschlechtsumwandlung von Mann-zu-Frau-Transsexuellen) werden Ovarien gebildet. Wenn dann diese Garnelen die volle Größe ihrer Spezies erreicht haben, sind aus den gleichen Tieren, die vorher Männchen waren, typische eierlegende Weibchen geworden. Versucht man/frau sich dieses System der Geschlechtertrennung beim Menschen vorzustellen, dann könnten den kühnsten Phantasien freier Lauf gelassen werden. Die Männer wären dann nur noch halb so gross und halb so alt wie die Frauen, und ein jeder Mann könnte dem Tag entgegen sehen, wo er selber schließlich Mutterfreuden erleben sollte. Wie sehr sich bereits die alten Griechen über die Vor- und Nachteile eines solchen Daseins vielerlei Gedanken gemacht haben, beweist die Sage des Sehers Teiresias aus der griechischen Mythologie, erzählt von Ovid in den »Metamorphosen«.Männlich geboren, wurde Teiresias von den Göttern in eine Frau und dann wieder zurück in einen Mann verwandelt. Auf die Frage der Götter, wer denn nun im geschlechtlichen Sinne mehr empfinden würde, entschied sich Teiresias für die Frau: Der Seher befand, daß, wenn der Genuß in zehn Teile dividiert werden könne, die Frau neun davon besitzen würde ...! Und im Hollywood-Film »Junior« (1994) mit Arnold Schwarzenegger wurde vorgeführt, wie auch in heutigen Zeiten die Schwangerschaft des Mannes die Gemüter bewegen kann. Nicht zuletzt auch seitens der Wissenschaft, welche dazu kühn verkündete: »Auch ein Mann kann Mutter werden« (US-Professoren John Money (jawohl, der US-Transsexualismus-Papst) und Robert Gorski (männliche Homosexualität ist genetisch bedingt!)) - mittels Hormonbehandlung, Schwangerschaft in der Bauchhöhle (!) und Geburt per Kaiserschnitt soll das alles (angeblich) möglich sein. »Illusio virilis«-Hybris - wohin führst Du uns noch?

Zurückkommend auf die Geschehnisse in der Natur ist weiter festzuhalten, daß auch die Auster das Geschlecht ein- bis zweimal im Jahr wechselt, also auch hermaphroditisch im wahrsten Sinne des Wortes ist. Dabei fällt diesbezüglich auf, dass die zwittrige Anlage in der Natur oft gekoppelt ist mit einer langsamen, kriechenden bzw. festverwurzelten lokalen Lebensweise. So ist denn auch wohl die Funktion der Schnelligkeit, bzw. eines Körperbaues und solcher Sinnesorgane, die gerade schnelle Bewegungen ermöglichen, wohl eher als Folge der voneinander getrennten Geschlechter zu sehen. Und hier ist es nun an der Zeit, sich einige grundsätzliche Gedanken über die Mechanismen der geschlechtlichen Fortpflanzung zu machen.

Wir haben in den vorgehenden Ausführungen gesehen, dass die Reproduktion als solche nicht notwendigerweise zwei Elternteile voraussetzt bzw. die geschlechtliche Zeugung nur eine der Fortpflanzungsmethoden darstellt. Eine einzige Zelle kann unter idealen Bedingungen sehr wohl allein einen vollständigen Organismus hervorbringen - allerdings ohne jede Veränderung der Nachkommen und das von Generation zu Generation. Deshalb steht die Vereinigung zweier Zellorganismen über die jeweilige Befruchtung der Eizelle durch die Samenzellen im Dienste der Weiterentwicklung des Ganzen, der Evolution somit. Es kann in der Folge für den hermaphroditischen Organismus in der Natur zu einer Lebensfrage werden zu verhindern, dass die eigenen Eier durch den eigenen Samen befruchtet werden. Bei den vorerwähnten Seescheiden noch ohne weiteres möglich, haben sich beispielsweise bei vielen Schnecken, Würmern und Seepocken bereits solche Geschlechtsorgane gebildet, die eine körperliche Vereinigung der Geschlechtlichkeiten im gleichen Organismus so gut wie unmöglich machen. Andere Organismen arbeiten, wie bereits bei den Garnelen und Austern beschrieben, nach einem Zeitplan, der jeweils eins der beiden Geschlechter ausser Funktion setzt. So wurde in der Folge die Fremdbefruchtung zum Normalzustand und die Selbstbefruchtung immer mehr verunmöglicht: Im Evolutionsprozess der einzelnen Gattungen hat wohl jede für sich Mittel und Wege gefunden, um aus eigenem zwingenden Antrieb zur Trennung der Geschlechter zu kommen, ganz besonders im Tierreich. Im Pflanzenreich gibt es in diesem Zusammenhang dann noch wieder ganz andere Versionen des Zwittertums, wobei beispielsweise (bei den Blütenpflanzen) jede Blüte für sich hermaphroditisch sein kann, d. h. sowohl Pollen als auch Samen tragen kann oder auch männliche und weibliche Blüten nebeneinander vorkommen können.

Nachdem wir nun auf die Uranfänge des Lebens, d. h. auf das Hermaphroditentum mit seinen männlichen und weiblichen Keimdrüsen in einem Individuum, und auf das darauf folgende paarweise Verschmelzen von Geschlechtszellen aufmerksam gemacht haben, kommen wir jetzt zum Verhalten der Geschlechter untereinander. Und hier stellen wir sofort fest, dass auch für die Geschlechter als solche das Gesetz von Angebot und Nachfrage gilt - auf allen Stufen der unendlich langen Skala von den Insekten über die Fische und Reptilien zu den Primaten und schliesslich zu den Menschen. Männliche und weibliche Lebewesen sind dabei niemals gleich, d. h. Mann und Frau sind jeweils so wenig gleich wie Maler und Dichter, aber das Standardverhältnis der Geschlechter bleibt dabei dennoch ausgeglichen: auf jedes weibliche Individuum kommt durchschnittlich ein männliches. Dass im Laufe der Evolution diese Spaltung der Geschlechter in gleiche Teile, ob nun die beste Lösung oder nicht, auch wiederum zu verschiedenartigen Entwicklungen geführt hat, darf nicht verwundern. Menschen, Frösche und der grösste Teil der Tiergattungen tun dies beispielsweise, indem es zwei Arten von Sperma, also männlich und weiblich nebeneinander (wie bei niederen Organismen die Keimdrüsen) gibt. Beim (männlichen) Menschen besteht die Samenmenge (pro Ejakulation ca. 200-400 Millionen Spermien) bekannterweise aus einer Hälfte von Keimzellen mit einem X-Chromosom und die andere aus solchen mit einem Y-Chromosom, fifty-fifty sozusagen. Wie es auch immer geregelt ist (mit dem Verhältnis von 1:1 als Idealzustand vor Augen): eine solche Mannigfaltigkeit und Anpassungsfähigkeit der jeweiligen Gattung - wobei also für jedes weibliche Wesen ein eigener Partner angelegt wäre - ist für die Weiterentwicklung im Grunde so nicht notwendig. In der Regel ist deshalb auch in jeder Tiergemeinschaft nur ein kleiner Prozentsatz der Männchen aktiv an der Fortpflanzung beteiligt. Beim Menschen bezieht sich diese Konstellation im umgekehrten Sinne auch noch auf die »Weibchen«, d. h. es nehmen in der Folge nicht sämtliche menschlichen Lebewesen an der Paarung teil, weil dies nicht lebensnotwendig für die Fortpflanzung bzw. die Erhaltung der (menschlichen) Rasse ist, jedenfalls nicht auf der derzeitigen Evolutionsstufe. Insofern wäre deshalb das Phänomen der Homosexualität, speziell der männlichen, als durchaus natürlich anzusehen - worüber sich allerdings im Laufe der Zeiten wahre Heerscharen von Eiferern, Forschern und Betroffenen die Köpfe eingeschlagen haben.

Ausserdem ist auch festzuhalten, dass im Tierreich die Männchen normalerweise darum kämpfen, zur Paarung zugelassen zu werden, was für Folgen das auch immer mit sich bringt. Konkurrenzverhalten, Entwicklung des »Sex-Appeals« und sexuelle Reizmittel rücken in den Vordergrund, um bei der Partnerwahl auf sich aufmerksam zu machen. Gewisse äussere Merkmale erhalten hierbei Signalwirkung, beispielsweise bei vielen Fischen und Vögeln die Farben oder bei Krebsen die unverhältnismässig grossen Schwerter. Diese sexuellen Reizmittel sind einerseits Erkennungsmerkmale für das andere Geschlecht, aber andererseits auch Warnung vor dem eigenen. Bei den Schwertträgernfischen, wie den Guppys beispielsweise, ist dies im Aquarium deutlich zu sehen: Das Weibchen erkennt das Männchen an seinen Farben, das Männchen wiederum erkennt das Weibchen daran, dass es nicht flieht. Und beim Menschen?

Kommen wir jetzt noch einmal zurück auf das Verhältnis von Geschlecht und Gemeinschaft. Es beruht bei der menschlichen Gesellschaft auf einem ziemlich ausgewogenen Verhältnis der Geschlechter: Männer und Frauen werden in annähernd gleichen Zahlen geboren, und alle Individuen beider Geschlechter sind voll entwickelt. Bei den Insekten jedoch - eine der Gattungen die am längsten auf diesem Planeten existieren - sieht das Ganze jedoch ein wenig anders aus. Wir erinnern uns in diesem Zusammenhang an die Wasserflöhe, wo die Männchen in einem echten Frauenparadies nur nach Bedarf erzeugt werden. Bei den Wespen, Bienen, Termiten und Ameisen sind jedoch noch ganz andere geschlechtliche Verhältnisse anzutreffen, die sogar als ausgesprochen männerfeindlich zu bezeichnen sind. Die wichtigste Arbeit in jedem Insektenstaat - und wir haben absolut keine Veranlassung uns entrüstet abzuwenden - dient stets der Fortpflanzung, d. h. dem Hervorbringen und Aufziehen möglichst vieler Nachkommen. Hierbei geht in den Völkern oder Staaten der Insekten das Individuum weitgehend in die Allgemeinheit auf - das einzelne Tier zählt nicht, der Staat ist alles. Die Reproduktion ist nur für den Staat als Staat angelegt, und das Entscheidende dabei ist, dass nur das weibliche Element die eíndeutige Hauptrolle spielt. Die Männchen sind nur noch Statisten: die Kontrolle des Geschlechtslebens liegt voll bei den Weibchen oder, besser gesagt, bei den »Müttern«.
Bei den Wespen beispielsweise gibt es Arten, wo es keine Männchen mehr gibt. Sämtliche Eier entwickeln sich dabei parthenogenetisch von Generation zu Generation zu Weibchen. Dabei haben sich rein weibliche Stämme durchgesetzt, und Unterschiede gibt es fast keine mehr - es werden fortwährend - ganz aus sich selbst heraus - ungeheure Mengen an weiblichen Individuen erzeugt. Auf Änderungen wird kein Wert gelegt - und auf Männchen schon mal gar nicht, d. h. lediglich Fortpflanzung um der Fortpflanzung willen somit! Keine Experimente!

Bei den Bienen, Termiten und Ameisen dreht sich bei der Fortpflanzung sodann alles nur noch um die Königinnen. So paart die Bienenkönigin sich nur ein einziges Mal in ihrem Leben und bringt von dieser Hochzeit einen mit Sperma gefüllten Samenbeutel mit nach Hause. Diese Röhrenöffnung schliesst und öffnet sich periodisch, von einem Muskelring kontrolliert. Gleichzeitig verlassen die Eier den Eierstock und werden dabei, während sie den Eileiter entlang wandern um gelegt zu werden, vom jeweils aus der engen Röhre des Samenbeutels austretenden Samen befruchtet - einen ganzen Sommer lang. Alle auf diese Weise befruchteten Eier werden zu Weibchen: Reichliche und gute Ernährung gewisser Nachkommen ergibt Königinnen, der Rest der Bienen wird mit weniger Nahrung bedient und bleibt deshalb im weiteren Wachstum gehemmt. Diese Weibchen bleiben ihr Leben lang Arbeitsbienen, steril und verkümmert, ohne Fortpflanzungsfunktion. Im Spätsommer nun nimmt die Zahl der unbefruchtet bleibenden Eiern - aus welchen Gründen auch immer (Samenvorrat erschöpft?) enorm zu, und das bisherige Befruchtungsgleichgewicht wird erheblich gestört. Es tritt nun die überraschende Wirkung ein, dass die unbefruchteten Eier sich weiterentwickeln, und - siehe an - es werden aus diesen sogenannten Drohneneiern jetzt plötzlich Männchen, sozusagen als Überschussprodukte auf Zeit. Jetzt naht auch der Moment, wo für die Gründung einer neuen Kolonie gesorgt werden muss - statt immer nur für das stete Wachstum der alten: die Bienen schwärmen aus. Die regierende befruchtete Königin verlässt gemeinsam mit einer grossen Zahl von Arbeitsbienen den Stock, und in der alten Kolonie setzt sich eine neue Königin durch, die anschliessend ihren Hochzeitsflug macht. Dann fängt das gleiche »Spiel« wieder von vorne an: Die Drohnen haben der Königin lediglich zu folgen, und nur einer von ihnen - das stärkste und vollkommenste Exemplar - wird am Ende normalerweise erfolgreich sein. Ansonsten haben die Männchen keine Funktion - alles Weitere geht von den Weibchen aus, ohne fremde Hilfe. Es entscheiden also allein die Geschlechtszellen, ob Männchen oder Weibchen entstehen: Je nachdem ob die Eier befruchtet sind oder nicht. Ob sich allerdings eine befruchtete Eizelle anschliessend zu einer Königin oder nur zu einer Arbeitsbiene entwickelt, hängt dagegen davon ab, wie die ausschlüpfende Larve jeweils von den anderen Arbeitsbienen ernährt wird - die Gemeinschaft der Bienen beruht auf beide Grundlagen, d. h. auf Geschlecht und Futter, wobei das fruchtbare Weibchen immer Gründerin und »Herrscherin« bleibt.

Bei den Ameisen und Termiten geht die Natur noch differenzierter vor: Die geschlechtliche Einteilung erfolgt bereits im Eierstock der Königin. Dabei verlassen nicht alle reifen Eier den Eierstock, sobald sie ausgewachsen sind - es finden bereits frühzeitige Differenzierungsprozesse statt, d. h. aus den Eiern, welche ihn verlassen und auf ihrem Weg befruchtet werden, werden Weibchen bzw. auch Königinnen, aus den nicht befruchteten werden Männchen. Die Eier jedoch, die den Eierstock nur zögernd verlassen, werden teilweise resorbiert und sind daher etwas kleiner, wenn sie gelegt werden. Aus ihnen werden dann je nach ihrer Grösse Arbeiter oder Soldaten, das Fussvolk somit. Dieselben sind unfruchtbar und nur zum Arbeiten da - es entstehen hier in der Folge zwei Klassen (oder auch anders gesagt »Kasten«) von unterschiedlich wertvollen Männchen.

Wir haben hier in den vorgehenden Ausführungen derart weit ausgeholt, um damit aufzeigen zu können, dass bei allen sozial lebenden Insekten - wo eine sozialstaatliche Ordnung unvermeidlich ist - das weibliche Element immer massgebend ist. Das fruchtbare Weibchen ist stets jeweils Gründerin und Führerin der Gemeinschaft, es bildet das sogenannte »soziale Geschlecht«, während das männliche Geschlecht sozusagen unsozial oder manchmal gar antisozial ist. Wenn somit eine solche soziale Ordnung als Anpassung an die Gegebenheiten der Umwelt gesehen wird, dann sind für das männliche Geschlecht nicht gerade schmeichelhafte Schlussfolgerungen zu ziehen: Die zersetzenden Tendenzen der Männlichkeit haben sich - in sozialer Hinsicht gesehen - als eindeutig schädlich erwiesen, jedenfalls bei den Insekten. Es entwickelten sich in der Folge deshalb rein weibliche Gesellschaften, in denen sich die Männchen fast ausschliesslich mit der gelegentlichen und bescheidenen Rolle des Befruchters zufrieden zu geben haben. Und dies noch nicht einmal für alle. Ansonsten werden sie als soziale Parasiten nur geduldet oder draussen gelassen - diesbezüglich sind wieder die Termiten hoch interessant. Die grosse Königin, die jahrelang mit einer phantastischen Leistung von 30.000 Eiern pro Tag geschlechtlich aktiv ist, darf einen voll entwickelten, aber praktisch in Gefangenschaft lebenden Prinzgemahl habenGrosse Göttin«-Analogie!), während die männliche Arbeitslosigkeit und ein Überfluss an fruchtbaren Weibchen jeweils auf die gleiche Art bereinigt werden: Die betreffenden Lebewesen werden unfruchtbar gemacht, noch bevor sie anfangen, sich zu entwickeln. In diesem Sinne dürfte dies deshalb auch im Zusammenhang mit den diversen geschlechtsanpassenden, hormonellen und chirurgischen Unfruchtbarkeits-Massnahmen bei der heutigen Geschlechtsumwandlungs-Euphorie doch gewisse gedankliche Assoziationen auslösen ... Jedenfalls kann aus allem bisher Gesagten geschlossen werden, dass die Insektenvölker den »totalen Staat« geschaffen haben, wobei die entstandenen sozialen Gemeinschaften stabil und unerschütterlich, aber vor allem völlig weiblich durchentwickelt sind. Science Fiction für morgen oder doch neue, andere Möglichkeiten im Rahmen der sich rasend schnell entwickelnden Gentechnik? Ob hierbei der Nachdruck auf der Betonung oder auf der Verwischung der Geschlechtsunterschiede gelegt werden wird bzw. soll, kann angesichts der massiven Eingriffe seitens des Menschen in Natur und Umwelt noch nicht vorausgesagt werden. Die Natur hat noch nie Rücksicht auf den Menschen genommen, warum sollte sie dies jetzt tun. Ozonloch, Treibhauseffekt, Umwelt- und Wetterkatastrophen, Radioaktivität - ob nun gewollt oder ungewollt atomar freigesetzt (Tschernobyl!) - sind nur ein kleiner Hinweis darauf, was der Menschheit nach aller Wahrscheinlichkeit noch bevorstehen wird - die totale Umwälzung alles Bisherigen. Welche Anpassungsprozesse dann ablaufen werden, bzw. ob es dann überhaupt für die menschliche Rasse noch solcher Anpassungsprozesse bedarf, ist völlig ungewiss. Denn wo es jetzt schon gentechnisch möglich ist, die Zusammenstellung der Geschlechter zu regulieren und die Fortpflanzung labormässig nachzuvollziehen bzw. zu beeinflussen (Retorten-Reproduktion), da könnten Ausführungen und Bücher, wie die Autorin sie versucht anzubringen, wohl bald überflüssig werden.

Diesbezüglich dürfte die zu Anfang der neunziger Jahre gemachte Entdeckung britischer Forscher vom Nationalen Krebsforschungsinstitut in London sehr aufschlussreich sein. Hier hat man die Entdeckung gemacht, dass - wie uns bekannt sein dürfte - das männliche Geschlecht beim Menschen nicht nur erst zwei Monate nach der Zeugung festgelegt wird, sondern dass dieser Vorgang auch nur von einem einzigen Gen auf dem Y-Chromosom ausgelöst wird. Dieses sogenannte SRY-Gen (SRY für Sex-determining Region Y-Gene) ist somit der winzige Träger jeglicher männlicher Erbinformation. Wenn es auf den Chromosomen fehlt oder beschädigt ist, bekommen die Mütter automatisch nur weibliche Nachkommen. So würde jedermann (jeder Mann!) als »Weibchen« zur Welt kommen, wenn es nicht im Genprogramm der Embryonen eine Art Schalthebel gäbe. Nur wenn dieser in der siebten Schwangerschaftswoche betätigt wird, kann der bis dahin weibliche Fötus männliche Geschlechtsmerkmale entwickeln: Mittels einer Kette von biologischen Reaktionen entstehen aus ursprünglich weiblichen Organanlagen spezifisch männliche, aus den vorgesehenen Eierstöcken entstehen Hoden, und aus primär weiblichen Embryonen entwickeln sich schliesslich erwachsene Männer. Wie bereits schon vermerkt, irrt sich die Bibel bezüglich der Menschwerdung also gewaltig, und nicht Adam war als erster da, sondern Eva. Die biblische Geschichte, nach welcher Gott aus »Erde vom Ackerboden« (babylonische Ninhursag-Legende als Analogie!) einen Menschen, den Mann schuf, ihm eine Rippe entnahm und daraus ein (fast) baugleiches Zweitexemplar (»Männin« genannt, da »vom Manne« genommen) formte, muss neu geschrieben werden - daran geht kein Weg vorbei. Den wissenschaftlichen Nachweis ihrer Entdeckung erbrachten die vorerwähnten britischen Forscher hierbei durch ihr Experiment, einem winzigen weiblichen Mäuseembryo das neuentdeckte SRY-Gen zu injizieren, wobei sich prompt aus dem ursprünglichen Mäuseweibchen ein Mäuserich entwickelte - die jetzt männliche Maus, die eigentlich ein genetisches Weibchen war, folgte nach ihrer Geschlechtsumwandlung im embryonalen Status, einem völlig normalen Männlichkeitsprogramm. Dieses wurde begleitet von allen typischen Charakteristiken im männlichen Sinne wie Gewicht, Körpergrösse und Paarungstrieb (allerdings mit Unfruchtbarkeit gekoppelt!): Es gab keine (direkt feststellbaren) Unterschiede! Wie der beim Experiment massgeblich beteiligte Wissenschaftler, der Molekularbiologe Dr. Robin Lovell-Badge erklärte: » ... werden wir künftig in der Lage sein, bei bestimmten Säugetieren eine rein männliche Nachkommenschaft zu sichern« - eine doch wohl wieder typisch männlich-patriarchalische Hybris. Als erstes sei weiter ein Einsatz in der Rinderzucht vorgesehen, beispielsweise für die Produktion von mehr Milchkühen, in- dem ein Verfahren entwickelt wird, mit dem der betreffende Genschalter blockiert werden kann. Rosige Zeiten somit für unermüdliche »illusio virilis«-Hardliner, denn man (Mann!) wird sicher nicht ruhen, bis das menschliche Geschlecht - und damit die Zusammenstellung der Geschlechter in der Gesellschaft - nach Belieben festgelegt werden kann - wie dies ja, wie wir gesehen haben, bei den Insekten bereits der Fall ist.

Handelt es sich bei den genannten Vorkommnissen um einen künstlichen Eingriff, von der »Umwelt« des Tieres (dem Menschen somit) initiiert, so zeigt das Beispiel der Geschlechtsentwicklung bei den Aalen ganz besonders den Einfluss der natürlichen Umweltbedingungen. Denn bis die Aale Längen von 20 bis 30 Zentimeter erreichen, sind sie geschlechtsneutral. Erst im Verlauf mehrerer Zwischenstationen prägen sie das Geschlecht aus, das sie bis zu ihrem Lebensende behalten. Dabei verwandeln sie sich zunächst in Weibchen und anschliessend sind sie eine Weile lang Hermaphroditen. Die endgültige Entscheidung über den »kleinen Unterschied« hängt dabei jedoch von der Umgebung ab: In übervölkerten Biotopen neigen die Tiere zum männlichen Geschlecht und erreichen im Laufe von drei bis acht Jahren eine Körperlänge von höchstens einem halben Meter. In Lebensräumen, in denen wenigen Aalen reichlich Nahrung zur Verfügung steht, formen die Tiere dagegen weibliche Geschlechtsorgane aus - die Weibchen werden dabei bis zu 1,50 m lang. Aus den genannten Vorgängen geht somit eindeutig hervor, dass die Lebensbedingungen für die Geschlechtlichkeit der Aale - wohl über Hormone regulierbar - entscheidend sind: registriert der Organismus, dass die Versorgung in seinem Lebensraum gut bzw. weniger gut ist, wird das entsprechende »Geschlechtsprogramm« abgespult. Weitere Untersuchungen haben sodann noch ergeben, dass auch zwischen dem Geschlecht der Aale und der Salzkonzentration im Wasser ein Zusammenhang besteht. Danach entwickeln sich Aale in Salz- und Brackwasser eher zu Männchen, im Süsswasser dagegen zu Weibchen. Insekten und Aale als richtungsweisend für die evolutionäre Entwicklung des »Homo sapiens«? Nicht unbedingt, aber lernen könnte man/frau viel von den vorgeschilderten biologischen und sozialen Abläufen in der Natur.

Bei den Neunaugen, aalförmigen niederen Wirbeltieren, die in Flüssen, Bächen und Seen vorkommen, kann die hochinteressante Feststellung gemacht werden, dass sich die Keimdrüsen im Körper zunächst als Kombination von Eierstock und Hoden (vergleichbar dem Ovotestis - Phänomen beim Menschen) entwickeln, d.h. die Neunaugen sind bis zur Geschlechtsreife Zwitter und dabei nicht voneinander zu unterscheiden, auch nicht über das Zellgewebe unter dem Mikroskop. Es dauert sehr lange, bevor die eine Geschlechtskomponente die Oberhand gewinnt und die andere sich zurückbildet. Eierstock und Hoden wachsen lange Zeit hindurch als Einheit und halten sich mehr oder weniger wetteifernd dabei die Waage - bis irgend etwas das Gleichgewicht zugunsten der einen oder anderen Richtung verschiebt und das Neunauge - nachdem es zu wachsen aufgehört hat - entweder Eierstöcke oder Hoden und nicht mehr beides hat: Es ist nun entweder zum Weibchen oder Männchen geworden. Es beginnen aber auch erst jetzt die produzierten Hormone, ihren Einfluss auf das Verhalten der beiden Geschlechter auszuüben - allerdings tun sich die Neunaugen- wohl als Folge des langen Entscheidungsweges - schwer, sich bei der Paarung als das jeweils andere Geschlecht zu erkennen. Die Wirkungsdauer der Hormone ist anscheinend zu kurz, und es kommt in der Folge zu einer überaus mühsamen Partnerwahl - weil die eindeutigen Geschlechtsmerkmale fehlen. Eine gleiche Konstellation finden wir bei den Fröschen: Auch hier wird eine späte Entscheidung für das eine oder andere Geschlecht getroffen, und während den Wachstumszeiten findet ein regelrechter Kampf um die Vorherrschaft in den Urkeimdrüsen eines jeden einzelnen Tieres statt. Wenn das zentrale Kerngewebe wächst und die Rinde zusammenschrumpft, entwickelt sich der Organismus zum Froschmännchen - wenn dagegen die Aussenschicht wächst und der Kern schrumpft, wird es ein Weibchen. Normalerweise sind beide Geschlechter gleich zahlreich vertreten, bei ungewöhnlichen, hohen Temperaturverhältnissen kann es jedoch zu einer eher ungleichen Geschlechtsverteilung kommen. So wächst bei niedrigen Temperaturen das Kerngewebe stets langsamer als die Rinde und es überwiegen die Weibchen. Bei sehr hohen Temperaturen dagegen trifft das Gegenteil ein, und es überwiegen die Männchen - manchmal bis zu neunzig Prozent und darüber. Und da es nur die Männchen sind, die je nach Grösse (nur) krächzen bzw. laut brüllen können, werden nun auch die überaus lauten Froschkonzerte an warmen Sommerabenden verständlich. Es quaken eben zu viele Männchen - dieselben sind »hoffnungslos« in der Überzahl und können nur so auf sich aufmerksam machen (Hardrock - Effekt!).

Dauert es bei solchen Tierarten also relativ lange, eigentlich erst kurz vor der Fortpflanzung, so ist dies bei anderen Tierarten wiederum ganz verschieden geregelt. Hier liefern beispielsweise die Hühner interessante Aufschlüsse, denn je mehr sich die Geschlechtsdifferenzierung nach rückwärts verschiebt, um so wichtiger werden die Körperhormone (wovon allerdings De Graaf und Leewenhoeck vor mehr als dreihundert Jahren wohl noch keine blasse Ahnung hatten: Sie sahen nur die Keimdrüsen als solche in ihren Mikroskopen). Denn dieselben bringen jetzt nicht mehr nur Eier oder Spermien hervor, sondern zusätzlich auch die Geschlechtshormone, die die Geschlechter unterscheidbar machen, beispielsweise über die Färbung, den Geruch, die Grösse oder andere spezifische Geschlechtsmerkmale.

So sind im embryonalen Stadium beim Federvieh die Keimdrüsen bei allen jenen Individuen mehr oder weniger gleich. Beim Männchen entwickelt sich nun die Aussenrinde der Urkeimdrüse nicht weiter, wohl aber der Kern, und es bilden sich ein paar Hoden heraus, die an der ursprünglichen Stelle im Unterleib, d. h. im Körper in direkter Nähe der Nieren, bleiben. Der linke Hoden wird dabei um einiges grösser und schwerer, wie auch beim Menschen der Fall. Bei den Weibchen jedoch wird dieser Unterschied zwischen der rechten und linken Geschlechtsdrüse noch erheblich ausgeprägter, d. h. bei der rechten Drüse verschwindet die äussere Rinde genauso wie bei den Hoden der Männchen, während die linke besonders stark wächst und den eigentlichen Eierstock bildet. Und ab dieser Stufe können nun menschliche Experimente - aber auch die Natur manchmal - veranlassen, dass aus einem unscheinbaren Huhn anschließend ein imponierender Hahn entsteht: Ein Hahn mit langen Schwanzfedern, buntem Gefieder, grossem Kamm und dem typischen Kehllappen, völlig männlich im Benehmen. Dies geschieht beispielsweise dadurch, dass der grosse linke Eierstock, der also die Eier erzeugt, herausoperiert wird. Daraufhin beginnt die verkümmerte rechte Drüse wieder zu wachsen, aber statt eines neuen Eierstocks wächst ein Hoden heran - nicht immer funktionstüchtig, aber es kommt eben vor: Die Henne wird zum Hahn. Da ein solcher Vorgang - wie bereits gesagt - manchmal auch ohne äusseren Eingriff vonstatten gehen kann, ist dann die Boulevardpresse in ihrem Element, wenn sie berichten kann »Geschlechtsumwand-lung auf dem Bauernhof, Henne wird zum Hahn«. Ja, sowas!

Aber auch im umgekehrten Falle - diesmal jedoch nur ausschliesslich experimentell erreichbar - kann ein Hahn zum Huhn werden. Hierbei werden die Hoden entfernt und ein Eierstock eingesetzt: Der Hahn kräht danach nicht mehr, bekommt ein stumpfes Gefieder sowie die Unterwürfigkeit der Hennen und ist sicherlich todunglücklich dabei, da er nun kein Hahn mehr ist und in der Hackordung ganz unten rangiert. Werden jedoch (nur) die Hoden des Hahnes entfernt - was häufig geschieht, um sogenannte Kapaune zu erzeugen, - bleiben seine Federn fast unverändert. Kehllappen und Kamm schrumpfen bis auf die Grösse der Hennen, und vom einstigen stolzen Krähen des Hahnes bleibt nur noch eine Art von Gackern übrig - männliche Kampflust sowie das typische »Macho«-Liebeswerben verschwinden praktisch völlig. Das Federvieh-Exemplar - der Kapaun also - bleibt bei dieser Prozedur nach wir vor schön anzusehen, hat jedoch seine primären wie auch sekundären männlichen Geschlechtsmerkmale eingebüsst. Es hat aufgehört, ein Männchen zu sein, ohne jedoch zum Weibchen geworden zu sein - ein »echtes Huhn« wird es nur, wenn noch ein (funktionierender) Eierstock eingepflanzt wird. Im Barock-Zeitalter wurden die »castrati«, die hochstimmigen Belcanto-Stars der italienischen Oper, im Volksmund verächtlich »Kapaune« genannt.

Dann gibt es noch die Geflügelvariante der sogenannten Poularde, wenn beim Huhn nicht nur einer der Eierstöcke, sondern gleichzeitig beide entfernt werden, so dass kein Hoden mehr nachwachsen kann. Poularde und Kapaun sind dabei oft nicht mehr voneinander zu unterscheiden: Tierische Eunuchen unter sich sozusagen. Dabei kann noch weitergegangen werden, indem beispielsweise dem Kapaun weibliche Hormone eingespritzt werden: dann wird das bunte Hahnengefieder nach und nach durch stumpfes Hennengefieder ersetzt. Hört man dagegen mit den Hormoninjektionen wieder auf, wächst das bunte Federkleid wiederum nach, wie beim »ungespritzten« Kapaun, d. h. die äussere Ausgestaltung des beliebten Geflügels ist hormonell regulierbar.

Wir können nun die Frage stellen, ob es vermessen ist, gewisse Parallelen zur hormonellen und vor allem zur chirurgischen Geschlechtsumwandlung im Rahmen der heutigen medizinischen Transsexualität zu ziehen, besonders bezüglich der vielfältigen Eingriffe bei Mann-zu-Frau-Transsexuellen. Auch wenn es vielleicht manchem nicht passen wird, das Verhalten von Hühnern und von Menschen mit einander zu vergleichen, so sei doch an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass bei den höheren Säugetieren (und der Mensch gehört nun mal zu dieser Gattung) das Nachlassen der Herrschaft der Hormone zugunsten des Einflusses des Grosshirns (über entsprechende Steuerungsmechanismen wie Hypophyse und Hypothalamus) in Sachen Bewertung des Phänomens der transsexuellen Geschlechtswandels doch interessante Fragen aufwirft. Denn wenn die Lenkung und Steuerung des Sexualverhaltens zu Ungunsten der Hormone nachlässt und die Bedeutung der Erziehung, d. h. des Lernens und des Erfahrens, zunimmt, dann sollte die Beeinflussung der transsexuellen Psyche zwar über Hormone, aber doch eher auch über Argumente geführt werden können. Das so oft praktizierte Vollstopfen mit weiblichen Hormonen wäre jedenfalls aus solchen evolutionstechnischen Überlegungen fragwürdigRückschritt«) und damit die Nähe zu den so oft kritisierten »Rattenexperimenten« Dörners und Vincents (Sexualverhalten der Versuchstiere durch Hormoninjektionen bzw. Kastration bzw. Gehirnexperimente nach Belieben regulierbar) wieder hergestellt. Die gleichen Überlegungen sind natürlich - entsprechend modifiziert- auch für die Frau-zu-Mann-Transsexualität einsetzbar. Als gesicherte Erkenntnis kann jedoch bereits im generellen Sinne festgestellt werden, dass männliche Hormone Kraft und Kampfgeist zunehmen lassen, denn wenn beispielsweise Hennen von niedrigem Rang in der Hackordnung männliche Hormone eingespritzt bekommen, gerät die bisherige Hackordnung völlig durcheinander. Weibliche Hormone dagegen verstärken die (weibliche?) Neigung zur Unterordnung und ähnliche Verhaltensweisen, wie beispielsweise zur Fluchtbereitschaft.

Ein weiteres und interessantes Beispiel für Geschlechtswechsel-Kuriosa in der Natur liefert noch die Mützen- oder Pantoffelschnecke, die an vielen Meeresküsten heimisch ist. Die jungen Tiere, die Männchen sind, setzen sich hierbei auf gleichgeschlechtliche Artgenossen ab. Dies geschieht immer öfter, und es entstehen kleine Pyramiden. Die unteren Individuen wandeln sich nun allmählich in Weibchen um, so dass ein solcher Schneckenturm in der Folge aus Weibchen an der Basis, in Umwandlung befindlichen Exemplaren in der Mitte und Männchen am oberen Ende besteht. Statt die Spermienkonkurrenz von immer mehr Männchen fürchten zu müssen, wandeln sich die unbeweglichen Schneckenmännchen lieber um und produzieren fortan Eier. Eine wahrlich geniale Lösung, sozusagen nach dem Motto: »umständehalber (Druck!) zum Weibchen geworden«. Und beim Menschen?

Gleichfalls kurios dürfte die uralte Mär der geschlechtswechselnden Hyäne anzusehen sein, von der die Überlieferung sagt, dass dieses Tier jährlich das Geschlecht wechselt, d. h. in einem Jahr ein Männchen und im nächsten ein Weibchen sei - wie u. a. in vielen älteren Schriften, speziell den apokryphen (wie beispielsweise den Episteln des Barnabas) sowie im alttestamentlichen »Buch des Leviticus« vermerkt. Solche » Anschuldigungen« gegen die Hyäne und auch andere Tiere finden sich besonders im »Physiologus« wieder, jenem etwa im 2. Jahrhundert n. Chr. (im frühen »Mittelalter« somit...) kompilierten Werk voller moralisierender Fabeln und Allegorien über Tiere und Minerale, das bis ins hohe Mittelalter - neben der Bibel - eines der am weitesten verbreiteten Schriftwerke war - unterhaltsam, erbaulich, belehrend und vor allem überaus »unnatürlich«. Es heisst im »Physiologus« u. a : »Das Gesetz sagt:« »Iss nicht die Hyäne und nichts was ihr gleicht«. Und fährt fort zu behaupten, dass sie mannweiblich sei, bald männlich, bald weiblich. Und vom alttestamentarischen Propheten Jeremias (650 - 585 v. Chr.) ist im »Physiologus« (Kap. 21 und 24) die überlieferte Aussage vermerkt:

»Nicht ist die Höhle der Hyäne mir zum Erbteil geworden. Gleiche nun auch du nicht der Hyäne dadurch, dass du bald die männliche, bald die weibliche Natur liebhast. Diese Leute hat schon der göttliche Apostel verworfen und gesagt: Männer haben mit Männern Schändliches getrieben usw

Und als beispielsweise bald ein halbes Jahrtausend später der Bischof von Pavia einen homosexuellen Mann mit einem Hasen verglich oder als der mittelalterliche Abt Bernhard von Cluny solche Männer mit der Bemerkung »genau wie eine Hyäne« belegte, war ein jeder sofort »im Bilde« - Glaube statt Wissen.....! Aber sogar bis in den sechziger Jahren hat sich diese Mär Fleckenhyänen seien Hermaphroditen im wahrsten Sinne des Wortes, noch vereinzelt erhalten. Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass bei der afrikanischen Fleckenhyäne (Crocuta crocuta) die Klitoris des Weibchens zu einem Pseudo-Penis verlängert ist und aus faserreichem Gewebe zusätzlich ein Pseudo-Hodensack ausgeformt wird. Die Klitoris ist extrem gross ausgebildet und kann - zudem mit Harnausgang versehen - zu Penisgrösse erigieren. Indem die weit nach aussen gewölbten Schamlippen zusammengewachsen sind, gleichen die sichtbaren Geschlechtsteile denen der männlichen Tiere - deswegen hielt sich die Legende, dass »männliche« Hyänen sich miteinander paaren, auch als beliebte Metapher für die »abartige« (männliche) Homosexualität. Die pseudomännlichen Genitalien der weiblichen Hyänen sind dabei die Folge eines extrem hohen Androgenspiegels (maskulinisierende Wirkung des Hormons Testosteron auf weibliche Organismen) - auch die frühkindliche Aggressivität der Tiere ist in der Folge ungeheuer. Statt im Bauchfell der Mütter nach Milchdrüsen zu suchen, werden die rivalisierenden Geschwister angegriffen und getötet. Während ihres rund hunderttägigen Aufenthalts im Mutterleib sind die Föten der Fleckenhyänen einem wahren hormonellen (Testosteron-)Bombardement ausgesetzt, was auch zu einem hormonellen Ungleichgewicht zwischen den erwachsenen Tieren führt. Es entsteht ein enormer Überhang an weiblicher Aggressivität und Fressgier: männliche Hyänen werden von der Beute verscheucht, ihnen bleiben nur die Reste. Auch die Clanordnung ist streng matriarchalisch organisiert - die Weibchen bilden das Rückgrat der Gemeinschaft, in der (hierarchisch) Schwestern, Tanten, Mütter und Töchter jagen und gemeinsam dafür sorgen, dass die Anzahl der Männchen auf die zur Sicherung der Nachkommenschaft notwendige beschränkt bleibt. Wissenschaftler führen dieses Phänomen der weiblichen Aggressivität und Dominanz nicht nur auf das Übermass an embryonalem Testosteron zurück, sondern auch - analog zum (weiblichen) Menschen - auf das bisher wenig erforschte, in den Eierstöcken und von den Nebennieren abgegebene Hormon Androstendiol. Man vermutet hier eine weitere biochemische Erklärung für die offensichtlichen Vorzüge einer ausgeprägten weiblichen Aggressivität - es gibt somit auch »natürliches Doping« (hierzu später mehr).

Mit diesen Überlegungen sind wir jetzt beim Phänomen des menschlichen Hermaphroditismus angelangt. Und wie bereits an anderer Stelle mehrfach ausgearbeitet (siehe Sachbücher »Mythos Geschlechtswandel« (1992) und »Künstliche Geschlechter« (1995)), gibt es in der geschlechtlichen Ausgestaltung des Menschen unendlich viele Variationen und Möglichkeiten - in einem solchen Sinne ist die Natur im biologisch-physiologischen Sinne absolut nicht zwingend perfektionistisch strukturiert. Es finden (sehr) viele »Naturexperimente« mit »Unfall«-Charakter statt, über deren Sinn und Nichtsinn menschliche Erklärungsmodelle versagen müssen - im Zeitalter der rasend schnell expandierenden Gentechnik sind deshalb die ethischen Grundlagen von Mensch und Natur mehr als gefragt: »back to the roots«!

Aus den dabei anfallenden Informationen und Konstellationen stellt sich jedoch gleichfalls heraus, dass hormonelle Medikationen (von aussen somit) zu den verschiedensten Zeitpunkten der natürlich-geschlechtlichen Entwicklung des Menschen durchaus noch beträchtliche Änderungen im Prozessablauf des biologischen Regelwerks hervorzurufen vermögen. Im jugendlichen Alter kann dabei sehr oft bleibend, d. h. im Sinne eines sich einstellenden »natürlichen« Gleichgewichts, gesteuert werden. Im pubertären Alter bzw. danach kann dagegen im kumulativen Sinne nur noch Unordnung hervorgerufen werden, d. h. das - manchmal mit Überdosierung erreichte - »künstliche« Gleichgewicht rächt sich mit einer Flut von Gegen- bzw. Nebenwirkungen oder - wie TS-Papst Sigusch es mal so treffend formulierte -»unerwünschten Wirkungen« (von wem unerwünscht?). Die Folgen können - wir bekommen es regelmässig vorgeführt - verheerend sein (u.a. Bodybuilding-Exzesse, TS-Eigenmedi-kations-Wahn) und der einst »intakte« Mensch wird zu einem geschlechtlichen Zombie - alles im Namen und mit Duldung des (patriarchalischen) Fortschritts- und Wissenschaftsdenkens. Patriarchalisch-wissenschaftliche Strukturen und medizinische Feudalsysteme haben es - speziell in deutschen Gefilden - bisher ermöglicht, dass auch in der transsexuellen Geschlechtswandel-Problematik »Neues Denken« nach Belieben blockiert werden kann bzw. die Natur des Menschen wissentlich verleugnet wird (Transsexer Wolf Eicher!) - künstliche Experimente und verlogene »Resultate« stehen dabei im Vordergrund: »koste es, was es wolle«!

Dass die Natur aber bei ihren eigenen, überaus vielfältigen »Unfall«-Experimenten andererseits durchaus in der Lage ist, erstaunliche »Reparaturarbeiten« ganz besonderer Qualität durchzuführen, kann an diversen hermaphroditischen Erscheinungsbildern des Menschen demonstriert werden. Es sind dies beispielsweise die Phänomene mit den Bezeichnungen Hermaphroditismus masculinus, Hermaphroditismus feminus (AGS-Syndrom) sowie Testikuläre Feminisierung, um nur einige zu nennen.

Im Falle des Hermaphroditismus masculinus liegt eine unvollkommene Maskulinisierung der äusseren und inneren Genitalien vor - man spricht von männlichen Scheinzwittern. Verantwortlich hierfür zeichnet ein Defekt im Stoffwechsel des (männlichen) Hormons Testosteron. Hierbei ist die Umwandlung von Testosteron in Dihydrotestosteron - wegen eines Mangels an dem Enzym 5-Alpha-Reductase- gestört und der DHT-Spiegel im Blut liegt weit unter dem Wert, der für die männlich- normale Ausbildung der äusseren Genitalien erforderlich ist. Bei einer solchen Störung entstehen dann im fötalen Stadium weibliche äussere Geschlechtsmerkmale (die Natur kehrt bei einem Mangel auf dem Wege zur (natürlichen) »Männlichkeit« sofort um - zurück zur weiblichen Ausgangslage), die inneren Strukturen (basierend auf dem männlichen Genotyp XY und männlichen Keimdrüsen) sind jedoch völlig im maskulinen Sinne ausgebildet. Wenn nun in der Pubertät vermehrt Testosteron (und damit DHT) produziert wird, kann es zum sogenannten »guevedoce«-Syndrom (erstmals in der Dominikanischen Republik entdeckt und erforscht) kommen. Hierbei wachsen dann männliche, äussere, (sogar manchmal) funktionstüchtige Geschlechtsorgane heran, auch wenn der Defekt in der Wirkung des 5-Alpha-Reductase-Enzyms noch immer nicht regelgemäss funktioniert. Ein solcher Spontan-Geschlechtswechsel wird an dortiger Stelle - typisch für die naturvölkische Mentalität - erstaunlich lakonisch toleriert: Die sozialen Anpassungsprobleme für die sogenannten »machihembras («erst Frau, dann Mann") werden dabei auch seitens der Gemeinschaft ohne nennenswerte Probleme und Folgewirkungen verkraftet.

Die Resistenz gegen nicht umgewandeltes Testosteron bzw. ein zu niedriger DHT-Spiegel im Blut sind jedoch nicht die einzigen Ursachen für diesen männlichen Pseudo-Hermaphroditismus. Auch in den davor gelagerten Prozessvorgängen kann es zu Problemen kommen, wenn Enzymdefekte auftreten - insgesamt sechs Syntheseschritte müssen dabei durchlaufen werden, und ein jedes der dafür codierten DNS-Abschnitte kann durch genetische Mutationen bzw. durch prozessuale »Unfälle« die dafür zuständigen Enzyme beeinträchtigen. Ebenso kann es in einer noch früheren Phase vorkommen, dass - kombiniert mit den jeweiligen Enzymdefekten - an sich genetisch männliche Individuen zu Personen mit einem normalen weiblichen Phänotyp heranwachsen können. Die Natur legt quasi die Testosteronproduktion auf Eis, und es wird wieder die äussere weibliche Ausgestaltung favorisiert - trotz des vorhandenen männlichen Karyotyps 46 XY. Der Testosteronspiegel im Blut ist hierbei deutlich niedriger als sonst.

Ende der achtziger Jahre berichtete eine internationale Forschergruppe aus England, Holland und den USA über neueste Befunde an Menschen mit sogenanntem Sex-Umkehr: XX-Männer und XY-Frauen, die alle einen Teil, aber kein ganzes Y-Chromosom tragen. Die Analyse der Geschlechtsentwicklung, des H-Y-Antigens und der auf Grund der DNS-Hybridisierung (also infolge genetischer »Unfälle«) nachgewiesenen Y-Fragmente ergaben, dass das Gen für das H-Y-Antigen auf dem langen Y-Arm (oder der Zentromerregion) liegt und der Hoden - bestimmende Faktor (TDF, testis-determining factor) weit entfernt im äussersten, entferntesten Abschnitt des kurzen Y-Arms lokalisiert ist (Nature 326, 1987). Und Mitte der neunziger Jahre berichtete ein britisches Forscherteam (um den Mediziner David Bonthron vom Western General Hospital Edinburgh) in der Fachzeitschrift »New England Journal of Medicine« über die bevorzugte Entstehung von Mischwesen, sogenannten Chimären, bei der künstlichen Befruchtung. Darunter verstehen Wissenschaftler Organismen, deren Körper aus genetisch unterschiedlichen Zellen besteht. So entpuppte sich bei einem 15 Monate alten Retortenbaby der vermeintlich auf einer Seite zu hoch liegende Hoden, während der Operation als Eierstock samt Eileiter. Genetische Analysen ergaben, dass der Junge, der sich später »normal« entwickelte, von zwei ursprünglich selbständigen Embryonen abstammte, die in einem sehr frühen Stadium der (künstlichen) Schwangerschaft miteinander verschmolzen waren. Die Embryonen - der eine weiblich, der andere männlich - bestanden zu diesem Zeitpunkt nur aus wenigen Zellen und fusionierten nach der (künstlichen) Einpflanzung in die Gebärmutter. Ein solcher Vorgang kann auch bei einer natürlichen Schwangerschaft stattfinden d.h. es kann zu einer solchen Verschmelzung kommen, wenn zufällig zwei Eizellen gleichzeitig befruchtet werden. Je nachdem, welche Körperteile auf den männlichen oder den weiblichen Embryo zurückgehen, entstehen dabei unfruchtbare, gemischt-geschlechtliche Zwitter oder aber »normale«, fruchtbare Frauen oder Männer. Bei letzteren wird der Chimärismus oft gar nicht entdeckt. Da hatte die ehemalige Olympiasiegerin im Hundertmeterlauf im Jahre 1932 in Los Angeles, Stella Walsh (wurde in 1936 in Berlin nochmals Silbermedailliengewinnerin), dann jedoch (nachträglich) Pech: als sie 1990 ermordet aufgefunden wurde und ihr Mosaizismus-Syndrom entdeckt wurde (XY- und XO-Chromosomenpaare gemischt), hat das IOC in Genf ihr umgehend die Medaillen wieder aberkannt. Jaja, da fackeln sie nicht lange, diese »Herr«schaften - »Ordnung« muss sein!

Beim Phänomen des Hermaphroditismus feminus, auch androgenitales Syndrom (AGS) genannt, handelt es sich um Individuen mit weiblichem Genotyp, also 46 XX, sowie mit weiblichen Keimdrüsen, jedoch (teilweise) männlichen Geschlechtsorganen. Oft fehlen die weiblichen sekundären Geschlechtsmerkmale wie Busen oder höhere Stimme, dafür ist jedoch oft stärkere Körperbehaarung und kräftigere Muskulatur bei meistens kleinem, gedrungenem Körperbau feststellbar. Man schätzt das Vorkommen auf eine von fünftausend Geburten, vom berühmten deutschen Arzt und Naturforscher Paracelsus (Theophrastus von Hohenheim (1493 (?) - 1541)) ist bekannt (aus gerichtsmedizinischen Untersuchungen am Skelett des vor über fünfhundert Jahren verstorbenen Arztes), dass dieser hermaphroditischer Natur gewesen ist, vermutlich AGS-Syndrom. Dieses Phänomen beruht auf einem zu hohen Androgenspiegel während der embryonalen Entwicklung (wie bei den weiblichen Fleckenhyänen), speziell bezogen auf die hochempfindliche Phase vor der zwölften Schwangerschaftswoche. In diesem betreffenden Entwicklungsstadium bewirkt ein Überschuss an Androgenen gewisse Anomalien in den inneren und äusseren körperlichen Merkmalen: Es werden statt weiblichen männliche, äussere Geschlechtsorgane differenziert. Fällt dagegen die überhöhte Zufuhr von Androgenen nach der zwölften Schwangerschaftswoche, so führt dies lediglich zu einer gewissen Vergrösserung der Klitoris, bei ansonsten normal-intakten, weiblichen Geschlechtsorganen. Der Zeitpunkt einer solchen Androgenisierung spielt somit eine entscheidende Rolle, besonders auch weil darauf anschliessend die zentralnervöse Entwicklung des Fötus noch zusätzlich davon gesteuert wird - hier gibt es vielerlei Konstellations-Möglichkeiten, nicht zuletzt für eine spätere (mögliche) Entwicklung im Rahmen der Frau-zu-Mann-Transsexualität (als Biologie-Milieu-Konflikt inszeniert (Tomboy-Syndrom)).

Die Ursachen für das Vorhandensein von überschüssigem Androgen im weiblichen Fötus können sehr vielgestaltig sein, so beispielsweise, wenn seitens der Mutter - mittels Spritzen oder Medikamenten - Androgene zugeführt werden oder wenn ein Androgene produzierender Tumor in ihren Ovarien oder Nebennieren vorhanden ist. Aber auch die Nebennieren des weiblichen Fötus selbst können einen Überschuss an Androgenen produzieren, beispielsweise wenn die Synthese von Cortisol aus Cholesterin in der Nebennierenrinde blockiert ist durch etwaige Enzymdefekte (Dörner-Experimente!). Die Hypophyse reagiert dann auf den fallenden Cortisolspiegel im Blut und regt die Nebennierenrinde zu erhöhter Produktion an, wodurch wiederum die Androgynsynthese in den Nebennieren gesteigert wird - mit allen Folgen einer abgestuften Vermännlichung des (weiblichen) Fötus. Es kommt dabei zur Ausbildung eines mehr oder weniger grossen Penis sowie einer geschlossenen Vagina, wobei die inneren Geschlechtsorgane - wie Gebärmutter und Eileiter - erhalten bleiben. Dies da das (männliche) Anti-Müller-Hormon, das eine rückbildende Wirkung auf die ursprünglich weiblich angelegten Geschlechtsorgane ausübt (wegen der fehlenden Hoden) nicht wirksam werden kann. Seit Anfang der fünfziger Jahre ist es inzwischen möglich, bei solchen weiblichen Scheinzwittern durch Cortisolbehandlung die vorliegende Stoffwechselstörung auszugleichen - die unmittelbar nach der Geburt dementsprechend behandelten Mädchen weisen dabei in den meisten Fällen jedoch häufig jungenhaftes Verhalten und »männliche« Interessenbildung auf. Die psychische Sexualität entspricht dabei in den meisten Fällen dem Zuweisungsgeschlecht und der damit verbundenen, anerzogenen kulturell-weiblichen Geschlechtsrolle. Es gibt jedoch auch Fälle, wo nicht behandelte, weiblich erzogene Mädchen mit dem AGS-Syndrom in oder nach der Pubertät eine Geschlechtsumwandlung vornehmen, weil sich ein männliches Rollenverständnis und eine auf Frauen ausgerichtete sexuelle Orientierung herausgebildet hat. Hier können jedoch auch vielfach dominante kulturelle Einflüsse - Umweltbedingungen somit - als bestimmend angesehen werden - familiendynamische Entwicklungen (Sohnersatz, Vaterabstinenz) können hier häufig übermässig wirksam werden. Keinesfalls darf eine solche KonstellationIrrtum der Natur«) jedoch mit dem Phänomen der TranssexualitätIrrtum des Menschen«) verwechselt werden - wie dies oft der Fall ist. Ebenso sei noch ergänzend angemerkt, dass die Mikrochirurgie auch für die frühzeitige operative Behebung der intersexuellen, anatomischen »Missbildungen« eine Fülle von Möglichkeiten bereit hält - die Palette der möglichst im Frühstadium der kindlichen Entwicklung vorzunehmenden chirurgischen Eingriffe ist dabei äusserst vielfältig (sollte jedoch nicht voreilig eingesetzt werden). Eine diesbezügliche interessante und vielbezeichnende Nachricht kam dieser Tage noch aus den USA: 15 Monate nach dem positiven Test bei den 96er-Olympia-Ausscheidungen in Atlanta wurde die Langstreckenläuferin Mary Slaney-Decker (39) vom Dopingvorwurf freigesprochen. Eine Kommission des US-Verbandes sei zum Ergebnis gekommen, dass die übermässig hohen Testosteron-Werte der »männlichen« Athletin von Natur aus vorhanden seien. Der Weltverband IAAF, der sie vier Jahre lang sperrte, will die Hintergründe des Freispruchs sorgsam prüfen und behält sich weitere Schritte vor (ein Verband irrt sich nicht!) Mary Slaney-Decker hatte immer ihre Unschuld beteuert, aber das zählt offensichtlich wenig in der (Sport-)Welt der Künstlichkeiten.

Das am meisten beobachtete (und wohl auch beschriebene) Phänomen der menschlichen, biologischen Intersexualität dürfte jedoch das der sogenannten Testikulären Feminisierung sein. Bei diesem Syndrom tritt bei Personen mit dem männlichen Karyotyp 46 XY eine Testosteronresistenz in den Zellen der Zielgewebe auf, d. h., obwohl der Testosteronspiegel im Blut normal ist (manchmal wegen diversen Rückkopplungseffekten sogar etwas erhöht), kann das zirkulierende Testosteron dort nicht wirksam werden. In diesem Falle ist der intrazelluläre Androgenrezeptor defekt, was sich gleichfalls wieder verschiedenartig manifestieren kann - bis zur völligen Resistenz gegenüber Testosteron bzw. dessen Derivat Dihydrotestosteron (DHT). Dies wiederum hat zur Folge, dass die genannten maskulinisierenden Hormone nicht wirksam werden können und sich die Wulffschen Gänge (die embryonalen »männlichen« Strukturen) wieder zurückbilden - es können keine Samenleiter entstehen. Ebenso bilden sich infolge der fehlenden DHT-Akzeptanz in den dafür vorgesehenen Regionen keine männlichen, äusseren Geschlechtsorgane heraus, sondern - zusammen mit noch nicht geklärten Umwandlungsprozessen des Testosterons in Östradiol - weibliche, äussere Genitalien. Da jedoch die funktionierenden Hoden das Anti-Müller-Hormon (zuständig für die Rückbildung der embryonalen »weiblichen« Strukturen) weiter produzieren, degenerieren auch die diesbezüglichen Müllerschen Gänge, und es können in der Folge wiederum keine weiblichen, ableitenden Geschlechtswege entstehen. Der ursprünglich genetisch-männliche Fötus entwickelt sich also nach der Geburt zu einem Individuum mit normalem weiblichem Phänotyp und Habitus, d. h. mit Vagina und (weiblicher) Brust, jedoch ohne Eileiter und Gebärmutter - die Hormone überlisten sozusagen die Genetik. Als normal erscheinendes Mädchen geboren und mit weiblichem Zuweisungsgeschlecht, wächst es auch wie ein solches heran. Und da die Hoden, die solche Personen durch ihren XY-Genotyp als Keimdrüsen besitzen, in der Bauchhöhle oder im Leistenkanal zurückgezogen sind, können keine äusseren, abweichenden Merkmale anders als völlig weiblich festgestellt werden. Erst in der Pubertät werden die als Mädchen erzogenen Personen auf das Ausbleiben der Menstruation aufmerksam, und es wird sich dann - bei einer entsprechenden ärztlichen Untersuchung - die biologische Intersexualität herausstellen. Dies ist keineswegs selten der Fall, sie bildet die dritthäufigste Ursache für das Ausbleiben der Menstruation in der Pubertät - eine an sich doch erstaunliche Feststellung. Und wenn davon abgesehen wird, dass diese Frauen an sich ja - im biologischen Sinne - kinderlos bleiben müssen, lässt sich offenbar meistens ein Leben ohne grössere Komplikationen führen. Allerdings müssen die sich im Unterleib befindlichen Hoden normalerweise operativ entfernt werden, da diese zur Bildung bösartiger Tumore führen (können).

Andere »indirekte« Auffälligkeiten bei diesem Syndrom der Testikulären Feminisierung sind sodann ein hoher bis sehr hoher Testosteronspiegel, ein ebenso erhöhter LH-Hormonspiegel (Hypophyse-Steuer-Hormon) und eine abweichende Körperbehaarung. Die überhöhte Konzentration des LH-Hormons kommt dabei zustande, weil in der Hypophyse gleichfalls anormale Androgenrezeptoren vorhanden sind und deswegen der hohe Testosteronspiegel keine entsprechende Rückkoppelungswirkung auf die Hypophyse ausüben kann. Ebenso wirkt sich die intersexuelle Androgenresistenz bei der Körperbehaarung aus: Es findet sich weder eine Behaarung im Gesicht noch in der Achselgegend und (noch auffälliger) auch nicht im Genitalbereich. Da sich die Natur im übrigen jedoch erstaunlich auf die vorhandenen Defekte in der Testosteronwirkung einzustellen vermag, werden - indem das Testosteron aus den Hoden in der Leber und in anderen Geweben in Östradiol umgewandelt wird - normale weibliche, sekundäre Geschlechtsmerkmale ausgebildet. Die betreffenden Frauen besitzen in der Folge völlig weibliche Konturen, sind grossgewachsen und schlank und entsprechend häufig dem (gegenwärtigen) Schönheitsideal (Model-Typus), d. h. man (Mann!) könnte wirklich sagen: »Männer sind eben doch die schönsten Frauen«.

Wie bereits gesagt, ist die Testikuläre Feminisierung ein keineswegs seltenes Phänomen - die Häufigkeit wird auf ca. 1 : 2.000 geschätzt (Transsexualität ca. 1 : 10.000!). Zweifel an der weiblichen Identität treten dabei normalerweise nicht auf, auch in sexueller Hinsicht nicht (wo diese Frauen sich eher als erlebnisfähig einschätzen), während zudem in psychischer Hinsicht oft eine völlige Unauffälligkeit feststellbar ist. Im Kindesalter allerdings kann öfters eine Vorliebe für motorische Spiele und die Gesellschaft von Jungen auftreten, was jedoch später wieder im kulturellen Sinne entsprechend angepasst werden kann (oder auch nicht!). Es ist somit überaus erstaunlich für die »natürlichen« Möglichkeiten (hier der menschlich-biologischen Manifestation), welche Korrekturleistungen erbracht werden können, wenn gewisse »Störungen« in der embryonalen Wachstumsperiode derart typisch angelegt sind. Denn hier wird wieder eindeutig bewiesen, dass - sofern die männlichen Geschlechtshormone im körperlichen und psychosexuellen Sinne nicht wirksam werden können - die Natur Mittel und Wege findet, ihre primäre Vorliebe für das Weibliche abermals durchzusetzen - wie wir dies auf den vorerwähnten, unteren Stufen der Evolution bereits eindeutig mehrfach feststellen konnten. Das Männliche wird zum Weiblichen - äusserlich und psychosexuell - und nur noch wenige abweichende Erscheinungsbilder deuten auf diese Leistung der Natur hin. Die Bindungsdefekte der Androgenrezeptoren auf der einen Seite, werden überaus gleichwertig aufgewogen durch den Umwandlungsprozess desmännlichen«) Hormons Testosteron zumweiblichen«) Östradiol-Hormonkomplex, welches dann - infolge der ungestörten Bindung an die Östrogonrezeptoren des (genetisch-männlichen) Organismus - einen entsprechenden, »natürlichen« Feminisierungsprozess in Gang zu setzen vermag: Der latente »Irrtum der Natur« wird in diesem frühen Stadium der menschlichen Werdung zur »Glanzleistung der Natur« umfunktioniert.

In Kenntnis dieser Gestaltungsmöglichkeiten der Natur muss deswegen auch der gewaltige Aufwand an hormonellen, chirurgischen als auch psychischen Leistungen gesehen werden, der die »Therapie« des heutigen Transsexualitäts-Komplexes mit sich bringt (der fälschlicherweise derart entscheidend bzw. einschneidend gesellschaftlich institutionalisiert worden ist), nicht zuletzt wenn der Körper in bzw. nach der Pubertät bereits entschieden hat bzw. die Weichen gestellt worden sind. Und wie auch das »guevedoce«-Phänomen des Hermaphroditismus masculinus-Syndroms beweist, ist die Biologie schliesslich immer entscheidend für den Lauf der Dinge - die Psyche passt sich an und nicht umgekehrt. Dies impliziert aber gleichzeitig, dass beim Phänomen des (männlichen) Transsexualismus jedenfalls - wie oft seitens der Betroffenen postuliert - kein »Irrtum der Natur« vorliegen kann, da der zugrundeliegende Konflikt zwischen Biologie und Kultur des (männlichen) Menschen ja auf die genetisch-biologische Homosexualität des sich transsexuell verhaltenden, männlichen Menschen beruht. Gerade jene ist jedoch eine im abweichenden Sinne kontra-indizierte, biologisch-geschlechtliche Veranlagung - aus welchen (natürlichen) Gründen dann auch inszeniert - und deswegen eher als »Laune der Natur« zu bezeichnen. Für den Transsexualismus-Komplex - als typischer Konflikt zwischen Biologie und Kultur angelegt - muss die immer wieder aufflackernde Suche nach biologischen Ursachen (Eichers H-Y-Antigen-Flop) deshalb aussen vor bleiben: es handelt sich eindeutig um einen »Irrtum des Menschen«. Dass das überholte männlich-patriarchalische Denken in seinem »Schöpfungs«-Wahn keine solche »Irrtümer des (männlichen) Menschen« darin vorsieht, sondern nur den unbezwingbaren Drang nach Manipulation der (weiblichen) Natur (als Korrektur des vermeintlichen »Irrtums der Natur«) verspürt - wen wundert´s....

Hierzu sei noch abschliessend die nachfolgende, aufschlussreiche Geschichte erzählt. Bis jetzt wurde von der Wissenschaft verneint, dass ein Mensch ab seiner Geburt bereits weiss, ob er als Junge oder als Mädchen zur Welt gekommen ist - man (Mann!) glaubt(e), dass jeder Mensch bei seiner Geburt geschlechtlich neutral sei. Die eigentliche sexuelle Identität würde sich erst später entwickeln und wäre - abhängig von der Erziehung - manipulierbar. Diese Theorie wurde nun in einer langangelegten Studie widerlegt und zwar in einem recht spektakulären Fall. Dieser bezieht sich auf den heute 34jährigen »John« (sein eigentlicher Name wird geheimgehalten), welcher 1964 als Junge geboren wurde. Im Alter von acht Monaten musste er sich einer Penis-Operation (Beschneidung) unterziehen, bei der es zu Problemen kam: seine Genitalien wurden so sehr verletzt, dass der damalige Arzt eine »Geschlechts«-Umwandlung vorschlug. Die Ärzte, vornweg der bekannte Transsexualismus-Forscher John Money, beruhigten die Eltern damit, dass so etwas in diesem Alter kein Problem sei: Kinder seien in diesem Alter noch als »sexuell neutral« einzustufen. Die Eltern stimmten darauf zu, und aus John wurde Joan. Und eine spektakulär herumgereichte Studie des vorerwähnten Sexualwissenschaftlers Money sollte belegen, dass sich Joan auch tatsächlich als Frau entwickelte - man(Mann!) wollte ja etwas beweisen: dass die Geschlechter austauschbar seien...!

Doch mit der Pubertät änderte Joan ihr Verhalten, dokumentiert in einer weiteren Studie der beiden Wissenschaftler Milton Diamond und Keith Sigmundson - nach dieser Studie wollte Joan im Alter von vierzehn Jahren wieder ein Junge werden. Und das, obwohl sie - im ominösen Moneyschen TS-Programm - reichlich mit weiblichen Hormonen behandelt worden war, von den Eltern voll als Mädchen erzogen worden war und auch von der Umwelt als Mädchen akzeptiert wurde. Doch auch die künstlichen weiblichen Genitalien - zusätzlich zu allen jenen vorvermerkten »Programmierungen« - konnten die Tatsache nicht ändern, dass Joan ein überaus starkes Verlangen hatte, (wieder) ein Junge zu sein. Und dieses Bedürfnis ging so weit, dass Joan sich erfolgreich einer erneuten, umgekehrten Geschlechtsumwandlung unterzog und heute glücklich mit einer Frau verheiratet ist. Seither schweigt John Money, und aus den USA kommen mit der feministisch initiierten Transgender-Bewegung neue Töne zu uns rüber. In diesen (politischen) Impulsen zu einem geschlechtlichen Umdenken sind solche Problemstellungen enthalten wie: »Verschwinden die Geschlechtergrenzen«? und »Abschied von der Zweigeschlechtlichkeit« - dem besonders in deutschen Gefilden traditionellen Eindeutigkeitsdenken - im Rahmen der uns inzwischen sattsam bekannten »illusio virilis«-Hybris - wird damit spektakulär Einhalt geboten. Sozusagen als »Elch-Test« für die festgefahrene, männlich-patriarchalische USA-Transsexualismus-Ideologie der Benjamins, Moneys und Stollers in Szene gesetzt - besser spät als nie! Und hier in Deutschland? Nur Funkstille..!

Wir wollen diese doch wieder sehr ausführlich geratene Abhandlung noch abschliessen mit dem Hinweis, was es mit der im Titel dieser AbhandlungNatur und Geschlechtswechsel - von der Daphnia zur Luftgängerin«) enthaltenen Allegorie der »Luftgängerin« auf sich hat. Es geht hierbei um die Hauptfigur im gleichnamigen, neu erschienenen Roman des bekannten österreichischen Literaten Robert Schneider (»Schlafes Bruder« (1992) als Debütroman). In einer Spiegelrezension (1/1998) hiess es:

»Der neue Roman hat keinen erzählerischen Fluss und keine wirklich überzeugende Hauptfigur. Statt des genialen Musikers Alder, der mit einem übersinnlichen Gehör, einer unerwiderten Liebe, und einer tumben Umgebung geschlagen war, kommt nun der Engel Maudi ins Spiel, die im September 1970 geborene Tochter von Ambros und Amrei, eine «Luftgängerin». Das Mädchen leidet (!), wie ein Arzt feststellt, unter dem «Syndrom der testikulären Feminisierung», ein Wesen also mit dem Aussehen einer Frau und dem Chromosomensatz des Mannes. Wunderwesen oder medizinischer Fall? Schon der Vater mag Maudi nicht, der Autor kaum mehr. Lieblos durchstreift er mit ihr die siebziger, die achtziger, die neunziger Jahre. Statt der Luftgängerin Farbe zu geben (aber ebenEngel haben keine Wesenheit») wird von «Magischwerden» und von «Wunder» geredet«.

So weit also dieses Spiegel-Zitat: das Phänomen der testikulären Feminisierung wird offensichtlich jetzt als »übernatürliches« Faszinosum inszeniert, sozusagen mit »Engelszunge« - im Roman und in der Kritik - hochidealisiert. Und wie in einem ähnlich gelagerten Stern-Interview (2/98) vermerkt wurde, hat der inzwischen mit »Schlafes Bruder« zum Millionär gewordene (homosexuelle) Robert Schneider für den Park seiner Vorarlberger Villa eine zehn Meter hohe Skulptur seiner »Luftgängerin« in Auftrag gegeben - »etwas sehr Monumentales«, wie er es ausdrückte. Oder vielleicht eher »Pyramidales«?

In der bekannten (Tier-)Werbung von Toyota heisst esnichts ist unmöglich...!« Und wie wir gesehen haben, dürfte dies für die (geschlechtlichen) Vorkommnisse in der Natur auf jeden Fall zutreffen, aber nicht zuletzt auch für die inzwischen inszenierten, alltäglichen »künstlichen Wirklichkeiten« vieler Menschen - ob nun Geschlechtswechsel, Geschlechtsumwandlung oder auch Geschlechtshybris betref-fend: Fiktionen statt Realitäten! Wir können nur immer wieder staunen und versuchen - wie hier in dieser Abhandlung geschehen - ein wenig (verstohlen) zurückzuschauen, wenn nötig bis zur Daphnia sogar.......Und uns (wieder) an die anfangs vermerkte Widmung im indianischen Fotobuch erinnern: »Wo die Natur aufhört, fängt der Irrsinn an«. Wie wahr!


Berlin, den 10.4.1998


Johanna Kamermans
Postfach 191122
D-14001 Berlin


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